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Transnistrien: Die Krim als Vorbild

Die abtrünnige Region Transnistrien fordert Souveränität und eine enge Anbindung an Russland. Doch Moskau bremst. Die Ukraine kostet schon genug Aufmerksamkeit.

Michail Burla würde jetzt gern neue Fakten schaffen. Der Vorsitzende des Parlaments von Transnistrien verabschiedete am Mittwoch zusammen mit den Abgeordneten eine Resolution: Sie forderten Russland und die Vereinten Nationen auf, die von der Republik Moldau abtrünnige Region als souveränen Staat anzuerkennen.

Am Donnerstag dann war Burla zu Gesprächen in Moskau. Zuerst wolle man die Anerkennung als Republik, danach die Anbindung an Russland, verkündete der Parlamentschef. "Der erste Schritt ist gemacht. Das Weitere wird sich finden."

Doch noch bevor Burla mit seiner Delegation in Moskau landete, hatte Leonid Sluzkij, Chef des Ausschusses für GUS-Angelegenheiten in der russischen Duma, die Erwartungen der Besucher gebremst. Ein Krim-Szenario in Transnistrien führe zu einer Blockade der Region und habe nur negative Konsequenzen zur Folge, sagte Sluzkij der Zeitung Wedomosti.

Doch davon wollen sie sich Tiraspol, der transnistrischen Hauptstadt, nicht abschrecken lassen. Die Forderungen nach Unabhängigkeit und einer Anbindung an die Russische Föderation sind nicht neu. Doch für gewöhnlich liegt der schmale Landstrich südwestlich der Ukraine im toten Winkel der internationalen Aufmerksamkeit. Das ist jetzt in Anbetracht der Krise im Nachbarland anders. Die Region steht im Fokus der Weltöffentlichkeit, jeder Konlikt weckt Ängste vor einem weiteren Gefahrenherd.

NATO warnt vor russichen Truppen

Transnistrien erklärte seine Unabhängigkeit, als die Sowjetunion zerfiel. Es folgte 1992 ein kurzer Krieg mit Moldawien, der etwa 1.000 Menschen das Leben kostete. Seitdem ruhen die Waffen, gelöst ist der Konflikt aber nicht. Transnistrien fordert seither die Anerkennung als souveräner Staat. Die will bislang kein anderes Land gewähren, nicht einmal Russland, das Transnistrien protegiert und mit günstigem Gas und Finanzhilfen unterstützt.

Etwa eine halbe Million Menschen leben hier, zu je einem knappen Drittel haben sie russische, ukrainische und moldauische Wurzeln.

97 Prozent für die Unabhängigkeit von Moldau

Seit dem Krieg von 1992 sind russische Soldaten zur Friedenssicherung östlich des Flusses Dnjestr stationiert. Etwa 1.500 sollen es heute noch sein. Das beunruhigt die Regierung in der moldauischen Hauptstadt Chișinău sowie Politiker und Militärs noch weiter im Westen. Nato-Oberbefehlshaber Philip Breedlove warnte schon vor Tagen, russische Truppen könnten in Süd-Ukraine einmarschieren und bis nach Transnistrien vorstoßen.

Transnistriens Präsident, Jewgenij Schewtschuk, forderte ebenfalls die internationale Unterstützung seines Staates. "Die Europäische Union muss Transnistrien anerkennen", sagte er. Mit allzu konkreten Forderungen hielt sich Schewtschuk zuletzt aber zurück, vor allem nach einer Anbindung an Russland. Auch einer entsprechenden Frage wich der Politiker aus. Er wolle keine Mutmaßungen anstellen, sagte er. Die weiteren Schritte müssten "von den Bürgern unserer Republik" bestimmt werden.

Die wollen mehrheitlich eine Eingliederung in die Russische Föderation und sehnen sich nach einer Abstimmung wie auf der Krim. Schon im Jahr 2006 sprachen sich bei einem Referendum 97 Prozent für die Unabhängigkeit von Moldau und späteren Beitritt zu Russland aus. "Wir fragen uns, warum einige Regionen über ihre Unabhängigkeit entscheiden dürfen und wir nicht", sagte der ehemalige Außenminister Transnistriens Wladimir Jastrebtschak ZEIT ONLINE.

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