Nora Koldehoff

Freie Autorin / Freie Journalistin, Köln

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Blumen, ein Tetrapack Wasser und ein Kabarett-Preis: "Salzburger Stier" ohne Publikum

Claus Schulte und Martin Zingsheim (v.l.) halten die Stellung (Bild: Thomas Kujawinski)

Der so genannte „Radio-Oscar" für Kabarett im deutschsprachigen Raum „Salzburger Stier" wurde verliehen - als Geister-Veranstaltung mit Gästen, die nur akustisch vor Ort waren. „Meine Südstadt" war aber „in echt" dabei und verfolgte das Geschehen aus einer Künstler-Garderobe heraus, die kurzerhand zum Übertragungs- und Arbeitsraum umfunktioniert wurde.

Eigentlich sollte die Verleihung des „Salzburger Stiers" mit großem Brimborium und drei Abendveranstaltungen einhergehen - in diesem Jahr in den Räumen des Deutschlandfunks am Raderberggürtel. Zwei der drei Veranstaltungsabende wurden an einem Tag aufgezeichnet und der dritte Abend, das Konzert von Musikkabarettist Bodo Wartke, am nächsten Abend als „Geisterkonzert" aufgenommen.

Aus der Enttäuschungsstarre kommen

„6000 Menschen in gehobener Abendgarderobe, zweieinhalb Tonnen regionales Catering und ein sich über dreieinhalb Wochen erstreckender Sektempfang - darauf hatten wir uns eingestellt", beklagte Moderator Martin Zingsheim. Er musste gemeinsam mit Schlagzeuger Claus Schulte aufgrund der Corona-Schutzmaßnahmen dann letztlich das Bühnenprogramm vor Ort allein bestreiten. Dennoch war es dem Team wichtig, aus der Entäuschungsstarre herauszukommen und stattdessen mit kreativem Trotz etwas Neues zu schaffen: Eine Radio-Gala, die unter den Bedingungen der derzeitigen Situation dem Anlass und dem Inhalt dient - und den Preisträger*innen ein Gefühl von feierlicher Gala-Stimmung und Preisverleihung vermittelt. Die deutsche Preisträgerin Sarah Bosetti, der Österreicher Florian Scheuba und der schweizerische Preisträger Renato Kaiser schalteten sich jeweils per Leitung aus Berlin, Wien und Zürich zu und erhielten ihre Trophäen so zunächst rein virtuell.

Talk über Leitung und Auftritte als Einspieler

Im Berliner Studio hatte die selbsternannte „Feministin wider Willen" Sarah Bosetti Blumen bekommen und Wasser im Weinglas - sehr festlich, wie sie fand. Das Weinglas allerdings wurde ihr sehr bald darauf wieder weggenommen und durch ein Tetrapack Wasser ersetzt, damit sie nicht die Technik vollschlabbert. Umsichtigerweise offenbar, denn in einem der Texte, die sie während der Sendung vortrug, kamen auch ihre Talente in Sachen Tischmanieren zur Sprache. Der Österreicher Florian Scheuba gilt als penibler Rechercheur und Aufdecker unter den Kabarettisten. Für aktuelle Themen sieht er sich oft als Schnittstelle zwischen Investigativ-Journalisten und der Öffentlichkeit und ist der Meinung, dass man auch mit Satire einiges erreichen kann. Allerdings würde, so Scheuba, in Österreich für die Satire derzeit nicht viel getan. Die Politik beantworte daher die allseits bekannte Frage, „Was darf Satire" offenbar mit: „Sie darf scheißen geh'n".


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Dienstag, 26. Mai 2020 | Text: Nora Koldehoff

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