Nora Koldehoff

Freie Autorin / Freie Journalistin, Köln

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Artikel

Zusammenwachsen und zusammen wachsen

Mahdi mit seiner Gastfamilie (Bild: Tamara Soliz)

Wie Mahdi aus Kabul in seine neue Familie in Köln fand:

„Hm. Ein bisschen viel Nudeln werden hier in Deutschland gegessen." Mahdi muss ein bisschen nachdenken, bevor ihm etwas einfällt, das er in seiner neuen Heimat nicht gut findet. Ansonsten gibt es aus seiner Sicht nicht viel Negatives: „Hier gibt es keine Taliban. Man kann sagen, was man denkt, und alles Mögliche machen." Mahdi ist dreizehn Jahre alt, kommt aus Kabul und ist einer von etwa 500 unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten, die in Köln leben. Seit fast einem Jahr wohnt er hier in einer Gastfamilie.

Ausgelöst hat das unter anderem ein kleiner Zeitungsartikel, in dem davon berichtet wurde, dass die Stadt Köln Pflegestellen für geflüchtete Minderjährige sucht. „Das hat in uns gearbeitet", erzählt Mahdis Gastmutter Stefanie Ruffen. „Zumal wir schon eine Weile überlegt hatten, dass wir gern beitragen würden - über das Spenden von Kleidung, Gebrauchsgegenständen und Geld hinaus. Auch von unseren Söhnen, die jetzt elf und fünfzehn Jahre alt sind, kam die Frage, was man denn noch tun könnte. Und so haben wir das dann erst mal unter uns besprochen. So eine Entscheidung muss schon von allen gemeinsam gefällt und getragen werden." Von der Idee und der Bereitschaft bis zum Einzug Mahdis vergingen einige Monate. Keine Monate der Untätigkeit allerdings, denn das Jugendamt, das für die minderjährigen Geflüchteten rechtlich zuständig ist, möchte, wie bei allen anderen Pflegekindern auch, sicherstellen, dass die Kinder in den Gastfamilien gut aufgehoben sind. Darum stand nicht nur das Ausfüllen diverser Formulare an, sondern vor allem persönliche Gespräche mit Betreuern und auch ein Schulungsseminar, das die Gastfamilien speziell im Hinblick auf die Asylsituation, Jugendrecht und Ausländerrechte informierte.


Gleichzeitig wurden Gespräche mit den Kindern und Jugendlichen geführt, für die eine Familien-Unterbringung hilfreich und geeignet schien, denn nicht jeder geflüchtete Jugendliche wünscht sich die Unterbringung in einer Familie. Diese Schnittstelle ist eine besonders sensible, weil die Familien und die Jugendlichen zusammenpassen sollten, auch im Hinblick auf ihre jeweiligen Erwartungshaltungen. Eine Familie mit noch so gutem Willen kann aus ganz verschiedenen Gründen für ein bestimmtes Kind trotzdem nicht die richtige sein.

Stefanie Ruffen hat durch ihren Kontakt mit anderen Gasteltern ganz unterschiedliche Geschichten gehört: „In den meisten Familien ist das Konzept gut aufgegangen, aber es gibt natürlich auch Fälle, in denen es dann doch nicht passt", erzählt sie. „Und manchmal stellt sich das dann erst im Laufe der Zeit heraus. Wenn es gar nicht funktioniert, dann gibt es aber natürlich immer die Möglichkeit, auch die Reißleine zu ziehen - für beide Seiten. Und es ist auch schon von beiden Seiten aus vorgekommen. Meist aber läuft es gut, auch durch die Vorbereitungsphase mit ausgiebigem Kennenlernen. Wir haben Mahdi mal erst in seiner Wohngruppe persönlich kennengelernt. Er hatte sogar einen Kuchen gebacken, nach Rezept von seiner Mutter. Danach haben wir alle zusammen verschiedene Sachen gemeinsam unternommen, die Jungs waren auch noch einmal dort zu einem Fußballturnier. Da bekommt man dann im Laufe der Zeit schon ein Gefühl dafür, ob es passt. Das tat und tut es bei uns."


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Freitag, 20. Januar 2017 | Text: Nora Koldehoff 


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