Nora Koldehoff

Freie Autorin / Freie Journalistin, Köln

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Macht Platz zum Erzählen

Selma Scheele beim Erzählen (Bild: Bordstein)

Den bereitgestellten Tisch samt Stuhl und Lampe räumt Nikola Hübsch vor ihren Auftritten direkt wieder beiseite. „In so einem Fall ist dem Veranstalter noch nicht so ganz klar geworden, was ich genau mache", sagt sie und lacht. „Ist ja auch verständlich: Das Erzählen ist bei uns in den letzten Jahrzehnten als eigene Kultur kaum vorhanden gewesen." Und wenn Nikola Hübsch erzählt, dann geschieht das nicht nur mit dem Mund sondern mit dem gesamten Körper. Sie ist Erzählerin und Dozentin und das vor allem in Freiburg, wo sie lebt und das Projekt „EZW - Erzählen, Zuhören, Weitererzählen" leitet.

Zu Auftritten, Workshops und Festivals reist sie aber auch an andere Orte und wird nun am kommenden Sonntag mit ihrer Kollegin Selma Scheele gleich zwei Auftritte in der Kölner Südstadt haben. Den Start in den ersten Advent geben die beiden schon um elf Uhr zum Auftakt des Adventsmarktes im Bauspielplatz, auf Einladung von Marietheres Waschk aus dem Baui-Team. Die Pädagogin, die auch als Dozentin für Spielpädagogik an der Remscheider Akademie der Kulturellen Bildung arbeitet, hat bei den dortigen Erzählfestivals nicht nur mitgewirkt, sondern in deren Rahmen die beiden schon live erleben dürfen und war fasziniert. Grund genug, das Duo zu engagieren, mit Erzählungen für die ganze Familie. „Wenn man einmal erlebt hat, wie professionelle Erzähler ihre Geschichten darbieten, dann möchte man das gerne mit anderen teilen" berichtet Waschk begeistert. „Die Sprache, die Gesten, die Mimik, alles das lässt einen eintauchen in die Geschichte, man wird ein Teil von ihr. Und als ich hautnah erleben durfte, wie Kinder und Teenies in Erzählmomenten aufblühen, selber zu fabulieren beginnen und in ganz andere – also literale – Sprache eintauchen, da wollte ich das erste Erleben, also das Zuhören, den Leuten aus meinem Arbeitsumfeld näher bringen." Später am Nachmittag geht es dann in der Lichtung weiter, mit „gehen und gegangen werden" - Geschichten wohl eher für Größere", wie Nikola Hübsch verrät.


Beide Erzählerinnen haben eine fundierte und zertifizierte Ausbildung. Was für sie das Erzählen so besonders macht, ist der direkte Draht zum Publikum. „Die Geschichten sind nie ganz gleich, weil ja auch das Publikum immer anders ist", so Hübsch. „Das Publikum ist im Grunde der Co-Autor der Geschichte." „Natürlich hat man einen roten Faden im Kopf", ergänzt Selma Scheele. „Die Geschichte, die Mimik, Gesten. Es ist durchdacht, aber erst durch die Verbindung mit dem Publikum springt der Funke über. Und man fokussiert, reagiert, immer in Interaktion mit Zuhörern, deren Reaktionen ich aufnehme. Ich erlebe das als sehr gemeinschaftsstiftend."


Und diese Reaktionen sind immer einzigartig und Vieles haben die beiden schon erlebt – von Ergriffenheit und nachdenklichen Zuhörern bis zu Tränen lachendem Publikum, von Zwischenrufen bis zu absoluter, fast geräuschloser Spannung über den Fortgang der Geschichte. „Wenn die Zuhörer so mitgehen", sagt Selma Scheele, "dass das ganze Gesicht Staunen ist und die Geschichte widerspiegelt, das ist ein fast magischer Moment."

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Donnerstag, 24. November 2016 | Text: Nora Koldehoff


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