Nora Koldehoff

Freie Autorin / Freie Journalistin, Köln

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Die Bilder starren einem entgegen

Bild: © Lee Friedlander

Sieben Jahre lang bereitete Thomas Zander die aktuelle Ausstellung in seiner Galerie in der Schönhauser Straße vor, weit länger als die meisten anderen. Diesmal nämlich zeigt er ausnahmsweise nicht nur Fotografie, sondern stellt Arbeiten des Fotografen Lee Friedlander filigranen Zeichnungen des Malers Pierre Bonnard gegenüber.

Was verbindet den amerikanischen Fotografen, der seine fotografische Karriere in den vierziger Jahren begann mit dem im neunzehnten Jahrhundert geborenen französischen Maler, der als antimodern galt und über den Picasso befand, man dürfe im zwanzigsten Jahrhundert nicht mehr so malen wie Bonnard?

Für Galerist Thomas Zander liegt das auf der Hand: die skizzenhaft flüchtigen Zeichnungen Bonnards muten wie Wegbereiter der Street-Fotografie an, zu deren Pioniere Friedlander gehörte. Mehr noch - zur damaligen Zeit waren die Skizzen den Fotografien an Schnelligkeit weit voraus, weil die Digitalfotografie noch in weiter Ferne lag. Bonnard begann um die Jahrhundertwende selbst, sich für die Arbeit mit der Kamera zu begeistern, doch die schnellen Notate, auf deren Grundlage er im Atelier Gemälde erstellte, waren zeichnerische, gleichsam wie gezeichnete Schnappschüsse anmutend.

Lee Friedlander, West Texas, 1997, Silbergelatineabzug, 24 x 20 inch / 61.0 x 50.8 cm / © Lee Friedlander, courtesy Galerie Thomas Zander, Köln und Fraenkel Gallery, San Francisco

Im Dialog mit den Zeichnungen Bonnards stehen Fotos des Street-Fotografie-Pioniers Lee Friedlander. In diesem Fall aber nicht die Straßenszenen, mit denen er weltberühmt geworden ist, sondern mit Landschaftsaufnahmen, Detailansichten von Bäumen und Geäst, die in ihrer filigranen Komposition wiederum an Zeichnungen erinnern.

Zwei Zitate der beiden Künstler, die an einer der Galeriewände zu lesen sind, spiegeln ihre Geistesverwandtschaft wider - obwohl sich beide nie kennenlernten. „Das Zeichnen ist Empfindung. Die Farbe ist Überlegung." (Pierre Bonnard) „Die Vielfalt der Gefühle bei dem, was ich tue, fasziniert mich. Als Fotograf plane ich nicht voraus. Ich sehe ein Bild, und dann mache ich es. Wenn ich könnte, würde ich meine gesamte Zeit draußen verbringen. Man muss nicht auf die Suche nach Bildern gehen, Material gibt es reichlich. Man geht hinaus, und die Bilder starren einen an."(Lee Friedlander)


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Dienstag, 9. September 2014 | Text: Nora Koldehoff 

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