Nora Koldehoff

Freie Autorin / Freie Journalistin, Köln

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"Es gibt kein Martyrium mit Vaseline"

Ralf König im Cöln Comic Haus (Bild: Tamara Soliz)

 Ralf König im Cöln Comic Haus.

Er ist nichts für schwache Nerven, der Kölner Mythos von der heiligen Ursula, der Schutzpatronin der Stadt, ihrem Martyrium und den wahlweise elf oder elftausend Jungfrauen.

Seine Version der Geschichte hat Ralf König - längst weltbekannter Comicautor und -zeichner aus Köln- in projizierten Bildern und gelesenen Sprechblasen im Cöln Comic Haus vorgestellt - auf seine Weise: Schwester Heilbutta erklärte, warum es kein Martyrium mit Vaseline gibt. Und der Bürgermeister des mittelalterlichen Köln gründete den Karneval als Mischung aus Wirtschaftsförderungsmaßnahme und frühem Toleranzprogramm. Auf die Lesung im Rahmen des Sommerblut-Festivals konnte man sich schon in der Ausstellung „Rotznasen" einstimmen - am gleichen Ort. 120 Originalseiten und Memorabilia aus aller Welt geben eindrucksvollen Einblick in des Königs Schaffen - und sind noch bis zum kommenden Samstag an der Bonner Straße 9 zu sehen.

Ralf König veröffentlicht seit über dreißig Jahren Comics, die zum überwiegenden Teil in der Schwulenszene spielen und an Deutlichkeit wenig zu wünschen übrig lassen. In diesem Jahr wird das Werk des 53-Jährigen auf dem Internationalen Comic Salon in Erlangen, dem jährlichen Gipfeltreffen der Szene, mit dem „Sonderpreis für ein herausragendes Lebenswerk" ausgezeichnet.

Wer die Lesung um die Legende der Ursula und ihren Jungfrauen verpasst hat, hat in dieser Woche noch an zwei anderen Tagen Gelegenheit zum Schauen und Lauschen. Am Donnerstag, dem 15. Mai, trägt Ralf König ebenfalls im Cöln Comic Haus gesammelte Kurzgeschichten vor. Am Samstag endet dann die Ausstellung mit einer letzten Lesung aus seinem neuesten Buch ‚Raumstation Sehnsucht', in dem es ein Wiedersehen mit dem ungleichen Paar Konrad und Paul gibt, das seit 1990 immer wieder in Königs Comics auftaucht. Mit Ralf König sprach Nora Koldehoff.

Meine Südstadt: Von Hergé ist der Satz überliefert, dass er seine Figur Tim irgendwann gehasst habe. Wie ist nach all den Jahren Ihr Verhältnis zu Konrad und Paul?

Ralf König: Also, gehasst hab ich noch keinen meiner Charaktere. Vielleicht, weil ich immer frei war in dem, was ich zeichne. Wenn ich keine Lust auf Konrad und Paul hatte, hab ich halt ‚Roy & Al' gezeichnet oder die Bibel verknollnast. Ich kann mir vorstellen, dass es ambivalente Gefühle geben kann, wenn man auf bestimmte Charaktere festgenagelt ist und sich immer was Neues dazu einfallen lässt. Nein, ich hab meine Nasen bisher alle lieb.

Im neuesten Band versucht sich Paul selbst als Schriftsteller - mit einem Science Fiction-Roman. „Raumstation Sehnsucht" wird dadurch zu einem Cross-over aus Comic und Belletristik, zum Buch im Buch. Geht es damit weiter?

Genau, ich bin gerade dabei, die Science-Fiction Geschichte um Barry Hoden weiter auszubauen. In ‚Raumstation Sehnsucht' spielte das Szenario ja noch neben der eigentlichen Story in Köln und Frankfurt erdnah am Planeten Mars, ohne Aliens und fremde Welten. Das ändert sich in Teil 2, da geht's dann ab in den Deep Space. Science Fiction wollte ich schon lange mal machen, ich kann nur keine Technik zeichnen, also Raumschiffe, Cockpits, Kommandobrücken. Ich kann nicht mal Autos! Da klau ich mir was aus fotografierten Alltagsgegenständen zusammen. Außerdem stammt die Geschichte ja wie beschrieben eigentlich nicht von mir, sondern von Hobbyautor Paul Niemöser. Das heißt, ich muss mein eigenes Niveau deutlich senken, was manchmal gar nicht so einfach ist. Das Buch heißt ‚Im Weltraum hört dich keiner grunzen'. Wenn's schief geht, schiebe ich später alles auf Paul.

Sie lesen in diesem Monat dreimal im „Cöln Comic House" aus ihren Büchern und sprechen dabei alle Rollen selbst. Bekommen Sie auch auf anderen Wegen direkte Reaktionen Ihrer Leser?

Ich habe ein Facebook-Profil und poste da gern mal spontane Einfälle, und darauf gibt's dann Kommentare. Aber Signierstunden oder Lesungen sind natürlich prima, denn früher habe ich nie Reaktionen bekommen, weil ich die Comics nur gezeichnet habe. Damals waren die Auflagen der einzige Hinweis, dass es offenbar vielen Leuten gefällt. Die Leute kicherten über die Bücher zuhause auf dem Sofa oder auf dem WG-Klo, da war ich ja selten dabei.


(...)


Sonntag, 11. Mai 2014 | Text: Nora Koldehoff




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