Nora Koldehoff

Freie Autorin / Freie Journalistin, Köln

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Eine Stunde in Helmuts Welt

Helmut Gerdes (Bild: Tamara Soliz)

Gibt es Stammplätze in der Südstadt? Für Helmut Gerdes ganz gewiss, denn an manchen Plätzen trifft man ihn öfter als an anderen. Im Bäckereicafé an der Darmstädter Straße zum Beispiel - mit Blick in Richtung Chlodwigplatz, aufmerksam beobachtend und interpretierend, was im Herzen „seiner" Südstadt passiert. Und immer ertönt ein freundlicher und lauter Gruß von jemandem, den er kennt oder der ihn kennt. Es gibt aber auch diese eine bestimmte Bank am Rheinufer, zu der Helmut regelmäßig geht, um abzuschalten. Er schaut dann auf seinen Rhein, mit dem er sich verbunden fühlt, und macht Pause für sich. Zum Alleinsein ist die Bank nicht unbedingt, denn auch hier kommt alle naselang jemand vorbei, der ihn grüßt oder den er auf einen kleinen Schwatz einlädt. Der 66-Jährige ist ein Kind der Südstadt, hier geboren und zum Teil aufgewachsen. Er ist einer der Menschen, die diesen Stadtteil mehr prägen als alle Kneipen, Läden und Gebäude.

Helmut Gerdes ist auf dem Bauspielplatz Friedenspark das Mädchen für alles. Als Hausmeister und Putzmann, sich selbst als ‚Kaczmarek' oder ‚Fußbodenkosmetikerin' bezeichnend, schaut der gelernte Glas- und Gebäudereiniger nach dem Rechten. Und wenn man den ‚Baui' für Feiern mietet, dann mietet man verpflichtend Helmuts Dienste mit dazu. Er packt mit an, macht zwischendurch sauber, dreht bei Partys eine Runde um das Gebäude, um die Lautstärke zu messen und hat immer einen Witz auf den Lippen. „Habt Ihr gehört, was mit dem vierzehnjährigen Mädchen aus Nippes passiert ist?" Kopfschütteln, besorgte Gesichter. „Ist fünfzehn geworden." Helmut kichert.

Er ist schon länger hier, als jeder sonst. In den Remisen des Gebäudekomplexes ist eines der drei Gewölbe – von Jugendlichen vor Jahrzehnten liebevoll als ‚Grotte' betitelt - sein Reich. Hier hat er seinen zweiten Wohnsitz - und das schon seit 37 Jahren, festangestellt seit elf Jahren, vorher als Honorarkraft. Als Helmut an den Baui kam, war der noch nicht der Baui. An der alten Fortanlage, erzählt er, war „der Herr Birkenstock von der BISA (Bürgerinitiative südliche Altstadt) Bäume am Pflanzen und mit den Kindern am Buddeln". Schrittweise wurde das Gelände für die Nutzung als Bauspielplatz erobert, und Gerdes war trotz herber Rückschläge inklusive Brandstiftung und zeitweisem Umzug in die alte Uni mit dabei. Inzwischen wird die Kinder- und Jugendeinrichtung seit über dreißig Jahren von Sozialpädagogen und Erziehern betreut, getragen erst von der Stadt und dann von deren Jugendzentren Köln gGmbH, die auch Helmuts Arbeitgeber ist. Mit den meisten komme er gut aus, sagt Helmut Gerdes, Respekt und Wertschätzung sind ihm wichtig.


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Montag, 11. März 2013 | Text: Nora Koldehoff



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