Nora Koldehoff

Freie Autorin / Freie Journalistin, Köln

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Wie Köln die Moderne nach Deutschland brachte

„1912 - Mission Moderne" (Bild: Dirk Gebhardt)

Die Ausstellung „1912 - Mission Moderne" im Wallraf-Richartz-Museum erinnert an die legendäre Sonderbund-Ausstellung von 1912. Der Kaiser in der fernen Hauptstadt Berlin muss getobt haben. Immer wieder hatte Wilhelm II. darauf hingewiesen, was er von der modernen französischen Kunst hielt, die längst die Welt erobert hatte: gar nichts. So etwas, ließ er aus Anlass einer Ausstellung in der Nationalgalerie erklären, dürfe man vielleicht Dilettanten vorsetzen – aber doch nicht ihm, dem Kaiser. Und dass junge deutsche Maler diesen Vorbildern nacheiferten und plötzlich auch auf Ausdruck, Farbe und Gefühl setzten statt auf akademisches Augenmaß, Proportionen und die seit Jahrzehnten vorgegebenen klassischen Bildthemen: ein Skandal!

Im Rheinland sah man das anders. Und was der Kaiser in Berlin dachte, war ohnehin traditionell reichlich egal. Eine Gruppe von progressiven Kunsthistorikern – unter ihnen der Direktor des Wallraf-Richartz-Museums, Alfred Hagelstange, aber auch Richart Reiche aus Barmen und Karl Ernst Osthaus aus Hagen -, wollten den Deutschen die Moderne beibringen. Mit dem dafür eigens gegründeten „Sonderbund westdeutscher Künstler" geschah das zunächst in Düsseldorf. Als dort der Druck konservativer Kreise und Maler wegen angeblicher „Überfremdung" zu groß wurde und die Stadtverwaltung kalte Füße bekam, bot Köln künstlerisches Asyl an. Am Aachener Tor wurde eine große Ausstellungshalle aufgebaut, die man nach der Weltausstellung von 1910 in Brüssel gekauft hatte. Und zwischen dem Versand der Leihanfragen und der Eröffnung der heute legendären „Sonderbundausstellung" lagen gerade einmal zweieinhalb Monate - heute unvorstellbar, allein wegen der Transportbestimmungen.


Was damals in Köln einige Monate lang zu sehen war, waren nicht weniger als die Kernwerke der Klassischen Moderne Europas: Bilder, die heute hoch versichert in den bedeutendsten Museen der Welt hängen: Van Goghs „Schlafzimmer", die „Sonnenblumen" oder die „Arlésienne", Cézannes berühmte Stillleben, Munchs „Brücke mit Mädchen", sein „Krankes Kind" oder der „Vampir". Dazu eigene Säle für Picasso und Gauguin als den weiteren Vätern der Moderne, ergänzt um die Gemälde und Plastiken jener jüngeren, damals zeitgenössischen Künstler, die ihren Ideen von einer freien, vom naturalistischen Abbildungszwang befreiten Kunst folgten: die Expressionisten von „Brücke" und „Blauem Reiter", Morgner und Nauen, ihre fauvistischen Kollegen um Matisse und Vlaminck aus Frankreich, Schiele und Kokoschka, Hodler und Signac. „Hier ist das Wildeste versammelt", schrieb Edvard Munch, „das in Europa gemalt wird. Der Kölner Dom wankt in seinen Grundfesten."

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Montag, 3. September 2012 | Text: Nora Koldehoff



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