Der Frankfurter Verein Historische Eisenbahn bangt um seine Dampflokomotive. Wenn das Geld für den TÜV nicht reicht, darf sie nicht mehr fahren.
Florian Faust öffnet die kleine Tür der ehemaligen Industriehalle der Frankfurter Hafenbahn. Er ist stellvertretender Vorsitzender des Vereins Historische Eisenbahn Frankfurt, der im Ostend über eine kleine mehrgleisige Abstellanlage mitsamt Halle verfügt. Dort steht das Herzstück der Sammlung: die 1943 gebaute Dampflokomotive 52 4867. Die Ziffern sind so etwas wie Nachname und Vorname der Lok. Die 52 steht für die Baureihe - die Zweiundfünfziger waren Güterloks. Die folgenden vier Ziffern bilden die individuelle Ordnungsnummer.
In der Halle riecht es nach einer Mischung aus Fahrradladen und Tankstelle. Überall liegt Verschmiertes herum, Ölkannen, alte Handtücher und überdimensionierte Schraubenschlüssel. „Wir sind kein Museum, wir sind eine Werkstatt", sagt Faust. Die Dampflok soll schließlich nicht nur herumstehen und hübsch aussehen, sie soll wieder fahren. Faust steckt die Hände in die Hosentaschen, sein Blick ist leicht gesenkt. Er ist sich nicht sicher, ob das je wieder klappt.
An Wochenenden fuhr die Dampflok bisher auf den Gleisen der Hafenbahn am Main entlang oder kam bei Veranstaltungen in ganz Deutschland zum Einsatz. Doch wegen Corona mussten die regelmäßigen Fahrten eingestellt werden. Dem Verein fehlt damit seine einzige Einnahmequelle. Und ausgerechnet jetzt steht die teure Hauptuntersuchung durch die Deutsche Bahn an, der sogenannte Eisenbahn-TÜV. Wenn die Lok da nicht durchkommt, kommt sie wohl nie wieder in die Spur.
Hoher Druck, viele RohreDie Dampflok ist für Faust ein Symbol für eine Zeitreise. Sie steht für eine Technologie, die man noch anfassen, riechen und hören kann, und für eine Epoche, in der alles noch nicht so schnell ging. Der Verein Historische Eisenbahn bewahrt dieses Gefühl - und rettete die 52 4867 im Jahr 1985 vor der Verschrottung. Jetzt setzt der Verein auf eine Onlinespendenaktion, um sie vor dem Abstellgleis zu retten. Das Ziel des Vereins ist klar: Das Zeitalter der Dampfloks darf nicht enden.
Doch ausgerechnet jetzt, vor der Hauptuntersuchung, bereitet der Dampfkessel Probleme. Er macht den Großteil der Lok aus, ist quasi der Motor. Ein gewaltiger Druck bildet sich darin, bis zu 18 bar. „Ein Autoreifen hat beispielsweise zwei bar", sagt Faust zum Vergleich. „Wenn Sie da ein Messer reinstecken, dann - pffffff." Ein Messer kann gegen eine Dampflok zwar nichts ausrichten, doch die Zeit reißt Wunden selbst in den dicksten Stahl.
Alle acht Jahre muss die Lok auf links gezogen werden, die zahlreichen Einzelteile müssen abmontiert und überprüft werden, viele von ihnen ersetzt. Faust zeigt auf ein kleines unscheinbares Rohr unter dem Führerstand. Optisch unterscheidet es sich nicht von den zahlreichen anderen Rohren. Faust kennt Namen und Funktion jedes einzelnen und auch den Preis. Das kleine Rohr unter dem Führerstand kostet 20.000 Euro.
Mit dem Dampflok-Virus angestecktDie Deutsche Bahn habe hohe Ansprüche, beklagt sich Faust. Einige Teile der Dampflok müssten von Spezialisten gefertigt werden, davon gebe es nur wenige, und die forderten ihren Preis. Insgesamt kostet jede Hauptuntersuchung einen hohen sechsstelligen Betrag, das können 200.000 Euro, aber auch 500.000 sein - je nach Zustand der Lok. Ein öffentlicher Spendenaufruf hat zwar schon Früchte getragen - knapp 35.000 Euro sind bisher zusammengekommen -, aber Faust ist dennoch besorgt. „Wir müssen kämpfen."