Wenn Luca Riccioli aus seinem Fenster schaut, dann sieht er die Vulkanasche auf den Dächern von Catania und den Ätna, den größten Vulkan . Wenn Aneta Janúšková aus ihrem Fenster schaut, dann sieht sie die senfgelben Häuserblocks von Žilina, einer Stadt in der Slowakei. Wenn Rūta Švarcbaha in Riga aus ihrem Fenster schaut, dann sieht sie in den Wipfel einer Buche und manchmal, wenn es still genug ist, dringt das Flöten und Klimpern und Singen einer Musikschule hinein.
Drei Menschen, verstreut auf ganz Europa. Sie trennen Sprachen und Ländergrenzen, das Mittelmeer, die Alpen, die Karpaten. Was sie eint: Alle drei sind jung, sie werden am 9. Juni das erste Mal wählen.
Über 20 Millionen Erstwähler dürfen diesen Sommer zum ersten Mal das Europaparlament wählen. 2019, beim letzten Mal, war die Wahlbeteiligung historisch hoch, mit immerhin 51 Prozent. Das lag vor allem daran, dass viel mehr junge Menschen gewählt hatten als zuvor. Doch warum? Was für eine Zukunft verspricht ihnen die EU, dieses komplizierte Staatenbündnis, das in den letzten Jahren immer wieder für uneins, handlungsunfähig oder manchmal sogar gescheitert erklärt wurde?
Einiges deutet darauf hin, dass in Europa eine Generation heranwächst, die pessimistisch in die Zukunft blickt. Kürzlich hat eine Stiftung junge Europäerinnen und Europäer im Alter zwischen 16 und 26 Jahren befragt. Jeder Zweite glaubt, dass seine Generation einen geringeren Lebensstandard haben wird als die seiner Eltern. Fast die Hälfte von ihnen sorgt sich um den Zustand der Demokratie in ihren Heimatländern. Und nur jede Sechste vertraut der eigenen Regierung.
ZEIT ONLINE hat drei junge Menschen in ihren Heimatstädten besucht, in Italien, Lettland, und der Slowakei. Sie haben sich bei ZEIT ONLINE gemeldet, um Teil des Gesprächsformats " Europe Talks" zu sein, das jedes Jahr Europäerinnen und Europäer zu Gesprächen zusammenbringt und heute Erstwähler aus allen Ländern Europas nach Berlin einlädt. Ihre wichtigste Entscheidung haben die drei vielleicht schon getroffen: Sie werden wählen gehen. Wer ihnen zuhört, versteht: Ganz so abstrakt ist die EU vielleicht gar nicht. Für Luca Riccioli, Aneta Janúšková und Rūta Švarcbaha bedeutet sie etwas ganz Konkretes: Hoffnung.
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