Niklas Willma

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Zwei Ausstellungen und ein 90. Geburtstag | SHZ

Manfred Sihle-Wissel schenkt sich die Ausstellung selbst zum Geburtstag. FOTO: NIKLAS WILLMA

Die Herbert-Gerisch-Stiftung erwacht aus der Winterpause. Mit gleich zwei Ausstellungen werden die Besucher zum Nach- und Mitdenken aufgefordert. Das erwartet sie.


„Bei der Bezeichnung ‚Künstler‘ höre ich immer gleich weg“, sagt Manfred Sihle-Wissel, nachdem ihn Brigitte Gerisch vorstellt. „Das kann ja jeder von sich sagen.“ Er sei viel mehr schaffender Künstler, das sieht man vor allem an der Ausstellung, die er in den Räumen der Villa Wachholtz ab Sonntag, 24. März 2024, bestückt. Manfred Sihle-Wissel selbst wird am Donnerstag, 28. März 2024, 90 Jahre alt. Deswegen heißt die Schau „XC“, die römische Zahl 90, und soll vor allem ein „Fußabdruck eines Bildhauerlebens“ sein, wie Sihle-Wissel selbst sagt. Bekannt ist er vor allem für seine bildhauerischen Portraits, unter anderem von Alt-Bundeskanzler Helmut Schmidt und seiner Frau Loki – oder auch Herbert Gerisch selbst.


Immer den Menschen im Blick

In der vielfältigen Ausstellung, gut 112 Objekte können Besucher begutachten, ist ein ebenso vielfältiges Künstlerdasein aufgefangen. Neben Holzskulpturen hat Sihle-Wissel in fast 70 Jahren seiner Tätigkeit auch Zeichnungen, Scherenschnitte und Reliefs angefertigt – um nur ein paar zu nennen. „Manchmal“, sagt er, „macht man eine Arbeit, die einem nicht gefällt. Wenn man dann aber als älterer Mensch nochmal draufschaut, hat die Arbeit plötzlich eine ganz andere Bedeutung.“ Viel Gefallen habe er allerdings daran, mit Holz zu arbeiten. „Seit sich meine Tochter vor ungefähr 25 Jahren ihr Haus in Frankreich gekauft hat, bin ich da mit der Motorsäge quasi Dauergast“, sagt Sihle-Wissel lachend.

Bei jedem seiner Werke, das merkt man dem Bildhauer an, erinnert er sich noch genau an die Motivation hinter dem Stück. Bei einer Skulptur ahmt er beispielsweise die Bewegung nach, die die Figur zeigt. „Mich fesselt der Mensch“, schreibt er in dem Katalog zur Ausstellung, „die Vielfalt und der Reichtum seines Körpers in der Bewegung.“ Für die Besucher bringt die Ausstellung „Sihle-Wissel XC“ ebenfalls eine Neuerung, denn sie findet auf der gesamten Innenfläche der Villa Wachholtz statt, sowohl im Café als auch in der Galerie. Im Park sind ebenfalls einige Werke zu bestaunen.

Kunststudenten regen zum Nachdenken an

In der zweiten Ausstellung, die zwei Stunden nach der Sihle-Wissels eröffnet wird, sind Kunststudenten der Kieler Kunsthochschule Muthesius die Schaffenden. In der Ausstellung mit dem Titel „reflections“, also Reflexionen, präsentieren sie ihre Interpretationen des Mottos. Reflexionen, das sieht man in der Ausstellung, sind nicht nur das, was man im Spiegel sieht – auch das Nachdenken über die Gesellschaft gehört dazu. Eine Installation zeigt beispielsweise zwei nachgestellte Wohnzimmer: Eines aus den 1940er-Jahren und eines, das eine Verbindung der 1970er-Jahre und der heutigen Zeit darstellen soll. Gewissermaßen eine Reflexion des Zeitenwandels.

Ein anderes Beispiel, die persönliche Reflexion, zeigt der Student Daiki Kimoto. Er hat seit Beginn der Corona-Pandemie jeden Tag seinen Atem angehalten und währenddessen mit einem Kugelschreiber eine Zeichnung angefertigt. „Das ist für mich einfach ein Test gewesen, wie gut meine Lunge noch ist“, sagt er. Es sei so ein bisschen wie ein Tagebuch, nur eben gezeichnet. Die Ausstellung „reflections“ führt die Besucher fast über die ganze Fläche des Gerisch-Parks – auch mit Licht und Dunkelheit wird hier gearbeitet. „Für die Ausstellung der Kunststudenten gibt es übrigens schon 32 angemeldete Klassen“, sagt Wilhelm Bühse, der museumspädagogische Leiter der Stiftung.
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