Blvth steht nicht so wirklich auf Rechtschreibung. Allein sein Künstlername - der Vollständigkeit halber: der junge Herr wird Blut ausgesprochen - muss eingangs eigentlich immer erklärt werden. Auch in Song oder EP-Titel mischt sich gerne mal der ein oder andere Hingucker, wie beispielsweise in den Titel seiner " 7iger" EP, die in den kommenden Tagen ihren ersten Geburtstag feiert. Musikalisch scheint es dem Wahlberliner mit polnisch-albanischen Wurzeln nicht viel anders zu gehen. Auch, wenn in seinem Mikrokosmos häufig die recht fern anmutenden Bezeichnungen Grunge und Trap koexistieren, steht so gar nicht auf Genrebegrenzungen. Gerade erst kürzlich schimpfte er via Facebook gegen ebenjene begrenzten Köpfe der Industrie, die ihm obendrein einen Strick aus seinem Unwissen über Musiktheorie drehen wollen. Für unser aktuelles Producer Spotlight haben wir also kurzerhand mal bei Blvth durchgeklingelt und nach aktuellem Befinden, seinem Werdegang, und Zukunftsvisionen gefragt. Schnell wird klar: Es geht eigentlich nur um Kreativität.
PRODUCER SPOTLIGHT ON: BLVTH!Wie geht es dir, wie waren die Support-Shows mit Cashmere Cat vergangenes Wochenende?
„Mir geht es gut! Die Shows waren sehr geil. Ich bin da ziemlich an mein Limit gekommen, was meine Stimme angeht, weil ich mich dummerweise nicht so richtig warmgemacht hab. Aber das soll mir eine Lehre sein und das werde ich demnächst auf jeden Fall machen. Also die Tage danach hatte ich so gar keine Stimme gefühlt, das war schon nervig.
Dann musst du dich ja für die Romano-Tour besser vorbereiten.
Ja auf jeden Fall. Ich esse jetzt auch immer Ingwer und so, mache verschiedene Übungen, damit die Stimmbänder wieder in Schwung kommen. Aber die Shows waren geil, hat Bock gemacht. Magnus (Cashmere Cat, Anm. d. Redaktion) ist auch ein super Typ. Das war sehr nice, wir haben ein bisschen Musik gehört und über Musik gesprochen. Cooler Typ auf jeden Fall.
Wenn ich mich recht erinnere, warst du vor einigen Jahren noch in völlig anderen musikalischen Gefilden unterwegs. Angefangen mit einer Indie-Pop-Band, dann noch in einem Elektro-Projekt und Anfang 2015 hast du dich dann mit Blvth sozusagen selbstständig gemacht. Wie würdest du deinen musikalischen Werdegang grob beschreiben?
Ich lasse das eigentlich immer gern in meiner Vergangenheit. Nicht, dass ich da nicht hinter stehe, aber das war was wesentlich anderes. Es hat auf jeden Fall Spaß gemacht. Wir waren halt Jung. Aber genau, das waren schon so die ersten Steps in der Musik-Branche.
Hast du damals eigentlich nur gesungen oder auch zu den Instrumentalen beigetragen?
Ich habe die Songs geschrieben, gesungen und Gitarre gespielt und so kam ich dann auch ans Produzieren. Ich hatte nicht so richtig das Equipment um Songs aufzunehmen. Ich hatte auch nicht so Bock mich damit auseinander zu setzten, wie das alles geht. Und dann habe ich halt so ein bisschen angefangen zu Produzieren, Drum-Sachen und Song-Strukturen zu bauen. Das ging ganz gut, sodass es okay klang, ich das zeigen konnte und andere damit arbeiten konnten.
Haben dich auch andere Künstler dazu inspiriert, dich dann mehr in eine elektronische und düstere Ecke zu bewegen oder war das so ein Trial-and-Error-Ding?
Ich habe mich da immer auf mein Gefühl verlassen. Ich mag es halt schon gerne düster oder besser gesagt melancholisch. Sobald ich mich an einen Track oder Beat setzte, läuft es darauf hinaus. Ich müsste dann wirklich umdenken oder meine Emotionen oder meinen Kopf ausschauten, wenn ich was glücklicheres machen will. Normalerweise ist es so, dass ich automatisch in diese Richtung gehe. Scheinbar ist das in mir drin, weiß ich auch nicht.
Die ersten Sachen, die du als Blvth gemacht hast, waren ja Remixe. War das mehr aus Mangel an eigenen musikalischen Quellen oder auch aus Bock sich den Sachen anzunehmen?
Ich fand Remixen immer schon spannend. Man kann Songs, die aus nem anderen Genre kommen, komplett neu interpretieren. Ich habe immer an Songs rumgeschnitten, die ich irgendwo gefunden habe. Ich hab auch eigene Sachen gemacht, aber ich war mir nicht so sicher, wo es hingehen sollte mit meiner Musik. Jetzt, in dem letzten Jahr, entwickelt sich das heraus, wo ich hingehen möchte. Dieser Mix aus so aggressivem Future-Grunge und auch dieser Trap-Schiene hier und da, aber trotzdem auch 808s und sowas. Das hat aber ein bisschen Zeit gebraucht. Auch wie ich meine Stimme bearbeite oder wie meine Stimme klingt. Es hat gedauert, bis ich damit rausgehen wollte und mit meinen eigenen Tracks safe war. Ich glaube jetzt geht es in die richtige Richtung. Was das Remixen angeht, hatte ich mit so Sia-Sachen angefangen. Ich hab’ dann so 64-Bit – worst quality ever – YouTube-A-Capella gefunden, das dann noch mit einem anderen A-capella zusammengeschnibbelt und mit der schlechtesten Qualität, die es gibt, hochgeladen. Das war dann ganz witzig, weil das komplett neu interpretiert wurde und auch ganz gut ankam. Es hat einfach Bock gemacht und ich merke glaube ich recht schnell, wenn etwas in die richtige Richtung geht. Das war alles, zwar jetzt nicht einfach zu machen, aber auch nicht anstrengend. Es hat sich einfach richtig angefühlt. Ich hatte so viele Ideen. Allein die Vocal-Performance von den großen Künstlern ist immer so hochwertig, dass man extrem viele Möglichkeiten hat und es fast egal ist, was man drunter legt. Das kann auch nur ein Bass sein. Das finde ich sehr spannend. Da merkt man, wenn ein Song wirklich gut sind. Hits Remixen ist glaube ich sehr dankbar, weil man da sehr viele Möglichkeiten hat.
Zu deiner Sozialisation mit Musik. Da deine Mutter ein wichtiger Teil deines Lebens zu sein scheint: Sind deine Eltern Musikalisch? Haben sie dich mit gewisser Musik sozialisiert?
Meine Mutter hat auf jeden Fall Geige gespielt früher. Mein leiblicher Vater hat mir auch mal erzählt, dass er in einer Band gespielt habe, aber meine Mutter meinte das ist Quatsch. Ich habe meiner Mutter zu verdanken, dass sie mich immer hat machen lassen, was ich möchte. Sie hat mir nie Grenzen gesetzt. Ich habe angefangen mit Klavier und dann hingeworfen, weil mein Stiefvater gesagt hat, ich habe ja nie Lust und so war es irgendwie auch. Dann hatte ich Bock Gitarre spielen zu lernen und meine Mutter hat dann trotzdem gesagt: „Ja lass uns den doch beim Unterricht anmelden, wenn er das möchte“. Auch, wenn mein Stiefvater eigentlich eher dagegen war, hat meine Mutter mich immer machen lassen. Auch nach wie vor ist sie immer jemand, dem ich Songs vorspiele. Also wenn es um Songs geht. Ich zeige ihr jetzt nicht die härtesten Beats und frage, ob sie das dope findet oder so (lacht). Aber wenn ich aber wirklich Songs schreibe, vertraue ich ihrem Ohr da schon.
Wo du gerade sagt, dass du am Unterricht schnell keinen Spaß mehr hattest, bist du dann eher autodidaktisch an die Musik gegangen?
Wenn man ehrlich ist, hatte ich auf jeden Fall den falschen Lehrer. Der hat immer so Schlager-Songs mit mir gespielt oder so alte Classics. Und ich hab halt übelste Konzentrations-Probleme, ich kann mich super schwer auf Sachen konzentrieren. Wenn die mir halt keinen Spaß machen, ist das noch schwieriger. Wenn ich Interesse an etwas habe, dann geht es schon, dann reiße ich mich zusammen. Wenn ich aber den falschen Lehrer habe und keinen guten Mentor, dann ist das echt ein schwieriges Thema. Es war dann, um deine Frage zu beantworten, schon eher autodidaktisch. Ich bin nach wie vor ein reudiger Pianist, aber ich würde auch nach wie vor gerne gut Klavier spielen können, weil das vieles vereinfacht. Aber naja, vielleicht lerne ich das ja nochmal.
Was sind aktuell so deine Einflüsse? Also an Künstlern und so weiter.
Ich schaue mal eben kurz in meine iTunes-Mediathek, warte. Also meinst du was so meine Lieblings-Produzenten sind?
Ja so in die Richtung.
Ich höre zurzeit sehr viel Death Grips, damit kann ich mich gut abreagieren. Travis Scott verzaubert mich auch immer, da kann ich mich nicht satt hören. Brockhampton sind auf jedenfall großer Favorit zur Zeit und “Mourn” von Corbin fand ich sehr dick. Das habe ich rauf und runter gehört. Bei dem Song “Mourn” bin ich beim hören der Produktion fast zu Staub zerfallen, weil die so heftig ist. Ich finde tatsächlich auch Diplo einfach heftig. Diplos Werdegang ist einfach nur purer Ansporn und Inspiration. Obwohl der natürlich hunderte Ghost-Producer hat, finde ich trotzdem fast alles, was Diplo macht oder wo er beteiligt ist, irgendwie wegweisend. Shlohmo ist schon sehr in seiner eigenen Welt. Das “For tha Summer (VOL. XXVII) RMX Tape” fand ich sehr neu vom Sound her. Gesafellstein-Produktionen sind immer sehr brutal, das liebe ich. Rick Rubin und Max Martin sind daneben natürlich lebende Legenden und dürfen nicht vergessen werden.
Eigentlich wollte ich gar nicht so sehr über das Casper Album sprechen, aber mir ist aufgefallenen, dass er ja irgendwie der erste Rapper war, der so traditionell einen Beat von dir gepickt hat, oder?
Ja, das kann man schon so sagen. Also ich hatte vorher schon so ein Paar erste Sessions mit Rappern. Dann auch in LA, da habe ich ein paar Rapper kennengelernt. Eine Session war auch in New York. Von den Sessions wurde dann ein Song auf meiner “7iger“-EP released. Ben (Casper Anm. d. Redaktion) war das Erste, wo dann wirklich ein richtig großer Release draus geworden ist, was mich sehr gefreut hat.
Hast du für die Zukunft weiterhin Interesse daran als Produzent für andere Künstler zu arbeiten oder fokussiertest du dich lieber auf deine eigene Musik?
Meine eigenen Sachen sind mir wichtiger, das priorisiere ich schon. Ich bin niemand der im Hintergrund sitzt und im Studio Tag und Nacht alles fertig macht. Ich habe dann eher Bock enger mit dem Künstler zusammen zu arbeiten und kreativ zu produzieren. Ich möchte schon meinen Style weiterführen und meinen Weg mit dem Künstler gehen. Aber auch ganz klar immer meine eigenen Sachen an den Start bringen, ich bin nicht so ein Ghost-Producer, der da irgendwo im Hintergrund sitzt.
Na gut, Ghost-Producer muss es ja nicht unbedingt sein. Ich hatte eher an so sowas in der Richtung Clams Casino oder Metro Boomin gedacht, die ja auch einen großen Namen haben und sich meist bei Alben mit Rappern auch die Interpreten-Zeile mit diesen teilen. Das sind ja schon recht große Namen geworden.
Tatsächlich dann auch eher sowas. So Clams-Mäßig ist schon was anderes. Ich plane auch definitiv Feature-Tracks und weiterhin Beats zu machen. Ich habe jetzt zum Beispiel für Ahzumjot einen Beat gemacht, der jetzt rauskommt. Und international schaue ich auch noch, dass ich da mal mit Leuten spreche.
Auf der technischen Seite scheinst du ja eher auf Equipment zu verzichten, in deinem Presse-Text steht glaube ich auch, dass du viel mobil produziert. Ich meine mich da an irgendwas von Taxi-Fahrten in New York oder der letzten Reihe im Vorlesungssaal zu erinnern.
Ja genau. Ich habe es einfach gerne schnell und alles in der Hand und in Reichweite. Es ist tatsächlich auch so, dass ich immer noch am Liebsten einfach am Macbook arbeite. Irgendwie auf der Couch, Fernseher läuft auf mute, voll abgelenkt und dann irgendwie trotzdem voll drin. Ganz normal mit Ableton am Rechner, ohne Equipment. Der Grund dafür ist wahrscheinlich auch, dass ich halt immer Broke war und mir kein Gear kaufen konnte. Aber ich habe dann auch in größeren Studios – Ich war zum Beispiel in Amsterdam bei Red Bull – gemerkt, dass ich das nicht brauche. Die waren dann halt so: „yo, you can use everything that you want“ und, dass wir alles recorden könnten, aber ich weiß halt auch nicht, wie das geht oder wie ich das machen sollte. Ich brauche nur ein Aux-Kabel. Ich könnte mich bestimmt auch damit auseinandersetzten. Ich bin jetzt kein Holzkopf, der da nichts hinkriegt, aber es schränkt mich teilweise auch ein, wenn ich zu viel machen kann. Wenn ich dann Keyboards oder krasse, analoge Synthesizer habe, wo ich stundenlang vorsitzen kann, habe ich das Gefühl man daddelt nur rum und verschwendet Zeit, in der man eigentlich kreativ ballern könnte. Irgendwann hat man halt drei Stunden davor gesessen, coole Sachen ausprobiert und es klang funny, aber es kommt halt nichts dabei rum. Da bin ich kein Freund von.
Live spielst du aber schon mit Equipment oder?
Ja, ich nutzte einen APC und ich habe auch schon mit dem Ableton Push gespielt. Ich produziere auch ab und zu mit dem Push was, aber nur wenn ich mir die Zeit lasse. Live schaue ich, dass ich mich darauf konzentriere mit dem APC meine Samples abzufeuern. Ich habe meine Songs dafür in verschiedenen Parts und Spuren aufgeteilt und singe dann dazu. Daneben habe noch ein Effektpedal und feuer’ auch noch ein paar Samples über einen alten Sampler ab.
Gut, dann abschließend nochmal zu deinem aktuellen Release: Steht “Spaghetti” erst einmal für sich oder ist das so die Einleitung zu etwas Größerem?
Der Song steht erstmal für sich. Ich bin auch großer Fan davon, einfach spontan Sachen rauszuhauen. Einfach, wenn ich was hab und wenn ich glaube, dass die Zeit gekommen ist. Aber tatsächlich kommt dieses Jahr noch eine Fünf-Track-EP, die aber auch noch einmal ein bisschen anders klingt. Ich habe die mit zwei Producer-Freunden aus Berlin gemacht. Ich will noch nicht sagen, wer das ist, aber das ist schon eine Art Mini-Album. Das geht in eine andere Richtung, ist schon auch sehr grungig wieder, aber mit vielen neuen Elementen. Ich weiß nicht, ob man das schon sagen darf, aber da ist auch ein Drum’n’Bass Track dabei, was ich halt voll nice finde. Ich glaube, dass das wiederkommt (lacht). Da kommt auf jeden Fall noch ganz ganz viel in diesem Jahr.
Du hast gerade gesagt, dass das eher ein Mini-Album, als eine EP ist. Auf der anderen Seite meintest du, dass du einfach raushauen willst, wenn die Zeit dafür gekommen ist. Wie steht du generell zu dieser Album-Diskussion? Von wegen Alben werden immer unwichtiger und in Zukunft werde es nur noch Singles geben, wie es viele Leute gerade proklamieren.
Ich höre tatsächlich immer wieder ich solle auf gar keinen Fall ein Album machen. Vor allem, wenn ich halt jetzt sage, ich will im nächsten Jahr ein Album machen, kommt die Antwort, dass es nur noch ein Track-Business sei. Alben sind tot und so weiter. Das mag ja alles stimmen, wenn man das aus rein finanzieller Sicht oder auf Streaming-Ebene sieht, aber ich finde so ein Album an sich, ein gesamtes Kunstwerk oder Paket an Songs, ist was ganz anderes. Wenn man das als Batzen kriegt, hat das eine ganz andere Wertigkeit, als wenn man einfach nur Singles macht. Ich finde es ganz schlimm, wenn man ein Album hat, wo nur Singles drauf sind. Nimm doch mal das neue King Krule Album. Da sind super viele Tracks drauf und auch super viele, die einfach weird sind. Die höre ich dann trotzdem häufiger als die Singles, weil die im Album-Kontext, oder auch einfach so, ziemlich nice sind. Und ich finde, dass man das nicht vergessen darf. Ich glaube, es wird jetzt eine Zeit geben, in der Künstler nur drauf schauen Singles zu machen und nur noch Track-Business begehen. Aber dann wird es sich auch irgendwann wieder switchen und es gibt wieder Alben. Das ist ja immer so.
Danke für dieses schöne Schlusswort und viel Spaß auf der Tour mit Romano!
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