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Gewalt unter Kindern: Wenn Jugendliche andere Teenager töten oder ihnen Gewalt zufügen

Von Veronika Wittig
Nach dem gewaltsamen Tod eines 14-Jährigen aus der Gemeinde Wunstorf in Niedersachsen ist die Untersuchungshaft für den Verdächtigen angeordnet worden. Hierbei handelt es sich um einen gleichaltrigen Spielkameraden des 14-Jährigen. Der Haftbefehl ist wegen Mordes erlassen worden, das Opfer sei bei der Tat arg- und wehrlos gewesen. Dabei handelt es sich nicht um eine Tat im Affekt, sondern, wie unter anderem der NDR und die Bild berichtet haben, um eine geplante Tat. Der verdächtige Teenager soll die Tat über mehrere Monate geplant und vorbereitet haben. Ein Fall, bei dem Gewalt unter Kindern stattgefunden hat.
Bei diesem Fall, in dem ein Gleichaltriger zum Täter wird, handelt es sich nicht um einen Einzelfall.

Gewalt unter Kindern: Jugendliche und Heranwachsende wenden Gewalt gegen Gleichaltrige an

Die Tat in Wunstorf erinnert an einen ähnlichen Fall aus der Gemeinde Salzgitter. Im Juni 2022 wurde hier die 15-jährige Anastasia getötet. Die Tat soll ein damals 14-jähriger Mitschüler zusammen mit einem 13-jährigen Mitschüler verübt haben. Der heute 15-jährige Täter muss für acht Jahre ins Gefängnis, der Mittäter war zum Zeitpunkt der Tat 13 Jahre alt und somit noch nicht strafmündig. Er stand deshalb nicht vor Gericht.
Jüngst wurde im März 2023 im Kreis Freudenberg die 12-jährige Luise von zwei gleichaltrigen Mädchen erstochen. Die beiden Tatverdächtigen sind 12 und 13 Jahre alt. Auch hier sind die Täterinnen jünger als 14 Jahre und können deshalb wie im Fall der 15-jährigen Anastasia aus Salzgitter nicht vor Gericht gestellt werden. Dies löste eine breite Debatte über die Absenkung des Alters der Strafmüdigkeit aus. Wie soll Gewalt unter Kindern bestraft werden?
Gewalt unter Kindern

Teenager als Täter: Debatte über Anpassung der Strafmüdigkeit

Das kindliche Alter von Täter*innen und die Tatsache, dass sich die Gewalt häufig gegen Gleichaltrige richtet, löste eine Debatte über die Anpassung der Altersgrenze der Strafmündigkeit aus.
Laut dem Gesetz sind Kinder unter 14 Jahren grundsätzlich strafunmündig. Das bedeutet, die Staatsanwaltschaft kann keine Anklage erheben und die üblichen Strafen können nicht verhängt werden. Stattdessen sind Jugendämter und Familiengerichte zuständig. Diese können Maßnahmen zur Erziehungshilfe anordnen oder eine Unterbringung der jungen Täter_innen in einer Kinder- und Jugendpsychiatrie. So wurde der 13-jährige Mittäter im Fall der getöteten Anastasia aus Salzgitter in einer psychiatrischen Klinik untergebracht.
Die Befürworter*innen von einer Absenkung der Altersgrenze führen an, Kinder im Alter von 11-14 Jahren seien mit Blick auf die geistige Reife nicht mehr mit Gleichaltrigen von vor 40 oder 50 Jahren zu vergleichen.
Kritiker und Psycholog*innen führen an, dass eine Strafbarkeit ab zwölf Jahren nicht zielführend und keine geeignete Maßnahme zur Bekämpfung von Gewalttaten von Kindern sei. So führe eine Senkung des Strafmündigkeitsalters nicht gleichzeitig auch zur Senkung der Gewaltverbrechen und Kriminalität. Vielmehr würde das Jugendstrafrecht, das bei jungen Täter*innen zum Tragen kommt, einen Erziehungsauftrag umsetzen und eine Rückgang der Jugendkriminalität bewirken.

Gewalt unter Kindern: Werden Kinder immer gewalttätiger?

Gewaltverbrechen wie die Fälle der 15-jährigen Anastasia oder der 12-jährigen Luise, bei der die Täter*innen selbst noch Kinder sind, erzeugen erhebliche öffentliche Aufmerksamkeit und mediales Interesse. Trotzdem werden insgesamt Kinder unter 14 Jahren sehr selten zu Täter*innen.
Die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) gibt detailliert Auskunft darüber, wann Kinder zu Täter*innen werden. 2021 gab es laut PKS 19 Verdachtsfälle von Totschlag oder Mord durch Kinder. In den Jahren 2019 und 2020 gab es jeweils elf Verdachtsfälle. Erfasst ist dabei aber nicht, in wie vielen Fällen die Opfer ebenfalls gleichaltrige Kinder waren.
Generell weist die PKS keinen Anstieg von Gewaltkriminalität durch Kinder und Heranwachsende nach –Tatsächlich nimmt die Gewalt ab. Zwar stieg 2021 die Zahl der tatverdächtigen Kinder und Jugendlichen im Bereich der Gewaltkriminalität gegenüber 2020 leicht an, aber verglichen mit 2019 gab es einen Rückgang von rund zehn Prozent.
Im Bereich der tatverdächtigen Jugendlichen (14-21 Jahren) lag der Höhepunkt der Gewaltkriminalität in den Jahren 2008-2009. Seitdem hat sich im Vergleich zu 2021 die Zahl der tatverdächtigen Jugendlichen ungefähr halbiert. Bei Kindern unter 14 Jahren beliefen sich die Zahlen für 2021 im Bereich Gewaltkriminalität auf insgesamt 7.477 Tatverdächtige.

Das Sicher-Stark-Team hilft bei der Prävention von Gewalt unter Kindern

Das Sicher-Stark-Team bietet ein umfassendes Angebot für Kinder und macht Kinder stark gegen Gewalt, Mobbing und Übergriffe. Umfassende Informationen über die Angebote des Sicher-Stark-Teams gibt es auf der Homepage der Bundesgeschäftsstelle.

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