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Wahlen zum EU-Parlament: Das Comeback von Yanis Varoufakis

Merkel muss weg. Und Macron. Und Juncker. Und mit ihnen gleich das ganze EU-Establishment. Wer so etwas fordert, wird gemeinhin Europa-Kritiker genannt und gehört zum neuen nationalistischen Mainstream. Doch was ist, wenn man zwar das Ende der europäischen Elite fordert, aber gleichzeitig einen europäischen Frühling einleiten möchte?

Griechenland Tsipras' heiliger Krieg mit dem Klerus

Griechenlands Ministerpräsident Tsipras stellt den Beamtenstatus der Geistlichen infrage, um neue Stellen zu schaffen und im Wahlkampf zu punkten. Derweil gerät das Oberhaupt der Kirche unter Druck.

In einer Hotel-Lobby auf Kreta, weiße Sessel, Blick zum Meer, herrscht Müßiggang. Die Feriensaison vorüber, kein Urlauber weit und breit, die Rezeptionisten gelangweilt. Da kommt Yanis Varoufakis aus seinem Zimmer geschossen und sagt: „Let's do the business." Eben einen Zeitungskommentar geschrieben, gleich die Pressekonferenz für sein italienisches Wahlbündnis vorbereiten, jetzt schnell ein Interview. Dieser Mann hat keine Zeit zu verlieren. Denn der ehemalige griechische Finanzminister, 2015 mit seinem Widerstand gegen die europäische Sparpolitik gescheitert, startet nun einen zweiten Versuch. Mit seiner europaweiten Bewegung DiEM25 will er ins Europaparlament einziehen.

Wenn im Mai 2019 gewählt wird, steht das „Democracy in Europe Movement", die Bewegung für ein demokratisches Europa, in mindestens acht Ländern auf dem Wahlzettel. Darunter auch Deutschland, wo ein Bündnis mit der bereits bestehenden Kleinstpartei „Demokratie in Bewegung" geschmiedet wurde.

Das Europäische Parlament ist das einzige Parlament in der Geschichte der Menschheit, das kein Recht zur Gesetzgebung hat. Das muss man einmal so sagen. Und dann erkennt man das Ausmaß der Farce. Yanis Varoufakis, griechischer Politiker

Doch in Deutschland, da sollen dann nicht nur Deutsche kandidieren. „Wir werden die nationalen Barrieren durchbrechen." Also treten auch Griechen in Deutschland an. Und Deutsche wiederum auf der Listen in Griechenland. Rechtlich möglich, wenn man als EU-Bürger einen Wohnsitz im entsprechenden Land hat. Und ein Novum, weil das EU-Parlament bislang ein Sammelsurium nationaler Parteigruppen ist, ohne gemeinsames Programm.

Varoufakis selbst lässt offen, in welchem Land er kandidiert. „Die Mitglieder sollen entscheiden", antwortet er grinsend. Es ist längst kein Geheimnis mehr, dass er aus dem Epizentrum der Krise ins Epizentrum der europäischen Politik vorstoßen möchte.

Immerhin nahm DiEM25 seinen Anfang in Berlin. Im Februar 2016 rief Varoufakis in der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz seine Bewegung aus. Für die deutsche Linke ist er ein Popstar, seit er als Minister in den EU-Pressekonferenzen seine Partner mit klaren Statements düpierte und ordentlich Wind in den lahmen Laden der Eurogruppe brachte.

Seine härtesten Gegenspieler waren Wolfgang Schäuble und Angela Merkel, denen er vergeblich ein Ende des aufgezwungenen Sparkurses abzuringen versuchte. Harte Worte hat Varoufakis heute für die bald scheidende Kanzlerin: „Die AfD wurde von Angela Merkel erschaffen", sagt er, ohne jede Polemik. „Sie hat Deutschland mit einem Fiskalpakt umzäunt, statt eine europäische Antwort auf die Krise zu finden. Um den Euro zu retten, musste die EZB Staatsanleihen kaufen und den Zinssatz drücken. Damit hat Merkel die schwäbische Hausfrau verloren, die ihre Altersvorsorge schrumpfen sah. Es gibt nichts Schlimmeres als Deflation und das Schrumpfen von Spareinlagen. Deflation erschafft politische Monster, wie in den 30ern. Frau Merkel, nicht absichtlich, aber idiotischerweise, hat alle Möglichkeiten verpasst, es anders zu machen. Die AfD ist das Ergebnis dieses Prozesses."

Ein gigantisches Investitionsprogramm als Alternative

Ähnlich seine Diagnose für das restliche Europa: Das Establishment und die Rechtspopulisten seien zwei Seiten einer Medaille. „Sie bekämpfen sich angeblich, aber sie brauchen einander. Die Junckers und die Merkels und die Macrons der Welt sagen den Wählern: ‚Ich weiß, dass Sie sehr wütend auf mich sind. Aber wenn ich weg bin, kommen nach mir Leute wie Salvini.' Salvini ist für das Überleben der Oligarchie unerlässlich. Und Salvini wiederum braucht das Establishment. Denn es sind die Sparpolitik und der Sozialismus für die Banker, die die Unzufriedenheit schaffen, die Salvini nährt. Wenn du für einen stimmst, stimmst du auch für den anderen." Varoufakis möchte die Alternative sein zu diesem Scheinkonflikt. Und einen europäischen Frühling einleiten.

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