Wir mochten Britney Spears gerne damals, 1998 oder '99. Mit ihr ging es los. Davor war die Kelly Family, das war Deutschland. Britney war Football, Cheerleader, viel Blau, Rot und Weiß. Britney kaute auf dem Bleistift mit Radiergummi, die Pausenglocke ertönte. Die Bluse, weiß, auf dem Bauch geknotet, dazu ein kurzer Rock im Schottenmuster, glaube ich, hohe Strümpfe. In einer späteren Einstellung eine Jogginghose, Sportsbra. Andauernd den Bauch zeigen, auf der Zuschauerbank in der Turnhalle sitzen und den Basketball kreisen lassen. Ich kenne viele Ironisierungen davon.
Später, viel später las ich, dass Britney Spears ursprünglich viel tiefer und erwachsener sang. Man übte lange, es sollte etwas anderes daraus werden. Diese Stimme, die recht leicht zu erkennen ist, die etwas quietscht und schon damals vor allem „sexy" klingen sollte. Ich überlegte, ob Britney tatsächlich den Flickflack beherrschte, der im Video zu sehen war. Idiotische Jungs in idiotischen Posen an einer Highschool. „My loneliness is killing me, I must confess, I still believe."
Britney Spears ist ein Jahr älter als ich. Sie hatte, das las ich dann schon viel später, eine Karriere als Kinderstar hinter sich, als die Karriere als Teeniestar kam. Für das Danach, wenn andere ein „erwachsenes" Album rausbringen, gab es keinen Plan, der funktionieren würde. Mehrere Alben hießen „Comeback"-Album, wurden so genannt in diesen Texten, die ihre Geschichte ausdeuten. Zu Ende deuten. Zwischendrin gab es „Achtungserfolge", es gab „Toxic", es gab „Piece of me", gute Songs, „eigene Handschrift".
Neben Rihanna, Beyoncé oder Miley Cyrus, neben ihrer ausgestellten Unabhängigkeit und der Imagelenkung und Diskursleitung ist Britney Spears wie aus einer anderen Welt. Britney kommt nicht hinterher in der Kunst der Überbietung. Ich denke an Lob der Disziplin, an DDR-Turnerinnen ohne Medaillen, Schwebebalken.
Die Texte werden wieder die Geschichte fortschreiben, sie wird wieder Marionette sein, keiner wird ihren gehauchten und gesäuselten Worten von Unabhängigkeit und Dominanz Glauben schenken. Das Bild ist im Kopf. Es bleibt der ewige Unglaube. Die Geschichte nicht so erzählen zu können, wie man sie wollte.
Über Britney wird wieder gesprochen und Mitleid ist ähnlich herablassend wie der Spott und die Vernichtung der Musik auf diesem Album, das ein Album aus einer ganz anderen Zeit ist. Aus der Zeit, in der die Stereotype in meinem Kopf entstanden von dem schlimmen Mainstream-Pop und der guten und wahren Rockmusik. Hört man nun „Glory", das neunte Album, haben diese schalen Unterscheidungen wieder Erklärungskraft. So gestrig klingt das Album, so wenig intensiv. Ein bisschen Electro-Swing, eines der schlimmsten Genres der letzten Jahre, eine Akustikgitarre wischt darüber, dieses Schluchzen. Ich kann mich nicht an einen Refrain erinnern.
Weh tut das auch, weil „Just like me" nur eine grummelige Gitarre braucht und ihren Gesang, um Nähe und Bedeutung herzustellen. „Pictures, they flash. And I can't even sleep."
erschienen in der Frankfurter Rundschau, 26.8.2016.