Du zweifelst im Arbeitsalltag ständig an dir und deinen Leistungen? Woran es liegt und wie du das änderst, erklärt eine psychosoziale Beraterin.
Den ein oder anderen Selbstzweifel hat jede und jeder hin und wieder... Selbst Hollywood-Stars wie Emma Watson, Kate Winslet und Natalie Portman haben oft das Gefühl, ihren Erfolg gar nicht verdient zu haben. Wenn deine Gedanken aber andauernd darum kreisen, dass du „eigentlich nicht gut genug" bist, oder du "nichts kannst", könntest du vom sogenannten Hochstapler- oder auch Imposter-Syndrom betroffen sein.
Zugegeben, der Begriff Hochstapler ist im ersten Moment etwas irreführend: Normalerweise bezeichnet man damit Personen, die sich besser darstellen, als sie sind. Ist man vom Syndrom betroffen, ist aber genau das Gegenteil der Fall - man schätzt seine Leistungen schlechter ein und traut sich in Folge nicht viel zu.
"Ich erfülle nicht alle geforderten Kriterien ..."
Bettina Zehetner, 51, ist psychosoziale Beraterin und spezialisiert sich darauf, Frauen in allen Lebenssituationen zu unterstützen. Das Syndrom ist ihr dabei schon öfter untergekommen. In ihren Beratungen hat sie die Erfahrung gemacht, dass Frauen oft weniger stolz auf ihre Leistungen sind als Männer: "Wenn Sie ein Stellenangebot vorlegen, werden die Meisten sagen: "Ich erfülle nicht alle geforderten Kriterien", die meisten Herren werden antworten 'Klar kann ich das, wie sieht die Bezahlung aus?'."
Ihre Einschätzung lässt sich auch wissenschaftlich belegen: Eine Studie aus dem Jahr 2017 von drei kanadischen Universitäten hat herausgefunden, dass weibliche Studentinnen eher am Hochstapler-Syndrom leiden als männliche. Das "American Journal of Obstetrics and Gynecology" lieferte 2020 ähnliche Ergebnisse: dass Frauen generell, unabhängig von ihrem akademischen Grad, vermehrt "Imposter"-Tendenzen aufweisen.
Frauen im JobGrundsätzlich ist es okay, sich zu hinterfragen, denn: "Selbstzweifel können mich dazu anregen, mein Potenzial noch besser zu realisieren. Wenn man Kritik gut annehmen kann, kann man sich weiterentwickeln." Schädlich und demotivierend wird es allerdings dann, wenn man seine Kompetenzen und den eigenen Selbstwert schlecht einschätzen kann. Das sorgt vor allem im beruflichen Umfeld bei Vorgesetzten, Kolleginnen und Kollegen für Verwirrung: „Wenn ich meinen Selbstwert nicht kenne, wie sollen andere mich und meine Leistungen dann richtig beurteilen können? Es bringt niemandem etwas, sich selbst klein zu machen und die eigenen Erfolge und Kompetenzen nicht wahrzunehmen. Genauso ist es aber natürlich auch kontraproduktiv, sich als allwissend und allmächtig zu empfinden." Aber: Im Zweifelsfall soll man sich immer lieber ein bisschen besser als schlechter darstellen.
Wieso aber fühlen sich Frauen oft nicht gut genug im Job? Laut Zehetners Einschätzung liegen die Gründe in unserer Gesellschaft, die: "Frauen immer noch geringschätzt und ihnen stereotype Rollen zuweisen will. Viele machen entwertende Erfahrungen."
Klein machen? Bitte nicht!Folgen vom Hochstapler-Syndrom reichen von der Angst "aufzufliegen" bis hin zu depressiven Verstimmungen oder man steht der eigenen beruflichen Laufbahn im Weg. Deshalb solltest du dich mit dir selbst und deinen Fähigkeiten beschäftigen und herausfinden, ob du nicht doch mehr kannst, als du dir zutraust - und geeigneter bist, als du denkst. Wahrscheinlich mangelt es gar nicht an Kompetenzen, sondern eher an Selbstbewusstsein... Aber gute Nachrichten: Daran kannst du arbeiten. Und sollte der Job dich wirklich einmal überfordern, kannst du dich so zwischendurch entspannen - auch im hektischen Alltag.