"Solange du bei Empowerment auf der Leitung stehst, bin ich Feminst:in" - Das steht auf einer der Staubschutznetzen, die Katharina Cibulka mittlerweile an einigen Orten in ganz Österreich angebracht hat. Ihr Schauplatz: hauptsächlich Baustellen. Dort stickt sie, zusammen mit ihrem Team, "Solange"-Sprüche ein. Die Aussagen auf den bestickten Netzen sind allesamt Antworten von Männern und Frauen aus ganz Europa, die sich über die Frage "Wie lange bist du Feminist:in?" Gedanken gemacht haben.
Von Rot-Weiß-Rot bis MagentaMit dem Kunstprojekt möchte die Initiatorin auf die nach wie vor nicht erreichte Gleichstellung zwischen Mann und Frau aufmerksam machen: "Feminismus ist kein Frauenproblem, es ist ein Gesellschaftsproblem. Wenn möglichst viele Männer das Projekt sehen und unterstützen, dann sehe ich, dass etwas in Bewegung kommt. Und genau die brauchen wir."
Gestartet hat Katharina ihre Aktion 2018 in ihrer Heimatstadt Innsbruck mit dem Spruch "Solange ich von Karriere rede und du Familienmanagement meinst, bin ich Feministin". Seitdem sind 15 weitere in Magenta bestickte Netze dazugekommen. Die Farbe ist bewusst gewählt, denn die Künstlerin findet: "Stickereien sind meistens rot. Rot war mir zu politisch, Magenta ist zumindest ähnlich. Außerdem ist die Farbe sehr knallig."
Baustellen als SchauplatzDie Orte für die Netze sind nicht zufällig ausgewählt. Die Überlegung, die feministischen Botschaften im Museen auszustellen, hat sie schnell verworfen: "Dort gehen Menschen hin, die sowieso gleich denken wie ich. Ich will aber eine möglichst breite Masse erreichen und sensibilisieren. Das Projekt soll auf Missstände aufmerksam machen und dafür sorgen, dass Leute diskutieren."
Katharina findet, dass Baustellen der perfekte Platz dafür sind - aus mehreren Gründen: "Sie sind groß, im öffentlichen Raum und die Bauindustrie ist eine Männerdomäne. Außerdem stehen Baugerüste nur so lange, wie etwas im Umbruch ist, bis es final ist. Und hoffentlich sind unsere Sätze auch irgendwann nicht mehr notwendig."
Auch die Art der Installation, nämlich das Besticken von Staubschutznetzen, ist eine Botschaft an sich: "Schrift im öffentlichen Raum fordert uns grundsätzlich nicht heraus. Aber die Menschen erkennen, dass es gestickt ist und Textur hat und schauen ein zweites Mal hin. Und dann lesen sie das Wort Feminist oder Feministin, was für viele immer noch ein Unwort ist." Katharina ist eigentlich Künstlerin und Filmemacherin, gestickt hat sie bis zum "Solange"-Projekt noch nie. Dass dies aber trotzdem die richtige Methode ist, um ihre Botschaft zu verbreiten, hat sie schnell erkannt: "Frauen sind jahrhundertelang durch Miniatur-Stickarbeiten im privaten Raum gehalten worden - und jetzt sticken wir auf der Baustelle riesengroß in der Öffentlichkeit und zeigen: Wir sind hier und wir wollen Gleichberechtigung."
Sie sitzen im selben BootGanz alleine lassen sich die 200-400 Quadratmeter großen Netze nicht planen und anbringen. Deshalb hat sich die Künstlerin mit anderen Feministinnen zusammengetan, die sie bei der Umsetzung unterstützen: Tina Themel kümmert sich um die Texte und Kommunikation. Das ist laut Katharina fast die wichtigste Aufgabe, denn: "Wir haben einen ganz strengen, formalen Raster und wir versuchen immer ein Augenzwinkern oder eine Pointe einfließen zu lassen. Wir machen keine Anklagen und distanzieren uns von dem klassischen Täter-Opfer-Modell." Für die "Solange"-Botschaften ist viel Fingerspitzengefühl gefragt. Oft vergehen mehrere Wochen, um den perfekten Satz umzusetzen: "Wir feilen an jedem Wort und am Rhythmus. Es geht uns um die Energie, die freigesetzt wird - wir spüren ob sie positiv ist oder nicht. Es soll ins Herz geht." Tinas Tochter, Maturantin Marie Themel, kümmert sich um das Social Media-Management und ist laut Katharina eine wichtige Ergänzung für das Team: "Sie lehrt uns sehr viel, weil sie gut geschult ist, was Political Correctness betrifft und sie fordert uns heraus." Komplett macht das Vierer-Team Vivian Simbürger. Sie ist Textilkünstlerin und übernimmt die eigentliche Arbeit des Stickens.
"Netz"werkenAußerhalb von Österreich gibt es bereits Netze in Südtirol und Marokko. Besonders zweiteres in der Hauptstadt Rabat war eine heikle Angelegenheit: "Die Installation in einem anderen Kulturkreis war eine große Herausforderung. Aber ich habe mir gedacht: Das ist die Chance." Doch das Projekt soll an dieser Stelle nicht aufhören: Grenzen kennen Katharina und ihr Team nicht. Durch die steigende Bekanntheit wurden immer mehr Institutionen auf das "Solange"-Projekt aufmerksam und bieten der Künstlerin ihre Fassaden als Leinwand an. Dadurch sind unter anderem bereits Netze in Städten wie Tel Aviv, London, Bern und Ljubljana geplant. Katharina zeigt sich mit der Euphorie über die geplanten Installationen aber noch vorsichtig: "Ich glaube erst dass es geklappt hat, wenn es hängt. Es gibt am Weg dorthin immer noch einige Hindernisse, die wir überwinden dürfen."
Die Inspiration für die feministischen Sätze holt sich die gebürtige Innsbruckerin über Gespräche auf Instagram und im echten Leben. Dadurch weiß sie, was die Menschen gerade besonders beschäftigt. Das Thema, dass es im Endeffekt auf ein Netz schafft, gibt ihr aber vor allem das Gebäude selbst vor. So findet man an der Fassade der medizinischen Universitätsklinik in Innsbruck seit neuestem den Spruch: „Solange Diversität in der Medizin erst in geringer Dosis vorhanden ist, bin ich Feminist:in". Weniger Kilometer entfernt, am Dom, war eine Botschaft angebracht, die in der Vergangenheit für viel Diskussion gesorgt hat: "Solange Gott einen Bart hat, bin ich Feminist".
Ihre Rolle als MutterDurch die Geburt ihres ersten Kindes, eines Mädchens, hat Katharina Cibulka sich 2006 zur Feministin erklärt: "Da gab es dann eine ganz klare Rollenverteilung. Es hat sich schnell festgefahren, wer zu Hause bleibt und wer die Hosen anhat und arbeiten geht. Und das war nicht mehr ich." Vier Jahre später hat sie einen Buben zur Welt gebracht und war schockiert von den unterschiedlichen Reaktionen. Komplimente wie "Jetzt bist du ein richtiger Mann, jetzt hast du einen Sohn gezeugt", wurden ihrem Ehemann ausgesprochen. Für sie und ihre Familie sind solche unreflektierten Aussagen unglaublich, vor allem weil bei ihnen jedes Kind gleich behandelt wird und auch gleich viel im Haushalt helfen muss.
In ihrer Rolle als Mutter hat sich ihre Sensibilität gegenüber der herrschenden Missstände verstärkt: „Die ganze Gesellschaft ist darauf ausgelegt, dass der der weniger verdient - und das ist oft die Frau - weniger Wert ist. Und die meisten Berufe in denen vorwiegend Frauen arbeiten, sind schlechter bezahlt." Von Rollenklischees wie rosa und blauem Spielzeug hält Katharina nichts. Ginge es nach ihr, sollten junge Mädchen nicht versuchen wie Models auszusehen und Buben könnten sich immer die Nägel lackieren.
Generation GleichberechtigungOb sie Angst hat, dass ihr irgendwann die Forderungen für ihr Projekt ausgehen? "Das wird in dieser Generation nicht mehr passieren. Ich mache diese Arbeit für die nächsten Generationen. Ältere Menschen die total konservativ sind, werde ich nicht mehr zu Feministen machen, aber ich werde sie sensibilisieren."
Katharina sieht es als ihre Pflicht an, die Werte des Feminismus zu verbreiten: „Ich habe ein Medium gefunden, um Schieflagen aufzuzeigen. Jetzt habe ich die Möglichkeit, etwas zu bewegen und ich muss sie nutzen." Ganz nach dem Slogan des Projekts "Come join us in spreading equality" (zu deutsch: Mach mit beim Verbreiten von Gleichberechtigung) will die Künstlerin Feminismus zu einem Thema machen, das alle betrifft: "Nur wenn diskutiert wird, kann sich etwas verändern. Dort wo es Reibung gibt, entsteht Wärme. Und nur dann wird die Welt hoffentlich bunter. Und nicht nur weiß und männlich."
Dem Projekt kannst du auch auf Instagram folgen: