Während die Union sich öffentlich als AfD Bezwingerin feiert, fehlt es in CDU/CSU an Abgrenzung gegenüber einer Neuen Rechten, die sich als konservativ verkauft.
Von Moritz Müllender
Sachsen-Anhalt hat CDU gewählt. Mit rund 37% hat die Partei unter Führung von Ministerpräsident Rainer Haseloff die AfD Anfang Juni klar geschlagen. Die selbsternannte Alternative blieb, mit etwa einem Fünftel der Stimmen, hinter den eigenen Erwartungen zurück. Die CDU lässt sich dieser Tage als „Brandmauer“ gegen Rechts feiern und auch Kanzlerkandidat Armin Laschet ist von dem Ergebnis beflügelt. „Die CDU ist das Bollwerk gegen Extremismus“ ließ er nach dem Wahlsieg von sich hören.
Die konservative Partei als das und nicht als eines der Bollwerke zu bezeichnen macht nicht nur unermüdliche zivilgesellschaftliche Initiativen unsichtbar, eine Brandmauer gegen rechts war die CDU noch nie und ist es auch heute nicht – auch wenn Haseloff und Laschet das gerne hätten.
Das historische CDU Aushängeschild Konrad Adenauer etwa, der gerne in der Opposition zum Nationalsozialismus charakterisiert wird, war von 1931 bis 1933 Vizepräsident der Deutschen Kolonialgesellschaft, deren Ziel es war den kolonialen Gedanken in Deutschland zu fördern. Ein weiterer Altkanzler der CDU, Kurt Georg Kiesinger, war ehemaliges NSDAP Mitglied und Helmut Kohl wollte 1982 die Hälfte der in Deutschland lebenden Türk*innen loswerden, weil diese aus einer „andersartigen Kultur“ kämen.
Heute zeigt sich Markus Söder als Mahatma Ghandi, die rassistische Praxis des Black Facing anwendend. Friedrich Merz hetzt polemisch gegen das Gendern und wittert Sprechverbote.
Die Interessen des rechten Flügels in der Union vertritt die Werteunion, etwa 4500 Mitglieder stark, vornehmlich aus CDU und CSU. Der Verein störte kurz vor der Wahl das Bild der Brandmauer gegen rechts, das die Führungsriege von der eigenen Partei gerne zeichnet. Der neugewählte Vorsitzende Max Otte schrieb ein Vorwort für ein Buch, dass AfD Bundessprecher Jörg Meuthen herausgibt, ist ehemaliger Vorsitzender der AfD nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung und trat auf einer Querdenken-Demonstration auf. Über die rechtsextreme Identitäre Bewegung meint Otte, es sei entscheidend; „dass die Identitären den Mut haben, die Gefahren des politischen Islam zu benennen“. 2018 organisierte er das Neue Hambacher Fest, bei dem sich AfD Politiker, Pegida Aktivistinnen und Einwanderungsgegner trafen. Einer von Ottes Stellvertreter*innen, Klaus Dageförde, war in der Aktionsfront Nationaler Sozialisten/Nationale Aktivisten aktiv. Die Werteunion fordert in einem konservativen Manifest Assimilation an eine deutsche Leitkultur, positioniert sich gegen Genderforschung und für die heteronormative Familie, und fürchtet sich vor aufkeimendem Sozialismus. Dieser soll sich unter anderem hinter einem Systemwechsel für das Klima verstecken. Der Begriff der Leitkultur findet sich auch im CSU Parteiprogramm.
Prominente CDU Politiker*innen, wie Junge Union Vorsitzender Tillman Kuban, Generalsekretär Paul Zemiak und Parteichef Laschet, distanzieren sich von der Gruppierung. Handlungsbedarf sieht die CDU-Spitze allerdings nicht, da die Werteunion kein offizieller organisatorischer Teil der Union ist.
Dort fabuliert Maaßen unter anderen von „Globalisten“. Globalismus bezeichnet im rechten […] Jargon eine Kontrolle der Welt durch jüdische Eliten.
Das konservative Manifest der Werteunion deckt sich fast völlig mit den Forderungen neurechter Gruppierungen. Die Neue Rechte fungiere als „Scharnier“ zwischen Konservatismus und Rechtsextremismus und vereine Personen beider Szenen erläutert Bildungswissenschaftler Prof. Dr. Klaus-Peter Hufer in seiner Publikation „Neue Rechte, altes Denken – Ideologie, Kernbegriffe und Vordenker“. Die neurechte Bewegung versteht sich dabei als intellektuelle Vordenkerin einer konservativen Revolution. Akteur*innen versuchen durch Vorträge, Publikationen und Veranstaltungen den gesellschaftlichen Diskurs und die Grenzen des Sagbaren zu verschieben. Ihr verlängerter Arm im Parlament ist die AfD, deren Funktionär*innen sich immer wieder auf dem „Rittergut Schnellrhoda“ oder dem „Studienzentrum Weikersheim“, zwei Denkfabriken der Szene, sehen lassen.
Die neurechte Zeitung Cato, die im Dunstkreis des Ritterguts entsteht, dient dem CDU-Bundestagskandidaten in Südthüringen Hans-Georg Maaßen als Sprachrohr, wie das ARD Format Kontraste berichtete. Dort fabuliert er unter anderem von „Globalisten“. Globalismus bezeichnet im rechten und rechtsextremen Jargon eine Kontrolle der Welt durch jüdische Eliten. Der Präsident des Thüringer Verfassungsschutzes Stephan Kramer bestätigt der ARD Maaßen „nutzt antisemitische Codes“. Laschet nimmt seinen Parteifreund, der momentan seine Mitgliedschaft in der Werteunion ruhen lässt, in Schutz und fordert „andere Belege als solche linguistischen“. Zuvor sagte er allerdings antisemitische Schriften seien ein Grund für einen Parteiausschluss.
Außerdem warnt Maaßen vor einer „Abschaffung des Rechts auf freie Meinungsäußerung in Schulen, Universitäten und Medien“ sowie einer „Propaganda, die zu ‚Klimaschutz‘, ‚internationaler Solidarität‘ und noch mehr Migration aufruft“. Dann spricht er von einer „neuen Weltordnung“, die auf uns zukommt. Das Schreckensbild komplettiert er, indem er eine Allianz sozialistischer und globalistischer Kräfte heraufbeschwört. Die Zerstörung von Traditionen, Familie und Nationalkultur wird in Maaßens Schrift zum Wegbereiter hin zu Totalitarismus und Kommunismus. Am Ende prophezeit er Verteilungskämpfe von Migrant*innen gegen Langzeitarbeitslose und prekär lebende Menschen. Eine Theorie, die durchaus anschlussfähig – wenngleich auch akademischer formuliert – an die rechtsextreme Vorstellung eines bevorstehenden Rassenkriegs wirkt. Alles allerdings noch so vage formuliert, dass eine Überführung Maaßens als Antisemit und Rechtsextremem, mangels Beweislast schwerfällt.
Die Übergänge von Konservativen zur Neuen Rechten sind fließend, die Übergänge der Neuen Rechten zur rechtsextremen Szene auch, wie der Werdegang der ehemaligen DDR-Bürgerrechtlerin Vera Lengsfeld zeigt. Sie wechselte nach 6 Jahren bei den Grünen zur CDU, blieb dort 20 Jahre, trat aus der Partei aus und engagiert sich jetzt in der Neuen Rechten, für die AfD und Pegida. Sie ist aktuell Mitglied der Werteunion.
In Sachsen-Anhalt überstimmte die CDU wiederholt gemeinsam mit der AfD die Grünen und im Bundestag blockiert die Union gerade das Demokratiefördergesetz, das Initiativen gegen rechts stärken sollte. Laschets Bollwerk gegen Extremismus ist im besten Fall ein verklärter Irrglaube an die Christdemokrat*innen der eigenen Partei und im schlimmsten Fall eine bewusste Fassade, hinter der ein enormes Radikalisierungspotenzial steckt.
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