Moritz Jacobi

Journalist, Brandenburg (Havel), Brandenburg, Deutschland

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Artikel

Alte neue Kraft in Kuala Lumpur

Als die Bürger Malaysias im Mai an die Wahlurnen gerufen wurden, rechneten die wenigsten mit Veränderung. Denn die Regierung hatte sich die Wahlbezirke zu ihren Gunsten zurechtgeschnitten, vollmundig Versprechen gemacht und die Opposition gezielt diffamiert. Am Ende gewann – völlig überraschend – das Bündnis Pakatan Harapan (Allianz der Hoffnung) 121 von 222 Sitzen im Parlament in Kuala Lumpur. Erstmals seit 61 Jahren wird damit die Malaienpartei UMNO und der ihr angeschlossene Parteienbund »Barisan Nasional« (Nationale Front) nicht regieren. 


Am 9. August ist das Kabinett des 93jährigen Premierministers Mahathir Mohamad in der 31 Millionen Einwohner zählenden südostasiatischen Wahlmonarchie drei Monate im Amt. Zwölf Wochen, in denen der einst selbst mit der UMNO regierende Mahathir mehrere Veränderungen anstieß. So wurde der 1998 von Mahathir geschasste UMNO-Vizechef und spätere Oppositionsführer Anwar Ibrahim aus der politischen Gefangenschaft entlassen; nun soll er Mahathirs Nachfolge werden. Die wegen des Preisanstiegs unpopuläre Mehrwertsteuer wurde wieder zurückgenommen. Und mit Tommy Thomas wurde zum ersten Mal ein Generalstaatsanwalt ernannt, der nicht der muslimisch-malaiischen Mehrheit

entstammt.


Besondere Priorität gilt dem Kampf gegen Korruption, Misswirtschaft und Veruntreuung. Der auch im Westen bekannt gewordene Skandal um die Bereicherung von Expremier Najib Razak am staatlichen Entwicklungsfonds »1MDB« ist nur einer von vielen. Nach der Wahl wurden fast täglich neue Fälle bekannt, in denen die Antikorruptionsbehörde ermittelt. So wurde 2015 eine Firma mit guten Kontakten zum damaligen Premierminister ohne Ausschreibung damit beaufragt, für 1,25 Milliarden Ringgit (ca. 262 Millionen Euro) Schulen mit Solarstrom auszustatten. Pikant: Das Unternehmen war als Autovermietung registriert. Bis heute ist keine einzige Solarzelle installiert worden. 


Ein weiterer Fall ist der Kauf eines Flugzeuges durch die Regierung des Bundesstaates Sarawak für das zehnfache des Listenpreises. Im Juni wurden zudem mehrere Fälle angezeigt, in denen die staatliche Immobilien- und Investitionsgesellschaft FELDA Immobilien zu deutlich überhöhten Preisen erwarb. Ermittelt wird auch

bei laufenden Infrastrukturprojekten: Der 70 Milliarden Ringgit teure Bau der Hochgeschwindigkeitsbahn zwischen Singapur und Johor Bahru wurde als unrentabel beendet. Auch die 67 Milliarden Ringgit teure East Coast Rail Link geriet ins Stocken als publik wurde, dass den Baufirmen unabhängig vom Baufortschritt 40 Prozent des Budgets ausbezahlt wurden, obwohl nur sieben Prozent des Projekts fertiggestellt sind; ähnlich ist es mit der begonnenen Erdgaspipeline in Sarawak und Sabah.


Stark geschröpft werden die Staatskassen auch durch die große Zahl staatlicher, nicht immer

profitabler Unternehmen mit exorbitant aufgeblähtem Mitarbeiterstab. So beliefen sich die

Geldspritzen zur Rettung maroder Unternehmen wie dem Autohersteller Proton, inzwischen Teil des chinesischen Konzerns Geely, und der Fluggesellscha􀅄 Malaysia Airlines vorsichtigen Schätzungen zufolge auf mehr als 35 Milliarden Ringgit in den vergangenen drei Jahrzehnten. Auch die vielen politischen Sachverständigen und Gremien mit teils fragwürdiger Funktion kosten ein Vermögen: Ein Berater des Premierministers erhielt Berichten zufolge monatlich bis zu 200.000 Ringgit. 


Immerhin: Noch im Mai kündigte die neue Regierung an, rund 17.000 solcher Dienstverhältnisse zu beenden; und im Juli trat nach Mahathirs Kritik der gesamte Vorstand des mächtigen Staatsfonds Khazanah Nasional zurück. Für die Probleme, die Mahathir jetzt angeht, trägt er selbst eine große Verantwortung. Viele der korrupten und unwirtschaftlichen Staatsunternehmen wurden in seiner früheren Regierungszeit (1981–2003) gegründet. Und auch die von Anwar Ibrahim angestrebte Neuausrichtung der UMNO in den 1990ern wusste Mahathir damals zu verhindern.


Aus der Jungen Welt vom 02.08.2018

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