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Klonen für den Artenschutz: Arche im Reagenzglas

Collage: Eva Leonhard, Judith Hehl


Mithilfe von Gentechnik können bedrohte Tierarten nachgezüchtet werden, manche wollen gar das Mammut zurückbringen. Was ist erlaubt, was wissenschaftlich und ethisch vertretbar?


Rund um die Uhr flankieren bewaffnete Wächter des Nationalparks Ol Pejeta Conservancy in Zentral-Kenia Fatu und Najin. Die zwei sind die letzten beiden Nördlichen Breitmaulnashörner der Welt. Ihre Artgenossen wurden vom Menschen ausgerottet: für ihr majestätisches Horn, das auf dem Schwarzmarkt für bis zu 60.000 US-Dollar das Kilo gehandelt wird. Dazu kommt: Fatu und Najin sind beide Weibchen, der letzte Bulle ihrer Art ist 2018 gestorben. Sie sind schon jeweils 22 und 32 Jahre alt und nicht mehr in der Lage, selbst zu gebären.

„Ich sehe in ihre Augen und weiß: Wir sind daran schuld, dass ihre Art im Begriff ist, auszusterben", sagt Barbara de Mori. „Wir sind daher auch in der Verantwortung, diesen Prozess aufzuhalten." Die Italienerin ist Professorin für Bioethik an der Universität Padua. Sie ist Teil des Projektes Biorescue, eines internationalen Bündnisses von Wissenschaftler:innen, die das Nördliche Breitmaulnashorn retten wollen. Finanziert wird das unter anderem vom Bundesministerium für Forschung und Bildung, leitende Institution ist das Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung in Berlin. De Mori ist im Team dafür verantwortlich, jeden biotechnischen Schritt zu beobachten und ethisch zu bewerten.

Die erste Säule des Projektes ist künstliche Befruchtung. Dafür wurden Fatu Eizellen entnommen und mithilfe von Sperma bereits verstorbener Bullen befruchtet. Dieses stammt aus mehreren Genbanken für bedrohte Arten: eine gehört zum Leibniz-Institut selbst, daneben wurde auch Sperma verwendet, das im Zoo von San Diego in Kalifornien sowie in einem Labor in Avantea, Italien, lagert. Bereits 14 gesunde Embryos wurden auf diese Weise erzeugt und in flüssigem Stickstoff gelagert. Najin werden auf Geheiß von de Moris Team seit 2020 keine Eizellen mehr entnommen. Sie ist an einem Tumor erkrankt und soll geschont werden.

Im nächsten Schritt wird einer von Fatus Embryos in die Gebärmutter einer Südlichen Breitmaulnashornkuh eingesetzt - der Art, die am engsten mit Najin und Fatu verwandt ist. Ein komplizierter Eingriff, und ein Wettlauf gegen die Zeit. „Das Wichtige ist, dass Fatu das Kalb selbst großziehen kann, um ihm ihr Wissen auf natürliche Art und Weise weiterzugeben." Doch selbst wenn es noch zu Fatus Lebzeiten auf die Welt kommen und weitere Geburten gelingen würden: Durch die gemeinsame Mutter wären alle Kälber eng miteinander verwandt. Eine Spezies mit einem so kleinen Genpool hat kaum Überlebenschancen...


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