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Gefährdet das Klima unsere Gesundheit?

Die Klimadebatte polarisiert wie kaum eine andere. Der gesellschaftliche und mediale Diskurs dreht sich um Buzzwörter wie "Tempo 100" und "Klimakleber:innen", während die Wissenschaft bereits lange an den Folgen des Klimawandels für die menschliche Gesundheit forscht. Public-Health-Systeme stehen vor neuen Herausforderungen und müssen Resilienz bilden.

Klimaschutz hat positive Wirkung auf unsere Gesundheit Der vergangene Sommer war von zahlreichen Hitzewellen geprägt. Manche Landesteile hatten mit extremer Dürre, andere mit Starkregen zu kämpfen. Der südburgenländische Zicksee hat sich innerhalb weniger Monate in eine Sandwüste verwandelt. Dabei galt er als wichtigster Lebensraum für Ziesel, bestimmte Fische und Graugänse. Heute ist er komplett ausgetrocknet.

"Die Prognosen zeigen, dass die Hitzeperioden deutlich häufiger werden, länger dauern und auch heißer sind", erklärt der Umweltmediziner Hans-Peter Hutter. Als Experte für Environmental Research and Public Health erforscht er Umweltrisiken und wie sie unsere Gesundheit beeinflussen.

Er sieht im Klimaschutz auch Maßnahmen für den Gesundheitsschutz: "Wenn wir Umweltbelastungen wie Luft-und Wasserverschmutzung verringern, dann würden wir gleichzeitig die Ursache für viele Erkrankungen mitbekämpfen." Die Natur zu schützen bedeutet, unseren Lebensraum zu bewahren. "Biodiversität stellt Ökosystemleistungen bereit, die auch wesentlich für die menschliche Gesundheit sind. Der dramatische Biodiversitätsverlust stellt somit auch eine Bedrohung der menschlichen Gesundheit dar", schreibt das Robert Koch-Institut in seinem Sachstandsbericht "Klimawandel und Gesundheit 2023" in der dritten Ausgabe einer Beitragsreihe des Journal of Health Monitoring.

Beim Klimawandel ist es wie bei umfallenden Dominosteinen: Ein Stein stößt den nächsten nieder. In der Realität bedeutet dies, dass Extremwetterereignisse weitreichende gesundheitliche Folgen haben. Überschwemmungen machen nicht nur Siedlungen unbewohnbar, sondern erschweren hygienische Maßnahmen an Ort und Stelle und erhöhen das Risiko für Infektionskrankheiten. Der Temperaturanstieg verlängert die wärmeren Jahreszeiten ebenso wie die Pollenflugsaison, und damit steigt die Allergiebelastung. Die hohen Temperaturen an Hitzetagen, also Tage mit Temperaturen über dreißig Grad Celsius, können neben Einbußen der Leistungsfähigkeit auch zu schweren Komplikationen führen etwa im Zuge eines Hitzeschlags. Das ist besonders für Menschen mit Vorerkrankungen oder Personen, die in der Hitze schwere körperliche Arbeit verrichten, gefährlich, etwa auf Baustellen oder in der Landwirtschaft.

Wenn die Temperaturen nachts nicht unter zwanzig Grad sinken, rauben diese sogenannten Tropennächte vielen Menschen den Schlaf und senken die Produktivität am Arbeitsplatz. Die Leistung wird aber weiterhin gefordert. "Das Klima beeinflusst auch andere gesellschaftspolitische Bereiche, und die betreffen immer auch die Gesundheit", sagt die Vizerektorin der Medizinischen Universität Wien, Anita Rieder. Bisher dachte sie in unterschiedlichen Positionen Gesundheit stets als Dimension mit. Heute führt sie in die Lehrinhalte der Medizinischen Universität Wien neue Anpassungsstrategien für die menschliche Gesundheit unter dem Klimawandel ein. Sie stellt sich die Frage, wie wir das derzeitige Gesundheitssystem in ein nachhaltiges und vor allem widerstandfähiges transformieren können.

Um die Zusammenhänge einer globalen Krise auf einen kleineren Maßstab zu skalieren, ein Beispiel: Österreich betoniert wertvollen Boden zu, und zwar in rasantem Tempo. Laut dem "Bodenreport 2023" des WWF verschwinden in Österreich seit der Jahrtausendwende pro Minute 120 Quadratmeter für Einkaufsmärkte, Parkplätze, Straßen, Gewerbegebiete und Logistikzentren. Wenn fruchtbarer Boden dem Asphalt weichen muss, geht auch Biodiversität verloren.

Parkplätze und Gewerbegebiete statt Biodiversität Der dramatische Verlust an Biodiversität hat sowohl direkten als auch indirekten Einfluss auf unsere Gesundheit. Zum einen hängen Medizin und Nahrung an der Vielfalt der Pflanzenwelt. Zum anderen nehmen unversiegelte Flächen bei Starkregenereignissen die Wassermengen besser auf und erhitzen sich im Hochsommer langsamer als Asphalt. Wenn enorme Regengüsse nicht abfließen, steigt das Risiko für Erdrutsch, Mure und Bergsturz, aber auch für Hochwasser. Die kommunalen Entwässerungsanlagen sind nicht für derartige Mengen dimensioniert. Laut dem Umweltbundesamt ging im Jahr 2021 im Schnitt jeden Tag die Fläche von rund acht Fußballfeldern durch Versieglung dauerhaft verloren. "Fakt ist, dass unsere Städte heißer werden", erklärt der Umweltmediziner Hans-Peter Hutter. "Einfache, aber wirksame Methoden sind etwa das Begrünen von Außenfassaden oder Sonnenschutz außen an den Fenstern, damit die Hitze draußen bleibt." Zu etwas kühleren Raumtemperaturen können ein energiesparsamer Ventilator beitragen oder das Einschränken des Lüftens von Wohnraum auf bestimmte Zeiten wie morgen, abends und nachts.

Außerhalb der Wohnung sollte man lange Aufenthalte in der Mittagssonne vermeiden und sogenannte Green Spaces aufsuchen, etwa grüne, schattige Parkanlagen. Diese kleinen Oasen inmitten der Stadt bieten Schutz und Abkühlung. "Die Stadtplanung ist ein ganz wesentliches Instrumentarium, um unsere Städte hitzefitter zu machen. Der Verschränkung von Gesundheitszielen und der Gesundheitsplanung einer Stadt mit ihrer Stadtplanung kommt essenzielle Bedeutung zu. Dabei ist eine entsprechende Expertise im Bereich Klima und Gesundheit für neue und bereits laufende Projekte wichtig", sagt Vizerektorin Rieder. "Die entsprechenden Gremien sind prinzipiell vorhanden."

Besonders ärmere und ältere Menschen sind gefährdet Soziale Ungleichheit spielt im Klimawandel eine große Rolle. Also auch bei der Gesundheitsversorgung, da sich sozioökonomisch schwächere Personen schlechter vor den Auswirkungen von Wetterextremen schützen können.

"Deshalb ist es umso notwendiger, Gesundheitsdaten zu sammeln, um auch die vulnerablen Zielgruppen besser identifizieren zu können. Nur so können nötige Ressourcen identifiziert und passende Maßnahmen gesetzt werden", erklärt Anita Rieder. Daten über Klimaänderungen und Emissionen beeinflussen auch Gesundheitsempfehlungen.

Rieder führt als Beispiel an: "Regelmäßige körperliche Aktivität ist ein zentraler Faktor für gesünderes Leben und für die Prävention von Erkrankungen. Doch wenn vier Monate im Jahr zu hohe Temperaturen das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen fördern, dann sind Bewegungsempfehlungen in der Realität nicht mehr vernünftig. Es braucht ein intensives Nachdenken, wie wir unter solchen klimatischen Bedingungen Präventionsmaßnahmen umsetzen können. Denn es werden wieder die vulnerablen Gruppen sein, die den größten Nachteil für ihre Gesundheit erfahren werden, etwa auch viele der älteren Menschen. Um katastrophale Umstände zu vermeiden, müssen Synergien zwischen Klimawandelanpassung, Public-Health-Strategien und Umweltschutz erkannt und genutzt werden."

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