Mona Linke

Freie Journalistin, Berlin

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Wenn der Pfarrer zum Therapeuten wird

Früher haben sie Schlange gestanden - heute kommen nur noch fünf Menschen zur Oster-Beichte nach Homberg. Pfarrer Peter Göb erklärt, wie sich die Tradition gewandelt hat.


Vorsichtig drückt Peter Göb auf den Lichtschalter. Eine einzelne Glühbirne, provisorisch an der Korkwand befestigt, springt an und hüllt den kastenförmigen Raum in ein gelbes, diffuses Licht. Blauer Teppichboden, darauf zwei 50-er Jahre Holzstühle, einander zugewandt. Die Atmosphäre ist beklemmend. Vielleicht wegen der niedrigen Decke, vielleicht wegen der Stromkabel, die offen über die Wand laufen. Vielleicht, weil es sich anfühlt, als säße man in einem unfertigen Wandschrank.

„Das ist wirklich nicht besonders einladend", sagt Peter Göb und knipst die Glühbirne in dem Beichtraum wieder aus.

90 Prozent der Leute würden inzwischen aber ohnehin lieber zu ihm ins Besprechungszimmer kommen, meint der Pfarrer der Gemeinde Homberg/Borken. So auch die fünf Menschen, die sich jetzt für die traditionelle Oster-Beichte angemeldet haben. Im ganzen Jahr sind es maximal zehn, die zu ihm nach Homberg kommen. Der 52-Jährige weiß, dass das im Vergleich zu früher, als vor dem Beichtstuhl teilweise noch Schlange gestanden wurde, eine erschreckende Zahl ist. „Die kirchliche Bindung ist weniger geworden", sagt er. „Aber den Glauben tragen immer noch viele in sich."

Auch habe sich die Art und Weise verändert, wie die Menschen beichten. „Lange war das mehr ein Absolvieren von einem Ritus." Heute dagegen ein „Seelsorgegespräch". Viele würden einfach mal mit jemandem reden wollen: über ihre Beziehung oder über Veränderungen in ihrem Leben, mit denen sie nicht klarkommen. „Das geht durchaus ins Psychologische", sagt der Pfarrer, ein Therapeut sei er deshalb nicht. „Das will ich mir auch gar nicht anmaßen."

Das Zeug dazu hätte Göb aber vielleicht, der nach seiner Pfarrersausbildung eine Weiterbildung in der Systemischen Beratung gemacht hat. Er wollte lernen, Gestik, Sprache und Gesichtsausdrücke seiner Gegenüber zu lesen. Um am Ende mehr sagen zu können als „Gott vergibt dir deine Sünden."

So hakt der Pfarrer regelmäßig nach, wenn ein Beichtender ihm erzählt, was er falsch gemacht hat. „Mich interessieren die Motive", sagt er. „Was macht dem Menschen Freude, wo liegen seine Talente?" Nur so könne er denjenigen „in seiner Ganzheit wahrnehmen" - und anschließend den richtigen Ratschlag geben.

„Mich schockt nichts mehr", sagt Göb, der seit 1993 die Beichte abnimmt. Schlucken müsse er bei dem ein oder anderen Geständnis aber immer noch. „Welche das sind, sage ich Ihnen jetzt aber nicht", meint er und lacht. Nur so viel: „Es gibt Situationen, in denen auch ich hilflos bin und nicht weiß, was ich demjenigen raten soll." Oft vermittle er den Beichtenden dann weiter, in der Regel an einen Psychologen. Doch das seien seltene Fälle, betont Göb.

Dem Katholiken liegt viel daran, den Ruf der Beichte zu verbessern. So bitterernst, wie man sich das Gespräch vorstelle, ginge es da nämlich gar nicht zu. Häufig werde sogar gelacht. Das nach außen zu transportieren, könnte das Beichten für viele Menschen durchaus wieder attraktiver machen. Spontan fallen ihm noch Werbeflyer ein: „Das könnte man auch mal probieren!" Andere Maßnahmen wie die „mobile Beichte" etwa, bei der der Pfarrer im Kleinbus übers Land tourt, wären dagegen nichts für den 52-Jährigen. Dann doch lieber bei sich im Büro, bei den Menschen zu Hause, nach der Messe oder sogar im Krankenhaus. Oder eben im Beichtstuhl. Der sei übrigens noch von 1957. „Und muss dringend renoviert werden!"

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