Christoffer Kempel ist der erste Dozent für die Fächer „Digitale Postproduktion" und „Visuelle Effekte" (VFX) an der HFF München. Kempel startete seine Karriere selbst als Regie-Student an der HFF. Er verriet dem Mediennetzwerk Bayern, wer die besten Chancen hat, an der HFF aufgenommen zu werden, welche Filme ihn geprägt haben und welcher berühmte Filmemacher mit ihm zusammen studiert hat.
Herr Kempel, erzählen Sie mehr über Ihren Werdegang vom HFF-Studenten zum Dozenten für VFX und Postproduktion!
Christoffer Kempel: 1997 wollte ich noch Regisseur werden und begann an der HFF ein Spielfilmregie-Studium. Gleichzeitig war ich sehr technikaffin. Im Jahr 2000 bekam ich die Chance, an dem einwöchigen Compositing-Seminar einer Münchner Firma teilzunehmen, bei dem ich Einblicke in die Postproduktionsprogramme Flint, Flame und Inferno erhielt. Ab diesem Zeitpunkt arbeitete ich neben dem Studium freiberuflich in der VFX-Branche. Der MedienCampus Bayern gab mir 2002 ein Stipendium im kanadischen Montreal, bei dem ich an der Mel Hoppenheim School of Cinema einen Einführungskurs zum Thema „Animationsfilm" besuchen durfte. Im Anschluss arbeitete ich noch eine Weile in einem kanadischen Studio. Zurück in Deutschland machte ich den Abschluss an der HFF, das Thema VFX blieb mir aber immer im Hinterkopf.
Während meiner Studienzeit, Ende der 1990er-Jahre, gab es einen Vorgänger in meiner jetzigen Position. Das Thema seines Jobs war aber allgemein „Neue Medien", in der Stellenbeschreibung standen noch Aufgaben wie „Realisierung von CD-Rom-Projekten". Als ich 2005 die Stelle in der Technikabteilung übernahm - zunächst als halbe Assistentenstelle, ab 2008 in Vollzeit - haben sich die Aufgaben von der allgemeinen Multimedia-Schiene in Richtung Postproduktion und visuelle Effekte entwickelt. Die Arbeit hat sich also nicht nur auf dem Papier, sondern auch in der Realität extrem verändert, und ich wurde der erste Dozent für diesen neuen Bereich.
Kempel: Zwei Projekte habe ich eingereicht: Eins hielt sich an die Bewerbungsvorgaben der Hochschule, es war ein Kurzfilm in schwarz-weiß. In dem Film ging es um einen Fotografen, der an der Lichtsetzung verzweifelt. Mein zweiter Film war mit 60 Minuten eigentlich zu lang, ich hatte ihn im Vorfeld schon privat realisiert. In diesem verliert der Hauptdarsteller in der Welt der Rollenspieler langsam den Bezug zur Realität. Bei diesem Stoff boten sich visuelle Effekte natürlich an, die ich quasi als Bonusmaterial zur Bewerbung dazugelegt habe. Schon damals war mir die Verbindung von Technik und Film sehr wichtig.
Hatten Sie in ihrem Studienjahrgang einen berühmten Kommilitonen?
Kempel: Einer von ihnen war Florian Henckel von Donnersmarck, „Das Leben der Anderen" war sein Abschlussprojekt an der HFF. 2007 erhielt er dafür den Oscar in der Kategorie „Bester fremdsprachiger Film".
Kempel: Ich bin gebürtig aus Kassel, München habe ich als Lebensmittelpunkt aber nie infrage gestellt. Mir gefällt die Stadt zum Leben sehr gut, darüber hinaus schätze ich die Vernetzung der Stadt in die Filmindustrie, im Speziellen in die VFX-Branche. Köln beispielsweise ist auf Fernsehproduktionen spezialisiert, höherwertige VFX-Arbeiten für Filme findet man dagegen hier.
Wie sehen Ihre Aufgaben an der Hochschule aus?
Kempel: Die ganze Pipeline der Postproduktion ist in den letzten Jahren so komplex geworden, dass dieser Bereich neben dem VFX-Unterricht 50 Prozent der Zeit einnimmt. Jedes Studentenprojekt spreche ich vorab mit dem Team hinsichtlich der technischen Anforderungen durch. Wichtige Fragen im Vorfeld sind: Mit welcher Kamera wird gedreht, in welcher Auflösung? Welcher Film-Codec wird benutzt und welches Schnittprogramm soll in der Postproduktion eingesetzt werden? Wenn diese Aspekte nicht vorab geplant werden, bricht im Postproduktionsprozess möglicherweise das große Chaos aus.
Arbeiten Sie nebenher weiterhin an Projekten in der Filmbranche?
Kempel: Neben meiner Dozenten-Tätigkeit an der HFF schaffe ich pro Jahr noch etwa zwei Projekte als Freiberufler. Zusätzlich unterrichte ich an der Hochschule Furtwangen visuelle Effekte.
Kempel: Obwohl die Hochschule beides im Namen trägt, liegt der Fokus insgesamt betrachtet verstärkt auf dem klassischen Film. Unsere Studenten lernen zwar in zwei Praxisprojekten, wie eine TV-Produktion abläuft: Wir drehen beispielsweise eine 20-minütige TV-Show im Studio der HFF, die ohne Nachbearbeitung auf den Server kommt - also nicht „live on air" ist, sondern „live on server". Wir bieten auch den spezialisierten Studiengang „Fernsehjournalismus" an, aber der Blick auf die Filmbranche dominiert.
Wie viele Filme entstehen pro Jahr?
Kempel: Wir haben 397 Studenten, die etwa 180 Projekte pro Jahr realisieren - vom kurzen Werbespot bis zum Langfilm.
Kempel: Die Zusammenarbeit mit anderen Hochschulen entsteht überwiegend durch die Studenten und ihre Projekte. So haben wir schon viel mit der Hochschule Furtwangen oder der Georg-Simon-Ohm-Hochschule in Nürnberg zusammengearbeitet.
Welche Themen beschäftigen die Hochschule derzeit?
Kempel: Unter anderem, dass visuelle Effekte und die Postproduktion für das Filmhandwerk immer wichtiger werden - egal ob man Regie, Kamera oder Produktion studiert. Film ist immer Teamarbeit, die man nur leisten kann, wenn man ungefähr weiß, an was der Kollege gerade arbeitet. Alle Head of Departments sollten einschätzen können, wann visuelle Effekte für eine kosteneffiziente Produktion oder für einen ästhetischen Mehrwert sinnvoll sind. Jeder im Filmteam sollte ungefähr die Qualität der Effekte beurteilen können. Was an der Hochschule derzeit noch fehlt, ist eine Spezialisierungsmöglichkeit auf diesen Bereich oder ein eigener Studiengang. Aber das Interesse der Hochschule sowie der Studenten an dem Thema wächst stetig. Die HFF beitet ein breit angelegtes Grundstudium an. Die meisten anderen Ausbildungsstätten bieten dagegen spezialisiertere Ausbildungen an, bei denen jedoch das Grundverständnis gegenüber Film und Bildern Lücken aufweist. Somit führt die HFF einen ständigen Spagat zwischen einem Generalisten-Studium und einer Spezialisten-Ausbildung. Und dieses Gleichgewicht muss jedes Jahr aufs Neue hinterfragt werden.
Welche Tipps haben Sie für diejenigen, die sich für eine Aufnahme an der HFF interessieren?
Kempel: Generell ist die wirkliche Liebe zum Film wichtig. Ich denke, es bringt nichts, wenn man sich für seine Bewerbung verbiegt. Man sollte zu seinem Lieblingsfilm stehen, auch wenn es jetzt beispielsweise „Jackass 2" ist. Das Spektrum der Hochschule ist breit, und alle Filme, die aus einem selbst kommen, sind gut. Wenn man in den Aufnahmeunterlagen gefragt wird: „Welcher bildende Künstler hat dich beeinflusst?", sollte man die Wahrheit hinschreiben und nicht, was „politisch korrekt" oder „richtig" erscheint. Gibt es keinen, eben auch nichts hinschreiben. Ich glaube derjenige, der etwas vorgaukelt, hat die geringsten Chancen.
Kempel: „Gravity". Eine Erzählperspektive wie diese habe ich so noch nie im Kino gesehen. Das Drehbuch finde ich zwar eher schwach, denn wie eine Hauptdarstellerin von A über B nach C kommt, wurde schon in vielen Filmen über 100 Minuten ausgedehnt. Aber alle technischen Aspekte sind extrem gelungen: Die visuellen Effekte, die Lichtreflexionen, die Atmosphäre und der Sound sind so stimmig, wie ich es vorher noch nie sah. Im Kino in 3D wirkte er fast dokumentarisch.
Kempel: Seit meiner Kindheit ist „Léolo" von dem kanadischen Regisseur Jean-Claude Lauzon mein Lieblingsfilm. Es war sein zweiter Film, kurz danach verstarb er bei einem Flugzeugabsturz, er war auch Pilot. „Léolo" ist episodenhaft erzähltes und fragmentarisches Erzählkino, nicht chronologisch und doch meisterhaft verwoben. Es spielt in Montréal. Es war ein lustiger Zufall, dass mich das MedienCampus-Stipendium an den Ort meines Lieblingsfilms führte.
Kempel: Ich bin mit Steven Spielberg und „Star Wars" von George Lucas groß geworden. Das Hollywood-Erzählkino auf der großen Leinwand, mit den ganzen Vor- und Nachteilen des Klischees, hat mich stark beeinflusst. Es ist nach wie vor meine Idealvorstellung von Kinounterhaltung.
Kempel: Selbst wenn ich die Mechanismen bestens kenne, ein gut gemachter Film zieht mich immer in die Handlung. Wenn ich mich während des Guckens beim Analysieren ertappe, weiß ich, dass es sich um einen schwachen Film handelt.
Welches Kino in München gefällt Ihnen am besten?
Kempel: Ich persönlich mag die großen Multiplex-Kinos wie Mathäser oder CinemaxX nicht so sehr, auch wenn ihre technische Ausstattung natürlich toll ist. Ich bin meistens im großen Saal des Gabriel Filmtheaters. Es ist ein Familienbetrieb mit einer schönen Atmosphäre, und dort kann man sein Bier im Glas zum Film mitnehmen. Außerdem gehe ich oft in den Royal Filmpalast am Goetheplatz. Das Kino hat eine angenehme Größe mit einer guten technischen Ausstattung. Für 3D-Filme hat das Kino das Dolby-Surround-System - für mich persönlich das beste für diesen Bereich. Was in München noch fehlt, wäre ein Kino mit Atmos, dem neuen Dolby-Surround-System. Einige wenige Filme sind bereits in Atmos abgemischt, beispielsweise „Gravity". Es gibt bisher nur etwa vier Kinos in Deutschland, die diese Technik besitzen. Wenn in München so ein Kino hinzukommen würde, wäre das mein nächstes Stammkino.