Um eins vorwegzunehmen: Auch ich gehe nicht jeden Sonntag in die Kirche. Das muss man auch gar nicht, denn seinen Glauben leben kann man auf vielfältige Art und Weise. Der Kirchgang ist nur eine davon. Viel wichtiger ist, dass man im Grunde seines Herzens ein tiefes Vertrauen auf Gott spürt, dass man Zuflucht im Gebet findet, dass man christliche Werte wie Nächstenliebe, Toleranz und Güte lebt.
Aber: Ganz ohne Kirche geht es eben auch nicht. Ein starker Glaube muss regelmäßig „gefüttert" werden. Der Gottesdienst, das Hören von Evangelium und Predigt, erinnert uns daran, was genau wir da glauben, was im Leben wichtig ist. Man muss also vielleicht nicht jeden Sonntag in die Kirche gehen, aber doch mit einer gewissen Regelmäßigkeit.
Etwa 34.700 Menschen im Erzbistum Hamburg sehen das ähnlich: So viele nämlich besuchten 2016 im Schnitt sonntags einen katholischen Gottesdienst in Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg. Eine evangelische Kirche in Hamburg suchen sonntags im Schnitt rund 12.640 Menschen auf.
Weihnachten sind es deutlich mehr: 165.846, teilt die evangelisch-lutherische Bischofskanzlei Hamburg mit. Heruntergerechnet auf die einzelnen evangelischen Kirchen sind das Weihnachten rund 1000 Besucher pro Kirche.
Anders gesagt: 51 Wochen im Jahr sind die Kirchen leer - und Weihnachten brechend voll. Aber was treibt die Menschen Heiligabend in den Gottesdienst? Eine gängige Antwort auf diese Frage: „Das gehört halt zu Weihnachten dazu." Ich kann das auch ein bisschen verstehen: Die festlich geschmückte Kirche, die klingenden Weihnachtslieder, die detailreich aufgebaute Krippe bieten einen feierlichen Rahmen. Und der gefällt natürlich auch Kirchenverweigerern.
Eine andere beliebte Antwort: „Weil man das halt so macht." Aber was genau „macht man so"? Vorspielen, dass man sich für Kirche und Glauben interessiert? Spricht man dann das Vaterunser auch einfach so mit, ohne Sinn und Verstand?
Nein, ich kann sie einfach nicht mehr sehen, die ganzen scheinheiligen Weihnachtsheuchler. Das ganze Jahr legen sie keinen Wert auf Gott, aber Heiligabend rennen sie in die Kirche, als gäbe es Freibier. Wirklich: Damit sie auch ja nicht stehen müssen, sitzen viele schon eine Stunde vor Gottesdienstbeginn in der Kirchenbank. Fehlt nur noch, dass die Plätze bald mit Handtüchern reserviert werden. Und dann kommt Oma Gerda - treue Kirchgängerin seit Jahren - und muss sich an den Rand quetschen oder sogar stehen.
Leute, überlegt doch mal: Wichtig ist doch nicht, DASS wir Weihnachten in die Kirche gehen. Nein, es geht darum, sich zu besinnen, WARUM wir in die Kirche gehen: um die Geburt Christi zu feiern. Und das ist eben kein weltliches Spaß-Event, das man besucht, um die Zeit bis zur Bescherung totzuschlagen. Die Kirche ist auch keine schöne Kulisse oder festliche Attrappe. Und eine Christmette ist kein Punkt auf einer weihnachtlichen To-do-Liste.
Weihnachten ist ein religiöses Fest, ein Feiertag für diejenigen, die an Gott glauben. Oder anders ausgedrückt: Wer nicht glaubt, hat Weihnachten in der Kirche nichts verloren.
Im „Standpunkt" schreiben MOPO-Redakteure und Gast-Autoren aus ganz persönlicher Sicht über Themen, die Hamburg bewegen. Darüber darf gern diskutiert werden! standpunkt@mopo.de