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Ursula von der Leyen: Warum sie der neue Star ist

15 Minister-Posten wurden vergeben, doch das Land spricht nur über eine Personalie: Ursula von der Leyen. Sie führt als erste Frau das Verteidigungs- ministerium. Doch das ist, zum Glück, nicht der einzige Grund für den Hype.


Foto: Imago/Müller-Stauffenberg


Natürlich gab es Witze und böse Kommentare im Netz. "Jeder, der sich selbst verteidigt, kriegt 100 Euro Schwertprämie", war da auf Twitter zu lesen. Oder: "Tarnanzüge jetzt auch in Größe 146?" Sogar die ARD twitterte eine ziemlich geschmacklose Lara-Croft-Collage - Ursula von der Leyen, halbnackt im Kampfoutfit. Bei der Vorstellung, dass eine Frau, noch dazu blond, die Verantwortung für das Militär trägt, scheint mit manchen Männern immer noch die Fantasie durchzugehen.

Doch es gab auch diese Szene: gestern Abend, bei "Günther Jauch". In der Talk-Show geht es um die Aufgaben der großen Koalition, und die Regierungsparteien haben mit Andrea Nahles und Ursula von der Leyen zwei Frauen in die Runde geschickt. Von der Leyen erklärt gleich am Anfang sehr ausführlich, was sie sich als Verteidigungsministerin vorgenommen hat - und in den Augen von Jauch, ARD-Moderator Ingo Zamperoni, ja sogar von Linken-Chef Gregor Gysi sieht man sie ganz deutlich: Bewunderung. Keiner unterbricht die CDU-Politikerin. Es ist der Abend nach Bekanntgabe des neuen Kabinetts und in Deutschlands meistgesehener Talkshow spricht man über Auslandseinsätze und das posttraumatische Belastungssyndrom bei Soldaten. Hat je ein Verteidigungsminister so eine Aufmerksamkeit bekommen? Wohl kaum.

Natürlich spielt eine Rolle, dass Ursula von der Leyen die erste Frau in diesem Job ist. Noch dazu in einem von Männern dominierten Ministerium. Aber der wichtigste Grund für den Hype um diese Personalie ist ein anderer. Es ist das Wissen, dass von der Leyen eine der wenigen Figuren in Berlin ist, die die Dinge wirklich anpackt. Man ist einfach gespannt darauf, wie sie ihre Aufgabe ausfüllen wird. Denn ob man ihre politische Einstellung nun teilt oder nicht - klar ist, dass sie sich mit Kleinklein nicht zufrieden gibt. Sie will Reformen und hat einen Blick dafür, welche die dringendsten Probleme unserer Zeit sind. Dafür legt sie sich auch mit der eigenen Partei an, wie der Zoff um die Frauenquote gezeigt hat. Dass sie bislang mit dem Militär nicht viel am Hut hatte, ist da eher zweitrangig. Westerwelle war auch nicht gerade ein Kenner der Außenpolitik, als er aufs diplomatische Parkett geschickt wurde. Und im Gegensatz zu ihm traut man Ursula von der Leyen zu, sich schnell einzuarbeiten. Daran dürfte selbst der starrsinnigste Feldwebel nicht zweifeln.

Die ehemalige Frauenministerin hätte es sich also nicht schöner ausmalen können: Zwar wird ihr Geschlecht in der Öffentlichkeit thematisiert, in erster Linie aber reden wir über Kompetenzen. Das gilt im Übrigen auch für von der Leyens Kabinettskolleginnen.

Und die wichtigste Frau im Haus, Angela Merkel? Was hat sie sich wohl dabei gedacht, als sie von der Leyen den Posten anbot? Einige vermuten, dass sie die Parteikollegin aufs Abstellgleis stellen will. Das Verteidigungsministerium gilt als extrem schwierig und hat schon viele Politiker ins Aus befördert. Aber es könnte auch ein anderes Kalkül dahinter stecken. Nach Familien- und Arbeitsmarktpolitik erweitert von der Leyen ihr Profil jetzt um ein komplett neues Ressort, in dem es auch um internationale Beziehungen und Deutschlands Außenwirkung geht. Statt Abstellgleis könnte man das auch Ausbildung nennen - zu Merkels Nachfolgerin.


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