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Auf die Handelskosten kommt es an | NZZ

Viele Anleger lieben ETF - auch weil sie günstig sind. Neben den Gebühren spielen die Handelskosten eine wichtige Rolle. Sie haben sich in den vergangenen Jahren stark geändert.

ETF sind wie Tiefseefische - in zu seichten, stillen Gewässern können sie nicht schwimmen. Die Exchange-Traded Funds brauchen Liquidität. Und sie benötigen Strömungen, die sie mittragen. Je stärker die Geldströme fliessen, desto besser für Anleger. Die Liquidität beeinflusst nämlich den Preis. Stärker als bei aktiv verwalteten Anlagefonds ist nicht nur die Managementgebühr, sondern auch der Spread - die Spanne zwischen An- und Verkaufspreis - ein Kostenfaktor. Die wenigsten Anleger machten sich Gedanken über die Handelskosten, die auch in die Spreads hineinspielten, sagt Frank Mohr vom ETF Sales Trading bei der Commerzbank.

Stark gesunkene Spreads

Die gute Nachricht für alle Anleger ist, dass die durchschnittlichen Spreads über die Jahre deutlich enger geworden sind. Das zeigen zum Beispiel ETF, welche die Wertentwicklung des Schweizer Leitindexes SMI abbilden. Lagen die Geld-Brief-Spannen für diese an der Schweizer Börse, der SIX Swiss Exchange, 2011 noch bei bis zu 20 Basispunkten, war es 2013 mit weniger als 10 Basispunkten etwa die Hälfte. Auch die London Stock Exchange bestätigt diesen Trend. Bei den 10 am häufigsten gehandelten Produkten liege der durchschnittliche Spread bei 10 Basispunkten im Vergleich zum Juni 2007 mit 27 Basispunkten, sagt eine Sprecherin der Börse in London. Auf Xetra, dem ETF-Segment der Deutschen Börse, hat sich die Spanne zwischen An- und Verkauf bei den 20 liquidesten Aktien-ETF in den vergangenen fünf Jahren von 12,7 auf 6,2 Basispunkte halbiert.

Die schlechte Nachricht lautet dagegen, dass der europäische ETF-Handel alles andere als homogen ist. Während es in den USA mit der New York Stock Exchange lediglich einen börslichen Handelsplatz gibt, existieren in Europa etliche. Die Liquiditätsströme werden zwangsläufig gesplittet. "Unsere Produkte sind in Europa an acht Börsen kotiert, da die Handelsplätze hier stärker fragmentiert sind", erklärt Christian Gast, Leiter von iShares Schweiz, dem weltweit grössten ETF-Anbieter. Durch die Fragmentierung der Handelsplätze entstünden zudem weitere Kosten, wenn ein Anleger zum Beispiel einen ETF in London gekauft habe und ihn in der Schweiz verkaufen wolle, sagt Gast. Die Lösung könnte eine internationale "Lagerstelle" für die zugrunde liegenden Aktien sein. iShares arbeite derzeit gemeinsam mit verschiedenen Börsen an einem solchen Cross-Settlement.

Das steigende Volumen im ETF-Handel - 2013 zählte die SIX eine Million Trades bei einem Umsatz von 90 Mrd. Fr. - habe zwar das seine getan, meint Gast. Eine gebündelte Liquidität würde die Spreads jedoch weiter verengen. Unterschiedliche Preise von Plattform zu Plattform sind zudem Realität. Das Vergleichen macht zusätzliche Arbeit. Eine geschwächte Liquidität an den Börsen führt ausserdem zu einem weiteren Problem, denn nicht jeder Anleger fischt im gleichen Teil des Ozeans nach den ETF mit den besten Preisen. Institutionelle Investoren haben die Wahl zwischen der Börse und dem ausserbörslichen Handel (OTC-Handel), für Letzteren haben Privatanleger keine Angel-Lizenz und sind damit per se schlechtergestellt. In der Regel seien die Spreads im OTC-Handel enger als an den Börsen, erläutert Mohr.

Eine Koexistenz zwischen börslichem Handel und OTC-Segment über Banken ist aber unvermeidbar. Derzeit werden laut Branchenschätzungen 70% aller ETF in Europa ausserhalb der Börsen gehandelt. In den USA ist das Verhältnis mit einem Anteil von jeweils 50% deutlich ausgewogener. Vor allem institutionelle Investoren handelten häufig OTC, da sie höhere Volumina bewegten, als an den Börsen bereitgestellt würden, sagt Jörg Sengfelder vom Market-Maker Flow Traders. Bei höheren Ordergrössen stellen Market-Makers die notwendige Liquidität im OTC-Handel zur Verfügung.

Ein ETF wird zwar als ein transparentes, simples Finanzvehikel beworben. Die Art und Weise, wie er gehandelt wird, verdient jedoch keines der beiden Adjektive. Die Preisstellung für den ETF-Handel ist ein komplexes Zusammenspiel aus verschiedenen Marktakteuren. Die Market-Makers, die am Handel mitverdienen, konkurrieren untereinander, und durch den Preiskampf werden die Spreads nach unten gedrückt. Neben spezialisierten Dienstleistern treten viele Grossbanken als ETF-Marktmacher auf und versorgen so den Handel mit Liquidität an den Börsen. Je mehr Market-Makers in einem ETF Preise stellen, desto enger werden die Spreads, was sich natürlich zugunsten des Investors auswirkt. "Wir versuchen daher, immer mehr Market-Makers zu motivieren, Preise bei uns zu stellen", sagt Danielle Mair von der Schweizer Börse. Und das gelingt unter anderem über Umsätze. Das sei eine symbiotische Beziehung - die Liquidität eines ETF hänge von der Zahl der Market-Makers ab. Für die Marktmacher wiederum seien ETF attraktiv, die ein hohes börslich gehandeltes Volumen hätten, erläutert Heike Fürpass-Peter vom ETF-Anbieter Lyxor.

Intensiver Preiswettbewerb

Verpflichtet sich ein Market-Maker bei einer Börse in allen Marktphasen, Preise zu stellen, ist er ein Designated Sponsor. Die Schweizer Börse arbeitet gegenwärtig mit 24 von ihnen zusammen. Im Klartext bedeutet dies, dass der Designated Sponsor auch dann für einen ETF An- und Verkaufspreise stellt, wenn es in den Börsengewässern stürmisch zugeht. Und gerade dann dürfen die Liquiditätsströme nicht versiegen. Ein ETF lebe davon, dass er einen schnellen Ein- und Ausstieg zu transparenten Preisen ermögliche; eine reibungslose, effiziente und transparente Kauf- bzw. Verkaufsabwicklung sei also besonders wichtig, unterstreicht Philipp Knüppel, der bei "db x-trackers" verantwortlich ist für die Schweiz.

Dass die Spreads an den Börsen um ein paar Basispunkte höher liegen als im OTC-Handel, hat einen Grund. Für den Market-Maker ist das Risiko dort auch höher als im abgeschirmten ausserbörslichen Raum. Grosse Marktmacher seien wie grosse Tanker, sie hätten ein Geschwindigkeitsproblem, sagt Mohr. Schliesslich müssen sie die Preise für eine ganze Produktpalette stellen. Kleinere Marktakteure, die sich auf weniger Produkte spezialisiert haben, können schneller agieren. Diese seien wie Schnellboote, erklärt Mohr. Solche Marktteilnehmer handeln in Höchstgeschwindigkeit und setzen auf Arbitragegeschäfte. Sie nutzen kleinste Fehlstellungen der Preise aus, auch wenn sie nur Bruchteile von Sekunden dauern. Es ist ein technologischer Wettkampf, in dem träge Tanker schnell abgehängt, aber auch von den Speedbooten wieder auf Kurs gebracht werden. Arbitrageure hätten auch eine wichtige Funktion. Wenn ein Preis falsch gestellt werde, drängten sie ihn schnell wieder an die richtige Stelle, betont Mohr.

Plattform erhöht Transparenz

Der Zeitdruck ist zwar im OTC-Handel mangels Arbitrageuren deutlich geringer. Doch auch hier ist Zeit Geld. Mussten institutionelle Investoren ETF-Preise bei den einzelnen Market-Makers früher per Telefon oder Chat abfragen, ist dies nun überflüssig. Institutionelle Anleger können seit 2012 ETF-Anfragen an die Handelsplattform Tradeweb senden und erhalten innerhalb von maximal 60 Sekunden Preise von bis zu fünf verschiedenen Marktmachern. Anfragen per Telefon erlaubten keine simultane Konversation und damit auch keine zeitgleiche Abfrage von Preisen, erläutert Adriano Pace, Director of Equity Derivatives bei Tradeweb. Zudem sei das Abfragen per Telefon eine Fehlerquelle. Da der europäische ETF-Markt fragmentiert sei, gebe es unterschiedliche Versionen von ETF. Darüber hinaus nutzen verschiedene Marktteilnehmer unterschiedliche ETF-Kennungen wie Bloomberg Codes, RIC oder WKN. Das könne durchaus zu Missverständnissen führen, sagt Pace. Der elektronische Handel minimiere dieses Risiko. Derzeit arbeitet Tradeweb mit 18 ETF-Marktmachern zusammen.

Ob OTC oder an der Börse - gegen Fehler ist eben niemand gefeit. Der Druck, diese zu vermeiden, wird aber erhöht, wenn dies jemand ausnutzt. Die Schweizer Börse ist nach eigenen Angaben eine der wenigen Börsen mit einer aktiven Handelsüberwachung. Die Marktsteuerung kann einen Abschluss an der Börse im Auftragsbuch für ungültig erklären, sofern der Preis eines Abschlusses erheblich vom Marktpreis abweicht oder geordnete und faire Marktverhältnisse nicht gewährleistet sind. Dass ETF wie verirrte Wale stranden, kommt also selten vor. Doch eines ist unerlässlich - Anleger sollten nicht nur den Kurs, sondern auch die Handelskosten beobachten.

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