„Jetzt ist die Schweiz reif für eine eigene Craft Beer-Brauerei", beschließt Philip Bucher nach kreativbierigen Erfahrungen im Ausland, mit kreativen Importbieren und einer reflexiven Phase im Jahre 2012.
Los geht's mit ChopfabEr kündigt seinen Job als Marketingleiter des Schweizer Geberit-Konzerns und gründet mit seinem Freund und jetzigen Geschäftspartner Jörg Schönberg die Doppelleu Brauwerkstatt in Winterthur nahe Zürich. 2013 zapfen die beiden Partner und ihr Braumeister als damals einziger Mitarbeiter das erste, obergärige Chopfab-Bier, das ein Jahr später bereits die Regale des Lebensmitteleinzelhändlers Coop im Kanton Zürich bestückt, in der selbst aufgebauten Brauerei mit Second Hand-Sudhaus.
„Mit Hilfe von professionellen Schweißern haben wir die Brauerei über weite Strecken selbst aufgebaut, vier Monate lang geschuftet und gebastelt", erinnert sich der Mitvierziger. Mit zwei weiteren Vertriebsmitarbeitern feiert ein Doppelleu-Quintett im Jahre 2013 seine Eröffnung als Kreativbier-Startup mit trendigem Marktauftritt und den beiden Labels Chopfab und Doppelleu.
Red Dot für Chopfab und DoppelleuFür den Markengesamtauftritt sowie die Gestaltung der Chopfab- und Doppelleu-Flaschen wurde die Brauerei mit dem Designlabel Red Dot Award 2014 ausgezeichnet. Acht Gold- und zwei Silbermedaillen für die hauseigenen Bierstile regnete es bei den Swiss Beer Awards 2017.
Markensprachlich will Chopfab die Assoziation mit dem Köpfen der Flasche erzeugen, aber auch die Schweiz in den Anfangslettern sowie den Hopfen als wesentliche Geschmackskomponente eines Kreativbieres buchstäblich darin erkennen lassen. Die kompromisslosen, aber einfacheren Kreativbiere der Linie Chopfab wurden eingeführt, um auch den Lagerbier-Konsumenten abzuholen, der in 50 Jahren nichts anderes als das Einheitsgebräu getrunken hat, „um ihn schrittweise an die Bier-, Geschmacks- und Aromenvielfalt heranzuführen", begründet Philip Bucher.
Mit der Doppelleu-Linie - India Pale Ale, Belgian Triple, Chocolate Stout und „noch Wilderem" - werde es geschmacksintensiver, Premium-Kreativbiere, die aromatisch an ihre Grenzen gehen. Während klassisches Lagerbier aus einer Malzsorte fabriziert wird, mischt die Winterthurer Jungbrauerei in jedem Bier mindestens drei bis fünf verschiedene der importierten Malzsorten. Doch den wesentlichen Unterschied bestreite der Hopfen, dessen weltweite Plantagen und Anbaugebiete wie in Amerika, Süddeutschland, Neuseeland, Australien oder Tasmanien der Doppelleu-Braumeister selbst besucht, um vor Ort für den mittlerweile tonnenschweren Eigengebrauch zu selektieren.
Doppelleu fusioniert mit Boxer„Als wir die Brauerei gegründet haben, konnten wir zu Beginn noch nicht abschätzen, ob es eine Erfolgsstory geben wird", blickt Philip Bucher zurück, dessen Mitarbeiter-Anzahl von drei auf mehr als 30 angestiegen ist. Seit der vorjährigen Fusion mit Boxer, der größten, unabhängigen Brauerei der französisch- und italienischsprachigen Westschweiz mit ausschließlich untergärigen Bieren, ziehen insgesamt 75 Mitarbeiter als Doppelleu Boxer an einem Strang: Der Kreativbier-Infusion der Schweiz, die mittlerweile gemessen an der Bevölkerungsgröße die höchste Brauerei-Dichte weltweit hat.
„Das ist Wahnsinn, wenn wir schauen, wo wir herkommen und wie langweilig das Schweizer Bier noch vor zehn bis 15 Jahren tatsächlich gewesen ist", sagt der Doppelleu-Geschäftsführer, dessen Partner als Vertriebsfachmann und Ökonom für den Vertrieb zuständig ist. Dass es Anfang der 1990er Jahre nur 35 Brauereien gegeben hat und nun insgesamt 891 das eidgenössische Terroir beflügeln, sei das Resultat eines erst Anfang der 1990er Jahre aufgehobenen Bierkartells. Bis dahin unterlag das Schweizer Gebräu einheitlichen Anforderungen bezüglich Alkoholgehalt oder Stammwürze.
„Schweizer Bier durfte sich zwischen den Brauereien nicht unterscheiden. Wir standen in den Läden vor untergärigem, gleichem Lagerbier, nur mit 50 verschiedenen Etiketten. Das war eine triste Phase", erinnert sich Philip Bucher, der mit seiner Idee und Leidenschaft für innovatives Bier zur richtigen Zeit am richtigen Ort gewesen ist, den Zahn der Zeit getroffen hat.
Doppelleu erweitert sich schnellSchon bald nach dem Verkaufsbeginn 2013 stößt das inhabergeführte Start-up aufgrund der Nachfrage an seine Kapazitätsgrenzen im alten Sudhaus. Die Weiterentwicklung auf der Winterthurer Manufaktur in eine hochindustrialisierte und digitalisierte Brauanlage mit modernen Lager- und Gärtanks ergänzt mittlerweile das alte Sudhaus.
Ermöglicht wurde der Doppelleu'sche Ausbau beispielsweise durch weitere Finanzinvestitionen aufgrund der Verleihung des Qualitätslabels „SEF. High-Potential KMU" des Swiss Economic Forums (SEF) für Jungunternehmer. Absolute Zahlen publiziert die Brauwerkstatt nicht. „Das ist nicht wichtig. Wir kommunizieren, dass wir 20 Biere in 20 verschiedenen Stilen machen und fokussieren uns auf die Inhalte", so Philip Bucher, erklärt aber, dass das Unternehmenswachstum bei circa 40 Prozent pro Jahr liegt.
Immer noch wird im Schweizer Biermarkt zum größten Teil (76,2 Prozent) Lagerbier gebraut, 10,5 Prozent decken die Spezialbiere ab und 13,3 Prozent gehen auf die Kappe von Spezialitätenbieren wie Weizenbier, Ale, Bockbier, Porter oder Stout. „Diese holen auf, seit der Trend aus dem Ausland zu uns übergeschwappt ist", weiß Christoph Lienert vom Schweizer Brauerei-Verband, denn 2012 habe der Anteil der Spezialitätenbiere nur bei knapp sechs Prozent gelegen. Die 19 Verbandsmitglieder sorgen für 95 Prozent des Ausstoßes, wobei die Big Player wie Heineken oder Feldschlösschen nach wie vor eine dominierende Rolle einnehmen. Die Kreativbier-Brauwerkstatt Doppelleu ist die jüngste Brauerei im Verband und zählt bereits zu den größeren der insgesamt 891 Schweizer Brauereien. „Man muss aber auch sagen, dass man bereits ab einer Menge von 400 Litern Bierproduktion oder ab Bierverkauf als Brauerei registriert ist und 840 Brauereien für weniger als zwei Prozent des Bierausstoßes in der Schweiz verantwortlich sind", so Lienert.
Nicht die Nähe zum Produkt verlierenPhilip Bucher und Jörg Schönberg legen ihre Leidenschaft für spezielles Bier in die Hände ihrer beiden Braumeister, die neben Saisonalitäten vier Mal im Jahr die Brew Master Limited Edition kreieren. Durch gemeinsame Verkostungen und geschmacklich inhaltliche Absprachen wollen die beiden Doppelleu-Gründer die Nähe zum Produkt jedoch nie verlieren.
„Das wollen und dürfen wir nicht. Dafür ist unsere Firma zu klein", so der Macher. Export stehe derzeit noch nicht auf der Doppelleu-Agenda. „Auch wenn wir nicht abgeneigt sind, hat das jetzt keine Priorität", definiert Philip Bucher. Zuerst solle die Marke noch stärker und internationaler bekannt werden. Zudem sei die Ausfuhr von Alkohol aus der Schweiz in EU-Länder kein leichtes Unterfangen.
Mit der Brauerei-Gründung hat sich der Mitvierziger den Lebenstraum erfüllt, ein eigenes Unternehmen zu führen. „Wir hätten es beide gemütlicher haben können, aber dann wären wir heute nicht so glücklich", erklärt Bucher, dessen Plan B - zurück in die „normale" Konzern-Wirtschaftswelt - aus Leidenschaft, einer großen Portion Kraftanstrengung, geschickter Marketing-Strategie und des First Mover Advantage nicht eintreten musste und es wahrscheinlich auch nicht wird.
„Wir haben Ideen für einige Jahre und sind guter Dinge, noch einige Zeit so weiterzumachen", ist die für den diesjährigen „Marketeer of the Year"-Award 2018 des Swiss Marketing nominierte Doppelleu-Hälfte überzeugt.
Photo Credit: Doppelleu