Millionen Frauen weltweit werden durch Beschneidung traumatisiert. In Berlin versuchen Ärzte, Betroffenen zu helfen. Auch durch Operationen.
Berlin-Zehlendorf ist nicht zwingend der erste Ort, an dem man eine Zuflucht für traumatisierte Menschen aus den ärmsten Regionen der Erde erwarten würde. Doch hier, mitten im deutschen Wohlstand, gibt es am Klinikum Waldfriede seit nunmehr zwei Jahren das Desert Flower Center. Seine Patientinnen stammen aus vielen verschiedenen Ländern der Welt, haben aber eines gemeinsam: Als diese Frauen noch kleine Mädchen waren, wurden ihre Genitalien verstümmelt.
Genitalverstümmelung, auch Female Genital Mutilation (FGM) genannt, ist längst zu einem globalen Problem geworden. Genau Statistiken gibt es zwar keine, doch Unicef schätzt, dass 130 Millionen Frauen weltweit durch die radikale Beschneidung der Klitoris ihrer weiblichen Empfindungen beraubt werden. Ein kleiner Teil von ihnen trifft in Waldfriede auf die Chirurgin Cornelia Strunz. Bei ihr können Frauen sich über die Möglichkeiten beraten lassen, die es glücklicherweise gibt, um den Genitalbereich zu rekonstruieren. Teilweise, zumindest.
Strunz' Büro ist mit einem roten Sofa einrichtet, in einem Regal stehen Erinnerungsfotos von Patientinnen. Die rund 60 Frauen, die in den letzten eineinhalb Jahren zu der Ärztin gekommen sind, stammen vorwiegend aus afrikanischen Ländern: Eritrea, Guinea, Kenia, Sierra Leone oder Somalia.
Indonesische Kliniken bieten die Beschneidung zur Geburt an. Als Paket inklusive OhrlochstechenInsgesamt werden in 28 Ländern die Mädchen - vom Kleinkind bis zur Jugendlichen- zum Opfer des grausamen Rituals. Auch in Südostasien und dem Nahen Osten findet die Beschneidung zunehmend statt, in Indonesien gibt es nach Angaben von Terre des Femmes zunehmend sogar Kliniken, die das Ritual gleich nach der Geburt eines Mädchens anbieten - im Paket mit dem Stechen der Ohrlöchern.
Man vermutet jedoch, dass die absichtsvolle Verstümmelung von Frauen ihren Ursprung vor 4000 Jahren in Ägypten hatte und sich von dort immer weiter verbreitete. Obwohl viele der heute betroffenen Frauen Muslima sind, ist der Brauch jedenfalls nicht islamischen Ursprungs. Der Koran schreibt ihn nicht vor.
Auch Naserian ist ein Opfer. Die hochgewachsene, schlanke Kenianerin zählt zu den wenigen Patientinnen in Waldfriede, die von sich aus über ihr Schicksal reden möchten. Doch noch immer empfindet die 47-Jährige große Scham. In ihrer Familie wurde über die brutale Beschneidung eisern geschwiegen - obwohl alle weiblichen Mitglieder davon betroffen sind: ihre Großmutter, ihre Mutter und ihre Schwestern. Das ist in den meisten Familien der Betroffenen so.