So ist das eben im Leben: Das eine führt immer zum anderen. Vielleicht wäre die Produzentenlegende Flood, der zuletzt das synthielastige dritte Editors-Album "In This Light And On This Evening" entscheidend mitgestaltet hatte, noch heute der Bandproduzent ihrer Wahl - hätte er nicht zufällig mit im Raum gestanden, als die Dinge mit Gitarrist Chris Urbanowicz eskalierten. So aber wurde er 2012 zum prominenten Kollateralschaden, und die Editors trennten sich von beiden in einem Aufwasch. Als mit Justin Lockey und Eliott Williams zwei neue Mitstreiter gefunden waren, hätten sie zwar kurz darüber nachgedacht, Flood noch einmal zu kontaktieren, aber letztlich sei die dunkle Wolke des, so Sänger Tom Smith, "ohne Tat mitschuldig geworden zu sein" noch zu präsent gewesen. Smith und Schlagzeuger Ed Lay geben sich auch in Richtung Chris Urbanowicz alle Mühe, dem Freund und Ex-Kollegen ein Arbeitszeugnis auszustellen, das weit über "hat sich stets redlich bemüht" hinausgeht. "Er ist ein Genie", gibt Smith zu verstehen. "Aber er hat eine viel speziellere Auffassung von Musik als wir anderen. Ihm gefallen deutlich weniger Sachen. Was er aber mag, das liebt er." Genau diese Haltung habe zu Problemen im Vorfeld des neuen Albums "The Weight Of Your Love" geführt, berichten die beiden. Urbanowicz, der federführend gewesen war bei dem radikalen Bruch mit Gitarrenrock auf dem Vorgänger "In This Light And On This Evening", wo die Editors plötzlich wie Eurythmics klangen, wollte die Rückkehr zu früheren Prinzipien nicht mittragen. "›The Weight Of Your Love‹ sollte aber wieder anders sein", erzählt Smith. "Uns schwebte eine große, stumpfe Rockplatte vor. Wie ›Automatic For The People‹ von R.E.M. sollte sie klingen." Lay ergänzt: "Wir wollten den Songs an die Kehle gehen und diesmal nicht so arty sein." Urbanowicz konnte trotz Zuredens nicht von seinen Ideen loslassen. Darum ließ die Band ihn los.
King ist der neue FloodAuf Flood folgte als Produzent Jacquire King, der bereits zusammen mit Kings Of Leon, Norah Jones und Modest Mouse gearbeitet hat. King lud die neu geformten Editors in seine Heimat Nashville ein, wo die Band sechs Wochen lang an den Stücken arbeitete. "Amerika kam uns sofort wie der richtige Ort für die Aufnahmen vor", erinnert sich Smith. "Ich hab die letzten zehn Jahre hauptsächlich damit verbracht, in Interviews zu erzählen, wie sehr ich R.E.M. verehre. Die Bands, die ich seitdem lieben gelernt habe - Arcade Fire, The National, Spoon -, kommen alle ebenfalls aus Nordamerika. Keine Ahnung, warum es mir schwerer fällt, mich in britische Bands zu verlieben, amerikanischer Musik haftet etwas Romantischeres an."
Der Sound, den die Band gemeinsam mit King entwickelte, sollte "groß und episch klingen, ohne dabei Snow Patrol zu sein", erklärt Smith die Vorgabe im Studio. Und das, wo die Editors doch umgängliche Personen sind, die keinem etwas anhaben können. Andere Kollegen wie The Maccabees und Elbow nennen sie liebevoll britisch "Mates".
Mit Filmkomponist Clint Mansell haben sie für einen Song auf "The Weight Of Your Love" einen befreundeten Exil-Briten gewinnen können. Mansell, der wie die Editors aus Birmingham stammt und mittlerweile in Los Angeles ansässig ist, hat beispielsweise die Soundtracks zu den Filmen "Requiem For A Dream" und "Moon" komponiert und schrieb nun für das zentrale Stück des neuen Editors-Albums, "Nothing", ein Streicher-Arrangement. "Ich mag, wie er sich in Hollywood eingeschlichen hat und dort jetzt der Mann für die düsteren Sounds ist", erzählt Smith. "Ich hab das Gefühl zu verstehen, was er da macht und dass es nicht so weit weg ist von dem, was wir versuchen."
Durch die Zusammenarbeit mit Jacquire King ist "The Weight Of Your Love" keinesfalls die puristische Rückkehr zum Pathosrock der ersten beiden Alben geworden. Das neue Album wirkt einfacher und mehr von Instinkten geprägt: Wenn der Song nach Lautstärke begehrt, dann bekommt er sie eben. Und wenn er Bläser und Streicher bedarf, dann werden sie aufgenommen. "Die Rückkehr zur Gitarre haben wir nicht als Kurskorrektur nach einem vermeintlichen Ausrutscher verstanden", bilanziert Jay. "Vielleicht machen wir in zehn Jahren sogar ›In This Light And On This Evening Vol. 2‹ mit Flood." Ein Lippenbekenntnis zum langen Atem, das zur Vorliebe der Editors für Bands mit "Ausdauer und Arbeitsmoral" passt, wie Smith es formuliert. Gemeint sind Acts der Liga Depeche Mode, U2 und The Cure, "die einfach Platten aufnehmen, ihr Ding machen und sich nicht groß darum scheren, was um sie herum abgeht". Jay ergänzt die Liste noch um Fleetwood Mac, mit dem Hinweis, die Editors bräuchten noch mehr Beziehungsknatsch, für den die Westcoast-Pop-Band ja neben ihren bestverkauften Alben der Popgeschichte auch noch bekannt sei. "Schließlich haben die aktuellen Trennungen bei dem neuen Album Wunder bewirkt." Spricht es aus und bricht gemeinsam mit Smith in Gelächter aus. Die Trauerphase ist wohl überwunden.