Gelernt ist gelernt
Chad Vaccarino und Ian Axel sind als A Great Big World zwar Newcomer, doch das New Yorker Duo weiß schon genau, wie der Hase läuft. Und das liegt nur ein bisschen an Christina Aguilera.
Chad, Alex, wenn man als Duo unterwegs ist, bringt das sicher einige Einschränkungen mit sich, oder?
Ian Axel: Um das zu vermeiden, haben wir immer eine Band dabei, wenn wir
live spielen. Einen Schlagzeuger, Gitarristen und Bassisten, die uns
auch stimmlich unterstützen. Aber du hast Recht: Wir sind die einzigen,
die die Songs schreiben. Und was passiert, wenn ihr euch wegen eines
Songs streitet?
Axel: Das kommt andauernd vor ... Wir sind wie Brüder, wir kabbeln uns
ziemlich oft. Glücklicherweise ist unsere Beziehung aber so eng und gut,
dass das nie zum Hindernis wird beim Songwriting. Wir diskutieren alles
aus und kommen schnell drüber hinweg. Das sind aber meist nur
Kleinigkeiten. Bei uns fühlt es sich an, als wären wir eine Person, eine
Stimme im Schreibprozess. Wenn einer was nicht mag, vertraut der andere
seinem Urteil.
Interessant ist auch, dass ihr euch beim Studium des Musikbusiness
kennengelernt habt. Normalerweise hassen Künstler doch die geschäftliche
Seite ihres Jobs.
Axel: Wir waren im Herzen natürlich auch während des Studiums kreative
Geister, aber uns hat noch das Selbstvertrauen gefehlt, um allein darauf
zu bauen. Wir haben durch das Studium viel über Verträge, Klauseln,
Promotion und die ganze rechtliche Seite der Musik gelernt. Das war
total hilfreich, denn wir wussten immer, worauf wir achten mussten, wenn
wir etwas unterschreiben. Außerdem sind die Connections sehr hilfreich,
denn unsere Kommilitonen, die in der geschäftlichen Abteilung geblieben
sind, kennen uns natürlich noch.
Dann hat euer großer Erfolg nicht nur mit Glück zu tun?
Axel: Wir haben ein sehr solides Fundament, auf dem wir aufbauen können,
aber das hat nicht nur mit dem Studium zu tun, auch mit Familie und
Freunden, einem Netz aus Menschen, die uns helfen, damit wir erfolgreich
sein können. Aber klar hatten wir auch eine Menge Glück und vertrauten
darauf, dass sich die harte Arbeit und die Geduld letztlich auszahlen
werden. Und dann wurde unser Song "Say something" ein Hit - und auf
dieser Welle reiten wir nun.
Dabei hat sicher auch geholfen, dass eure Musik in den USA in TV-Shows
wie "One Tree Hill" oder "The amazing Race" und auf ESPN eingesetzt
wurde. Fürchtet ihr nicht, dass die Songs durch diese Dauerpräsenz
Leuten auf die Nerven gehen könnten?
Axel: Diese Shows sind ein Grundstein unserer Karriere! Dank eines Song,
den die Kids in der Teenieserie "Glee" gecovert haben, wurden wir bei
unserem Label Epic unter Vertrag genommen. Vorher hatte Christina
Aguilera "Say something" bei der Show "So you think you can dance"
gehört und nahm ihn daraufhin noch einmal mit uns gemeinsam auf. Wir
wählen trotzdem sehr sorgfältig aus, wo unsere Musik benutzt wird.
Chad Vaccarino: Klar, wenn Singles im Radio und in Shows gespielt
werden, ist der Hype eine Zeit lang groß und ebbt dann eben wieder ab.
Trotzdem bleiben gute Songs irgendwie doch über die Zeit präsent. Und
wenn unsere Lieder den Leuten auf die Nerven gehen, ist das eben so, ist
auch okay. Aber hoffentlich wird das nicht passieren.
In welcher Show würdet ihr denn zu gerne mal einen Song von euch platzieren - und wo würdet ihr euch gar nicht hören wollen?
Axel: Unsere Traumshow dafür war tatsächlich "Glee". Chad und ich kommen
vom Musiktheater und lieben Musicals. Als das passiert ist, waren wir
überglücklich. Noch ein Song in der Serie wäre super! Und wo würden wir
nicht gespielt werden wollen, Chad?
Vaccarino: Ich hab keine Ahnung ... Ehrlich gesagt hatten wir bis vor
kurzem nicht mal einen Kabelanschluss! Wir haben uns den erst besorgt,
um die Shows sehen zu können, bei denen unsere Musik gespielt wird ...
Eure erste EP habt ihr mit einer Kickstarterkampagne finanziert. Gehört
das Realisieren von Platten durch Unterstützer inzwischen zum Einmaleins
der Musikbusinessschule?
Axel: Alle unsere Freunde haben Kickstarter genutzt und waren recht
erfolgreich damit. Ich war eine Zeit lang als Solokünstler bei einer
Plattenfirma unter Vertrag, die aber leider Bankrott ging. Wir hatten
also keine Unterstützung und kein Geld zum Leben oder für unsere Musik,
als wir das gestartet haben - aber schon eine kleine Fanbasis, die uns
helfen wollte. Deswegen haben wir auch die Belohnungen besonders
persönlich und einzigartig gestaltet. Es sollte etwas Besonderes sein.
Ist diese Art des Finanzierens von Musik in Zeiten kriselnder Plattenfirmen vielleicht die Zukunft?
Vaccarino: Ich glaube, es ist genau das, was der Name impliziert: ein
Kickstart, ein erster Schub, der die Dinge ins Rollen bringen kann.
Gerade für Indiemusiker funktioniert das total, denn es ist auch ein
Weg, deine Fans mit einzubinden und so für deine Band zu begeistern. Ich
glaube nicht mal, dass es die Zukunft ist, sondern längst Alltag im
Musikgeschäft - und sich noch lange halten wird.
Was ist mit Kritikern, die sagen, dass so auch gern den Leuten Geld aus
der Tasche gezogen wird von Künstlern, die auch ohne diese Hilfe Platten
aufnehmen könnten? Dafür sind nun mal große Plattenfirmen da, bei denen
manche schon unter Vertrag stehen.
Axel: Tatsächlich kommt das immer auf den Vertrag an. Uns wurden einige
angeboten, die sehr unfair waren oder bei denen die Firmen stark in
unsere Musik eingreifen wollten. Wenn ein ziemlich unbekannter Künstler
einen Plattenvertrag unterschreibt, gibt er eine Menge seiner Rechte
auf. Und um seine Miete zahlen zu können und vorwärts zu kommen, braucht
es oft gar keinen Knebelvertrag, das geht auch in Eigenregie.
Die Frage ist, ob man dann auch so einfach an Duettpartner wie Christina
Aguilera kommt. Mit wem, tot oder lebendig, würdet ihr denn noch gerne
einen Song aufnehmen?
Vaccarino: Mit den Beatles! Die Beatles sind die größte Inspiration
meines Lebens, und es wäre total verrückt, wenn ich einen Song mit ihnen
aufnehmen könnte - nichts wäre großartiger.
Axel: Und lebendig: Ryan Tedder von OneRepublic. Er ist einer der besten
Songschreiber zurzeit und hat eine Menge unserer Lieblingslieder
geschrieben. Er ist gerade auf Welttournee, aber hoffentlich wird das
mal passieren, wenn wir und er wieder Zeit haben.
30.01.2014
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