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Les Flâneurs | Neuköllner Neopop: „Love Is A Fridge" von Me and my Drummer

Me and my Drummer.

Fragt man Musiker, bedienen sie selten ein spezifisches Genre, singen über keine bestimmten Themen und halten ihr Werk für völlig zeit- und ortlos. Alles soll möglichst universell, auf das Leben am besten jedes Hörers übertragbar sein. Die Menschen auf der Bühne wollen natürlich Persönliches loswerden, sich aber nicht offenbaren und verletzlich machen. Dabei sind es häufig genau diese Alben, die aus der Masse herausstechen und einen besonderen Eindruck hinterlassen, die eben doch auf gewisse Weise unverwechselbar spezifisch werden. Die offensichtlich geprägt sind durch Zeit und Ort. Gerade bei den Großstädten, die uns interessieren, fallen da schnell Beispiele ein. Interpols „Turn On The Bright Lights" etwa, das New York City nicht nur in Stücken wie „NYC" in seiner emotionalen Zerrissenheit spürbar macht. Oder Björks „Homogenic", das sie nach mentalen Zusammenbrüchen im spanischen Exil aufnahm und ihr „patriotisches" Album nennt - weil es dramatische Streicher und vulkanische Beats vereint, ihre Sehnsucht nach der wilden Natur vor den Toren Reykjavíks verdeutlicht. Und natürlich David Bowies Berlin-Trilogie „Low", „Heroes" und „Lodger", die ihn in kreative Superlative katapultierte. Unumstößliche Musikgeschichte.


Großstädte machen etwas mit Menschen, und besonders mit Künstlern. Auch mit Me and my Drummer. Das ursprünglich aus Dortmund und Tübingen stammende Duo traf bei Soundtrackarbeiten fürs Theater aufeinander. Dort setzten die beiden langsam zusammen, was als Demos und auch gemeinsame Ideen zu ihrem gefeierten Debüt „The Hawk, The Beak, The Prey" wurde. Charlotte Brandi (Gesang, Keyboard, Gitarre) und Matze Pröllochs bringen nun, vier Jahre später, ihr zweites Album heraus: „Love Is A Fridge". Und dies ist unüberhörbar ihr Berlin-Album, denn die beiden leben inzwischen im Stadtteil Neukölln der Hauptstadt. Pröllochs in Rixdorf, in einem „Ring von kleinen Sträßchen, der sehr klein, gemütlich und ruhig ist", perfekt für ihn, wie er sagt. Brandi hingegen wohnt „in der Nähe der Hasenheide. Es ist eine gute Mischung aus Hipsterstudenten, echten Linken und eben Überzeugungstätern. Auch wenn ein paar Schnösel dabei sind. Da wird es aber gerade sehr lebendig und nett". Das verrieten die beiden bei einem Gespräch vor mehr als zwei Jahren beim Iceland Airwaves Festival 2013 ( hier in Gänze nachzulesen), bei dem sie komplett ohne Keyboards und wohl erstmals nur mit Gitarre und Schlagzeug auftraten.


Auch neue Songs gab es damals zahlreich zu hören, durch das Setup schien es zwangsweise, als werde aus der Pop- eine Bluesband. Sogar die erste Singleauskopplung „Blue Splinter View" legte dies mit langsamer Gitarre und Americana-Feeling Ende 2015 nahe. Ein Fehlschluss, denn bis auf wenige Songs, die sie 2013 schon spielten, geht „Love Is A Fridge" in eine ganz andere Richtung - sie gibt sich vollends dem Elektropop hin. Songs wie „Gun" oder „Traces In The Sand" sind so direkt und in flirrenden Synthesizern arrangiert, dass sie anfangs fast irritieren, so schwerelos klingen sie an. Es wirkt tatsächlich so, als hätten Brandi und Co. in Berlin ihre Spielwiese gefunden. Die Stadt sei „eine Art Kindergarten für Berufsjugendliche", sagte Brandi, und so klingen viele der Stücke wie ein Sammelsurium an Eindrücken der Hauptstadt.


Das funktioniert nicht immer gleich gut. „Tie Me Bananas" etwa oder „Easy On Me" wirken wie die großen Straßenzüge, in denen sich Dönerladen an Handyshop an Einkaufsmeile reiht, leicht beliebig und austauschbar, bar jeglicher Höhepunkte. Ein einfacher Housebeat darunter gemischt und plötzlich fänden sich Me and my Drummer in einem den vielen Berliner Elektroclubs wieder, die gefühlt alle das Gleiche spielen. Für die hip Kids, wie das Coverartwork, in gesättigten und doch pastelligen Farben, kontrastlos, eine Mode wie sie Anfang der 2000 wiederkam und nicht verschwinden möchte. Brandis Stimme wechselt oft innerhalb der Stücke mehrfach die Tonlage und ist dauernd mit Effekten belegt, was ihre an sich starke Ausdruckskraft manchmal auf ein Minimum reduziert. Die sonst so unübehörbare emotionale Dringlichkeit wie in „Rain Kids" oder „Down My Couch" von vor vier Jahren gibt es auf „Love Is A Fridge" in der Form nicht, was für manchen Verehrer der Musik des Duos eine lange Gewöhnungsphase an das neue Album bedeuten wird.


Ihre größten Stärken entfalten Me and my Drummer auf „Love Is A Fridge" aber, wenn sich der Horizont über der Stadt öffnet, denn bezeichnenderweise sind die besten Stücke des Albums nach anderen Orten benannt. „Pentonville Road", eine zentrale Straße in der Londoner City stellt die Unruhe der vorangegangen Lieder zurück und stellt zum unerhört eingängigen Refrain ein konzentriertes Melodiefundament, auf dem auch Pröllochs Schlagzeug das erste Mal wieder kräftig und erdend wirkt. Fast drohten schon „She and her Drummachine". Doch hier fühlt es sich an, als hätte man sich durch die Tristesse der Hauptstraßen an den Richardplatz gekämpft, ein kleiner atmender Fleck Grün. Es schließt sich das Highlight der Platte, „Prague I & II" an, das im flehenden ersten Teil einen starken Rhythmus und mit Brandis „I wasn't good enough, you were not good enough for me" eine Schlüsselzeile des Albums auffährt. Nicht nur brennt sich das ein, sondern hat eben auch jene gefühlvolle Offensive, die dem Duo am besten steht. Im zweiten Teil des Liedes, eingeleitet und vorangetrieben durch Streicher und unwiderstehliche 70s-Popdrums, wähnt man sich nach dem urbanen Tal der Neuköllner Tristesse auf dem Dachgarten des „Klunkerkranich" - hier hat man die Stadt noch im Blick, aber dieser kann schweifen. Es ist die Weite, der Raum, der den Songs so gut tut, wenn wie auch in „Nuts" das hibbelige, überreizte Wesen der Strophen sich dem eigentlichen Kern des Refrains ergeben muss. Wenn das Gesäusel in Kopfstimme in „Grown Up Shape" dem verzerrten „Leave me alone with all my cheap dreams, ‚cause you don't know me" weicht und Klartext gesprochen wird. Dann verschmelzen die Blueseinflüsse mit dem gewohnt und geliebten pointierten Songwriting, welches auch das Debütalbum ausmachte. Am besten ist „Love Is A Fridge" letztlich, wenn es Berlin vergisst.


Zu viel Berlin oder zu wenig? Schildert uns gerne eure Eindrücke zum Album - und damit das besser geht, liefern wir die Musik. Wenn ihr ein Exemplar von Me and my Drummers „Love Is A Fridge" auf schickem weißem Vinyl gewinnen wollt, schreibt uns eine E-Mail mit dem Betreff „Me and my Drummer" an redaktion@lesflaneurs.de mit dem Namen und der Adresse, an die das gute Stück gehen soll. Einsendeschluss: 14.2.16, 23.59 Uhr. Viel Glück! Zum Original