2 Abos und 0 Abonnenten
Artikel

Zur Wirksamkeit von Fahrerassistenzsystemen - Aktuelle Erkenntnisse der AZT Unfallforschung

Vom Bagatellschaden bis zum schweren Unfall mit Personenschaden leisten Fahrerassistenzsysteme wie ABS und ESP schon heute einen großen Beitrag zur Verkehrssicherheit. Das Allianz Zentrum für Technik begleitet die Entwicklung neuer Systeme durch regelmäßige Unfallanalysen. Die aktuellen Ergebnisse zeigen, dass das Wirksamkeitspotential noch lange nicht ausgeschöpft ist. 

Von 2001 bis 2010 ging die Zahl der Verkehrstoten in der EU um 40 Prozent zurück. Rund 80.000 Menschenleben konnten durch verschiedene Fahrerassistenzsysteme, wie ESP, gerettet werden. Für 2020 streben die EU Mitgliedsländer erneut eine Halbierung der Zahl der Verkehrstoten an. Weiterhin werden aktive, elektronische Komfort- und Sicherheitssysteme dabei eine zentrale Rolle einnehmen. Ein wichtiger Schritt ist die sukzessive gesetzliche Einführung von ESP für neue Pkw, Busse und Lkw, sowie von automatischen Notbrems- und Spurhaltesystemen für LKW und Busse.

Um die Akzeptanz von Fahrerassistenzsystemen (FAS) beim Autofahrer und somit die Ausrüstungsrate zu erhöhen, werden diese stetig weiterentwickelt und optimiert. In diesem Zusammenhang analysiert die Unfallforschung im Allianz Zentrum für Technik (AZT) kontinuierlich Unfälle und Schadenfälle. Die Zusammenarbeit mit Automobilherstellern, Zulieferern und Forschungsinstituten in gemeinsamen Projekten liefert dabei regelmäßig wichtige Forschungsergebnisse und dient vor allem der Abschätzung der Wirksamkeit von Fahrerassistenzsystemen.

Aufgaben und Ziele der AZT Unfallforschung

Die Unfall- und Schadenforschung des Allianz Zentrums für Technik fußt auf bereits geschehenen Unfällen. Allein der Allianz werden Jahr für Jahr über eine Million Kraftfahrzeughaftpflicht-, Teilkasko- und Vollkaskoschäden gemeldet, die somit in Datenbanken für die Schadenbearbeitung vorliegen. Da die dazu erfassten Felder und Merkmale für die Belange der Unfall- und Schadenforschung nicht ausreichend sind, werden diese Datenbanken im AZT manuell ausgewertet und analysiert, um daraus Schadensverhütungsmaßnahmen abzuleiten. 

In den elektronischen Schadenakten sind neben Schadenmeldebogen und Fahrzeuggutachten je nach Schwere des Unfalls zusätzliche Verkehrsunfallanzeigen, Gutachten mit Unfallskizzen und Bildern, medizinische Gutachten und Berichte, sowie Anwalts- und Gerichtskorrespondenz enthalten. Daneben ziehen die Spezialisten am AZT neuerdings auch Erkenntnisse aus dem Internet: Google Maps und Street View verschaffen einen Überblick über den Unfallort. 

Wirksamkeitspotentiale heute und morgen bei Unfällen mit Personenschaden

Nach der Einführung des Sicherheitsgurts in den 70er und 80er Jahren gilt heute ESP als Lebensretter Nummer 2. Mit flächendeckender ESP-Ausrüstung könnten bis zu 25 Prozent der Unfälle mit Personenschaden und bis zu 40 Prozent der tödlichen Unfälle vermieden werden. Notbremssysteme zur Vermeidung von Auffahrunfällen reduzieren schon heute Unfälle mit Personenschaden um 5-10 Prozent. 

Aktuell fördert das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie die Forschungsinitiative AKTIV – Adaptive und Kooperative Technologien für den Intelligenten Verkehr. Das AZT führte dafür, zusammen mit der Hochschule München, Unfallstruktur- und Wirksamkeitsanalysen durch. Anhand von 1700 Pkw- und 500 Lkw-Haftpflichtschäden wurde das Wirkpotential von vier in der Entwicklung befindlichen Fahrerassistenzsystemen untersucht.

Untersucht wurden die intelligenten und optimierten Fahrerassistenzsysteme „Aktive Gefahrenbremsung“ (AGB), „Kreuzungsassistenz“ (KAS), „Integrierte Querführung“ (IQF) und „Sicherheit für Fußgänger und Radfahrer“ (SFR). Das Wirkpotenzial der einzelnen FAS wurde sowohl auf das jeweilige Wirkfeld als auch auf alle Unfälle bezogen.

 - Aktive Gefahrenbremsung: Der Bremsassistent kann je nach Gefahrensituation zwischen 33 und 42 Prozent aller Unfälle vermeiden. Bezogen auf das Wirkfeld - stehende Hindernisse und andere Verkehrsteilnehmer - sogar zwischen 73 und 95 Prozent. Damit wäre es in etwa so effektiv wie ESP.

- Kreuzungsassistenz: Die sensorbasierte Umfelderkennung könnte 28 Prozent aller Unfälle vermeiden, im Wirkfeld 84 Prozent. Bei einer zusätzlichen Fahrzeug-Fahrzeug-Kommunikation erreicht man im Wirkfeld perfekte 100 Prozent, was einem Anteil von 33 Prozent bei allen Unfällen entspricht.

- Integrierte Querführung: Diese greift dann ein, wenn der Fahrstreifen unbeabsichtigt verlassen wird. Diese Unfallart tritt im Vergleich zu den beiden vorher genannten relativ selten auf. Je nach Geschwindigkeit des Fahrzeugs lassen sich bis zu 6 Prozent aller Unfälle bzw. 95 Prozent im Wirkfeld vermeiden. 

- Sicherheit für Fußgänger und Radfahrer: Dieses System soll die Sicherheit für die schwächsten Verkehrsteilnehmer v.a. im innerstädtischen Verkehr erhöhen. Im Wirkfeld kann es bis zu 22 Prozent der Unfälle vermeiden, etwa 3 Prozent aller Unfälle.

Die Studie des AZT kam zusammenfassend zu dem Ergebnis, dass bei flächendeckender Ausstattung mit allen vier untersuchten AKTIV-Systemen rund die Hälfte der Pkw- und Lkw- Unfälle mit Personenschaden in Deutschland vermieden, bzw. deren Schwere reduziert werden kann. Die elektronischen Helfer reduzieren aber nicht nur menschliches Leid: Die deutsche Volkswirtschaft könnte die so eingesparten 7 Milliarden Euro Unfallfolgekosten weitaus sinnvoller einsetzen.

Einsparpotential bei Kleinschäden

Zusätzlich zur Analyse von der Allianz gemeldeten Unfällen entstand am AZT eine Studie, die nicht gemeldete Bagatellschäden untersuchte. Diese sind mehr als zehnmal so häufig wie Unfälle mit Personenschaden. Auch diese Kleinschäden können mit wirksamen Fahrerassistenzsystemen vermieden werden, was vor allem für Flottenbetreiber neben der erhöhten Sicherheit der Mitarbeiter einen nicht unerheblichen betriebswirtschaftlichen Nutzen bringt. 

Vor diesem Hintergrund hat das Allianz Zentrum für Technik im Jahr 2010 in Zusammenarbeit mit der TU München kleine Sachschäden bzw. Bagatellschäden anhand realer Unfälle analysiert und zusätzlich eine Befragung von Autofahrern durchgeführt, um abzuschätzen, welches Potential Fahrerassistenzsysteme in diesem Schadensegment haben.

Mehr als 500 Allianz Kfz-Haftpflicht- und Vollkaskoschäden mit einem Aufwand bis 500 Euro dienten dieser Studie als Grundlage. Außerdem erfolgte eine Befragung von 800 Autofahrern in München und Frankfurt. Fast ein Viertel der Befragten gab an, innerhalb der letzten fünf Jahre einen Bagatellschaden mit durchschnittlichen Kosten von 600 Euro gehabt zu haben, der weder der Polizei noch der Versicherung gemeldet wurde.

Die Hochrechnung auf den gesamten Pkw-Bestand in Deutschland ergibt beeindruckende Zahlen. Demnach kam es 2009 zu etwa 4,8 Millionen Kleinschäden mit einem Gesamtschaden von rund 2,9 Milliarden Euro. Über 80 Prozent dieser Unfälle hätten mit Parkassistenz- oder Notbremssystemen vermieden werden können. Das Einsparpotential liegt bei etwa 3,5 Millionen Unfällen mit einem Gesamtschaden von über 2,1 Milliarden Euro. Diese hohen Beträge zeigen, wie sehr Kleinschäden unterschätzt werden. 

Auch Lkw- und Motorrad-Fahrer profitieren von der Forschung des AZT 

Weiter untersuchte das Allianz Zentrum für Technik u.a. im Rahmen des Projekts „Safe Truck“ die Wirksamkeit der Systeme ESP, Adaptive Cruise Control (ACC) und Lane Departure Warning (LDW) für Lkw. Mit ESP ließen sich 8 Prozent der schweren Unfälle vermeiden. Die Wirksamkeit von ACC liegt in der Gesamtstatistik bei 7 Prozent. Auf Autobahnen erzielt dieses System mit etwa 70 Prozent eine weit höhere Quote. LDW, der Spurverlassenswarner, kann bis zu 4 Prozent schwere Unfälle vermeiden helfen. Man sieht, dass auch in der Lkw-Technik noch einiges möglich ist.

Motorradfahrer sind im Straßenverkehr mangels schützender Knautschzonen besonders gefährdet. Immerhin können durch ABS 10 Prozent der Motorradunfälle mit schweren Personenschäden vermieden werden. Wenn alle Motorräder mit ABS ausgerüstet wären, könnten pro Jahr allein in Deutschland knapp 7000 Unfälle mit Verletzungen vermieden werden. Die Allianz versucht, mit Beitragsnachlässen für Motorräder mit ABS, die Akzeptanz und Verbreitung dieses Systems zu erhöhen.

Hand in Hand mit Industrie, Forschung und Politik

Seit mehr als 40 Jahren treibt die Allianz mit dem Allianz Zentrum für Technik wichtige Themen der Verkehrssicherheit voran. In den 70er und 80er Jahren waren es noch passive Systeme, wie der Sicherheitsgurt, die durch Öffentlichkeitsarbeit populär gemacht wurden. Heute sind es vor allem aktive Systeme, die die Fahrzeugsicherheit erhöhen.

„Die Allianz versteht sich auch weiterhin als aktiver Partner der Automobilwirtschaft mit Themen der Reparatur-, Sicherheits- und Unfallforschung. Ein Kernthema dabei ist die aktive Fahrzeugsicherheit. Effektive Fahrerassistenzsysteme können Leib und Leben schützen,“ heißt es von Seiten der Versicherung. 

In der Unfallprävention engagiert sich die Allianz in vielen Bereichen: Neben der Zusammenarbeit mit nationalen als auch internationalen Automobilherstellern, Zulieferern und Hochschulen trägt sie durch Öffentlichkeitsarbeit und Publikationen zur Aufklärung und Sensibilisierung der Verkehrsteilnehmer bei. 

Seit 2005 wird der Allianz Sicherheitspreis Genius für innovative technische Entwicklungen und effektive Fahrzeugsicherheitssysteme vergeben. Und auch politisch ist die Allianz engagiert: „Die AZT Automotive GmbH hat die EU Charta für Straßenverkehrssicherheit unterzeichnet und verpflichtet sich damit zu kontinuierlich fortgeschriebenen Aktivitäten auf den Gebieten der Straßenverkehrssicherheit, Unfallforschung und Schadenverhütung, mit dem primären Ziel, Unfälle mit Personenschäden zu vermeiden oder deren Folgen zu mindern.“ 

Man darf also gespannt sein, über welche Sicherheitssysteme unsere Fahrzeuge in Zukunft verfügen. Allerdings sollte man auch der fortschrittlichsten Technik nicht blind vertrauen. Die beste Maßnahme zur Unfallverhütung ist immer noch eine vorausschauende, besonnene, der Situation angepasste Fahrweise. 

(Im Auftrag der Allianz Versicherungen entstanden)