Michael F. Basche

Journalist / Redakteur • Dipl.-Golfbetriebsmanager • Autor • Blogger •...

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Über den Wolken: Arnie und der moderne Grand Slam

1960, irgendwann Ende Juni, irgendwo zwischen New York und Dublin: In einem dieser modernen Düsenflugzeuge, die neuerdings über den Atlantik jetten, räsonieren drei Männer über das ganz große Ding im Golf. So eins, wie es Bobby Jones 1930 geschafft hat. Einer der drei ist passend zu Flughöhe auf dem Höhenflug: Arnold Palmer träumt vom „The Impregnable Quadrilateral". Vom „unbezwingbaren Viereck", wie Bobby Jones' Haus- und Hof-Reporter O.B. Keeler es damals nannte, bevor er beim Bridge klaute und das Wort-Ungetüm in Grand Slam umtaufte.


Palmer ist auf dem Weg zur World Team Championship mit Sam Snead in Portmarnock. Vor allem aber zur British Open in St. Andrews. „The King" will auch so ein ganz großes Ding. Den ganz großen Wurf. Doch der Grand Slam wie Jones ihn vor 30 Jahren gewann, die offenen amerikanischen und britischen Meisterschaften sowie deren Amateur-Pendants als bedeutendste Turniere seiner Zeit, ist mächtig verstaubt. Die beiden Amateurs haben an Bedeutung verloren und fallen für einen Professional eh aus, die British Open ist aus amerikanischer Sicht bloß noch ein skurriles Turnier auf den Schlechtwetter-Inseln jenseits des großen Teichs, schwer zu erreichen, mies dotiert und mithin zumeist ein Verlustgeschäft. Das Masters und die US Open bestimmen den Pulsschlag im Welt-Golf.


Für Palmer indes ist die Open Championship eine Frage der Ehre, gehört unabdingbar zur Reverenz an die Tradition des Spiels. Und Palmer ist der Nachfolger des großen Ben Hogan als bester Golfer seiner Zeit. So 'was verpflichtet. 1953 hat Hogan das Masters und beide Open gewonnen. „Triple Crown" nannte man das. Den „Slam" hätte der Texaner gar nicht schaffen können: British Open und PGA Championship lagen damals, als man noch über den Ozean „dampfern" musste, zeitlich zu dicht beieinander.


Aber von einem möglichen Grand Slam für Hogan sprach ohnehin niemand. Es gab ihn ja nicht mehr. Die Amateur-Championate waren den Profis nicht zugänglich, dafür galt das Masters schon seit der Erstinszenierung 1934 als Major. So gesehen hatte Hogan mit der „Triple Crown" die wichtigsten Turniere seiner Zeit gewonnen. Erst heute, rückwirkend, sortieren die Golf-Chronisten derlei Ereignisse wieder in die Grand-Slam-Schublade ein. Wegen Palmers „Erfindung".


Höhenflug über dem Atlantik


Arnie witterte nämlich seine Chance. Der 30-Jährige war frisch gebackener Masters- und US-Open-Champion. Bester Golfer seiner Zeit. Von Medien und Massen als „The King" gefeiert. Strotzend vor Selbstbewusstsein. Hogans „Triple Crown" winkte. Vielleicht sogar mehr. Ein bisschen Gin Tonic aus dem Fundus von Pan American oder TWA dürfte Denkhilfe geleistet haben, als Palmer über den Wolken mit seinem Journalisten-Freund Bob Drum von der Pittsburgh Press und dem Turnier-Impresario Fred Corcoran, einer Art Don King des Golfsports, vom „unbezwingbaren Viereck" für Professionals schwadronierte.


Es musste halt nur ein viertes Major her. Aber das war schnell gefunden: Die US-Meisterschaft der Professionals, die PGA Championship. Natürlich. Drum war der eigentliche Initiator. Er hatte Palmer mit der Bemerkung geneckt, dass der Triumph von Bobby Jones für den „King" trotz aller Erfolge und Perspektiven letztlich unerreichbar sei. Nach der Landung machte der Journalist die Schnaps-Idee umgehend publik. PGA-Präsident Harold Sargent nahm dankend an. Der moderne Grand Slam war geboren.


Über die beiden Open und ihren grundsätzlichen Stellenwert als Meisterschaften der Weltautoritäten in Sachen Golf, des Royal & Ancient im schottischen St. Andrews und der United States Golf Association (USGA), muss man kein Wort verlieren. Sie sind gesetzt. Das Masters ebenso. Dieses „Golf-Hochamt" in Augusta wurde von Bobby Jones und seinem Partner Clifford Roberts quasi als Major konzipiert. Es war ein Einladungsturnier für die besten Amateure und eine handverlesene Auswahl von Professionals. Jones hatte die Zeichen der Zeit erkannt, sah das Profitum unaufhaltsam kommen, nicht zuletzt deshalb erklärte der überzeugte Amateur unmittelbar nach dem Gewinn des Grand Slam seinen Rücktritt vom Turniergolf.


Aber auch wenn Professionals wie Old Tom Morris die Entwicklung des Spiels prägten: Golf war bis zum Zweiten Weltkrieg vor allem eine Angelegenheit der Herren von Stand, der Amateure. Die Pros - seit 1916 in der PGA organisiert - dominierten zwar den Sport, waren aber in erster Linie Bedienstete der Clubs, fahrendes Volk, bestenfalls Attraktionen bei Schauturnieren.


Alle haben so angefangen: Snead, Sarazen, Hagen, Nelson, Hogan. Als Caddies. Später als Teilzeit-Pros in den Clubs. Dort verdienten sie ihre Lebensgrundlage und tingelten über die Tour, um durch sportliche Meriten bessere Jobs zu bekommen.


Reich wurde auch ein Ben Hogan mit Golf erst viel später. Vor Arnold Palmer und dem vom Fernsehen befeuerten Profi-Boom ernährte der Zirkus seine Akteure zumeist mehr schlecht als recht. Bei der US Open 1950 im Merion Golf Club beispielsweise standen 4.000 Dollar auf Hogans Siegerscheck, sein Open-„Auswärtssieg" in Carnoustie 1953 wurde gar nur mit 500 Pfund (1.400 Dollar) honoriert. Zum Vergleich: 1960 kassierte Palmer für den Gewinn der „Offenen Amerikanischen" im Cherry Hills Country Club immerhin schon 14.400 Dollar.


Berufsspieler im Fokus


Als Sohn des Greenkeepers und späteren Pros im Latrobe Country Club kannte Arnold Palmer die Zweiklassen-Gesellschaft im Golf nur zu gut. Und als Idol seiner Epoche wusste er den Hype zu nutzen. Es hätte statt der PGA Championship auch ein anderes Turnier sein können: Die seit 1899 ausgetragene Western Open, heute bekannt als BMW Championship, zum Beispiel war mindestens so prestigeträchtig.


Aber Palmer wollte die Berufsspieler in den Fokus rücken, ihren Status stärken, seiner Gilde die gebührende Würdigung verschaffen. Das und sein vom frischen Ruhm genährter Ehrgeiz waren die Beweggründe hinter der Kreation des modernen Grand Slam.


Palmer wurde in St. Andrews bei der Open übrigens Zweiter. Die PGA Championship 1960 im Firestone Country Club von Akron beendete er als Siebter. „The King" gewann in Lauf seiner grandiosen Laufbahn sieben Majors. Aber der Grand Slam, selbst der Karriere-Grand-Slam, blieb ihm verwehrt. Denn die PGA Championship, die er selbst zum Major machte und deren 96. Auflage jetzt ansteht, hat Palmer nie gewonnen.

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