Hexenprozesse wurden in Darmstadt erstmals im Jahr 1582 abgehalten, als insgesamt 17 Frauen und ein elfjähriger Junge auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurden. 1585 und 1586 folgte eine weitere Verfolgungswelle, in der abermals 17 Frauen zum Tode verurteilt und sieben des Landes verwiesen wurden - eine weitere Frau nahm sich nach ihrer Verurteilung das Leben. Bei der sogenannten Ausweisung handelte es sich um eine Strafe, die nicht zu unterschätzen war, denn sie bedeutete für die Angeklagten absolute Verarmung, weshalb sie häufig trotz der Gefahr einer erneuten Anklage und möglicherweise auch Hinrichtung in ihren Heimatort zurückkehrten. Insgesamt sind laut Stadtarchiv zwischen 1582 und 1590 37 Opfer der Hexenverfolgung in Darmstadt nachzuweisen, die Dunkelziffer ist möglicherweise höher. Im zeitgenössischen Kontext und verglichen mit anderen Orten, an denen es mitunter zu Hunderten Hinrichtungen kam, ist diese Zahl sogar noch als verhältnismäßig gering zu beurteilen.
Es sind kaum Aufzeichnungen zu den Darmstädter Hexenprozessen erhalten. Wichtige historische Dokumente stellen einen Auszug aus dem Gerichtsprotokoll eines Arheilger Prozesses von 1586 sowie Unkostenaufstellungen der teuren Gerichtsprozesse dar, die mit der Verfolgung verbunden waren. Klar ist jedoch, dass die Hexenverfolgung in Darmstadt durch Landgraf Georg I. in besonderem Maße vorangetrieben wurde. Er bezeichnete die „Zauberei" als ein „gräuliches, sonderbares, ungöttliches, hochsträfliches Laster" und als eine vorrangig von Frauen ausgeführte Tätigkeit. Das Christentum, das Georg I. als Machtlegitimation diente, schrieb die Ausschließlichkeit des christlichen Gottes vor, weshalb es von großer Bedeutung war, alle anderen Vorstellungen religiöser Art im Keim zu ersticken.
„Zauberei" betrachteten Georg I. und seine Untertanen als ein reales Phänomen. Daher war es so wichtig für ihn, zu beweisen, dass er es vollkommen unter Kontrolle hatte. Sein Bruder Landgraf Wilhelm IV. von Hessen-Kassel hatte eine gemäßigtere Einstellung zu diesem Thema, „da der Beweis schwierig und der Glauben an übernatürliche Fähigkeiten der Hexen ein Narrenspiel" sei. Auch der Vater der beiden, Philipp der Großmütige, hat sich entschieden gegen die Anwendung von Folter bei Hexenprozessen ausgesprochen. Georg I. aber war radikal in seinen Überzeugungen, die stark von der Frauenfeindlichkeit des „Hexenhammers" geprägt waren, dem 1486 erschienenen Werk des deutschen Theologen Heinrich Kramer, das über Jahrhunderte die Legitimationsgrundlage der Hexenverfolgungen darstellte. Der Hexenhammer schrieb die Fähigkeit der Zauberei besonders den Frauen, „dem so gebrechlichen Geschlechte", und vor allem Hebammen zu, „welche alle andern an Bosheit übertreffen."
1582 kam es in Darmstadt zu einer regelrechten „Hexenhysterie", sodass Georg I. ab 1586 eine systematische Verfolgung anordnete. Historischer Hintergrund war höchstwahrscheinlich eine Pest-Epidemie, die die Einwohnerzahl Darmstadts um 17 Prozent reduzierte, was angesichts einer Gesamtbevölkerung von zuvor etwa 1.200 Einwohnern besonders drastisch erscheint. Diese Zeit war außerdem von sehr langen, kalten Wintern und verregneten Sommern geprägt, die eine schlechte Ernte und in der Folge mangelhafte Ernährung und die Verbreitung von Krankheiten mit sich brachten. Wegen der geringen Ernteerträge gab es zudem extreme Teuerungen, sodass innerhalb der Bevölkerung große Unzufriedenheit herrschte. Die Schuld für all dieses Übel wurde vermeintlichen „Hexen" zugeschrieben - Frauen, die man als seltsam wahrnahm, die unbeliebt oder anders waren und die durch die Verbreitung von Gerüchten zu Sündenböcken der gesamten Gesellschaft gemacht wurden. Georg I. interessierte sich sehr für diese Gerüchte und informierte sich sogar gezielt darüber, wer verdächtigt wurde. Hauptzielgruppe der Verfolgungen waren oft Hebammen oder heilkundige sowie alte, arme, alleinstehende oder verwitwete Frauen. Einige der in der späteren Verfolgungswelle in Darmstadt verurteilten Frauen waren vermögend, ein Zeichen dafür, dass mit Intensivierung der Verfolgungen auch immer mehr Opfer in oberen Schichten gesucht wurden.
Von den Frauen, die einmal in die Mühlen der Verfahren geraten waren, wurden 75 Prozent verurteilt, davon rund 30 Prozent zum Tode, wobei anzunehmen ist, dass auch hier die Dunkelziffer höher liegen mag. Nur ein Viertel konnte schlimmerer Strafe entgehen. Dies setzte allerdings voraus, dass unter der Folter kein Geständnis abgelegt wurde - ein immenser körperlicher und psychischer Kraftakt.
In Darmstadt hatte man versucht, Einschränkungen für Ankläger zu errichten, um Massen-Anklagen entgegenzuwirken. So mussten Ankläger für die Versorgung der Verhafteten und auch für Schadensersatz bei einem Freispruch selbst aufkommen. Dass es dennoch so viele Klagen gab, lag daran, dass die Kläger moralisch überzeugt waren und dass mit einer erfolgreichen Anklage ein guter Ruf einherging, der für das materielle Überleben einer Familie wichtig war. Außerdem brauchte es nicht viel, um jemandem in der sogenannten „peinlichen Befragung" - dem Verhör unter Folter - ein Geständnis abzuringen. Meist reichte ein Gerücht als Verdacht aus, und wenn dann noch eine Verbindung oder gar Verwandtschaft mit einer ebenfalls verdächtigen Person bestand, war die Schuld so gut wie bewiesen. Die peinliche Befragung förderte die Ausdehnung der Prozesse auf immer weitere Personen, die durch Suggestivfragen von den Gefolterten genannt wurden. All das fand im Rathaus am Darmstädter Marktplatz statt, das zwar noch ein anderes Gebäude war, jedoch schon an derselben Stelle stand wie das heutige Alte Rathaus (mit Standesamt und „Ratskeller"). Im „Arme-Sünder-Stübchen", das direkt unter dem Dach lag, mussten die zum Tode Verurteilten auf ihre Hinrichtung warten.
Die Hexenverbrennungen Georgs I. fanden aller Wahrscheinlichkeit nach auf dem Marktplatz statt. Er war auch der Austragungsort weiterer öffentlicher Hinrichtungen; so sind aus dem 17. Jahrhundert einige Fälle überliefert - mit dem Schwert, durch Hängen oder durch Erschießen.
Darmstadt und Bessungen bildeten einen gemeinsamen Verwaltungsbezirk und besaßen einen gemeinsamen Galgen, der sich zwischen beiden Orten an der Stelle befand, an der heute das Teehäuschen im Wolfskehl'schen Park steht. An diesem Galgen wurden jedoch keine „Hexen" hingerichtet.
Auch in Pfungstadt gab es einen hölzernen Galgen, der 1603 durch drei gemauerte Säulen ersetzt wurde, die heute noch an der Grenze zwischen Pfungstadt und Eberstadt stehen. Hinrichtungen wurden im Mittelalter öffentlich vollzogen und sollten als Abschreckung dienen. Daher wurden die Galgen häufig in der Nähe von Verkehrswegen errichtet.
Alle in Darmstadt als „Hexe" verurteilten und hingerichteten Menschen waren Frauen - bis auf den elfjährigen Wolf Weber, der Sohn einer Frau, die bereits als „Hexe" verbrannt worden war. Ihm gelang es 1582, seine ebenfalls verurteilte Schwester aus dem Gefängnis zu befreien, beide wurden jedoch in Bessungen wieder gefasst. Bei dem Verhör, das darauf folgte, gestand Wolf eine durch seine Mutter hergestellte Verbindung mit dem Teufel. Er beschuldigte außerdem die 17-jährige Anne, die Tochter einer Frau, die gemeinsam mit seiner Mutter hingerichtet worden war. Georg I. ließ Wolf und Anne hinrichten - sie sollten die jüngsten Opfer der Hexenverfolgung in Darmstadt bleiben. Ein Brief seines Bruders Wilhelm, in dem dieser versucht, Georg I. von dieser Form der Bestrafung abzuhalten, kam zu spät.
Nach 1596 sind keine Hexenhinrichtungen aus Hessen-Darmstadt mehr bekannt. 1628, während einer großen Verfolgungswelle im benachbarten Dieburg, wurden auch in Darmstadt wieder Stimmen laut, die Verbrennungen forderten. Auf diese Wünsche reagierte Landgraf Georg II., der Enkel Georgs I., jedoch mit großer Ablehnung.
Zurück auf den Marktplatz im Jahr 2022, auf dem im Winter der Weihnachtsmarkt und im Sommer das Heinerfest stattfindet, auf dem die Statue des „Berserkers" ewig in Richtung Schloss weist und auf dem emsiges Treiben herrscht. Der bedrückende Blick in die Vergangenheit Darmstadts soll nicht verstören oder gar dazu aufrufen, an Halloween keine Hexenkostüme mehr zu tragen. Vielmehr soll er eine Erinnerung daran sein, dass das wiederkehrende Phänomen von Ausgrenzung des vermeintlich Fremden und Gewalt gegen Minderheiten bis heute aktuell sind und um jeden Preis verhindert werden müssen.