Mit dröhnenden Motoren nähert sich die silbern glänzende Propellermaschine im Tiefflug. Dann geht alles ganz schnell: Aus der offenen Heckluke fliegen etliche winzige Päckchen und segeln an kleinen weißen Fallschirmchen zu Boden. Kurz darauf stürmen hunderte Kinder auf den Rasen des Wiesbadener Army Airfields, um die Süßigkeiten aufzusammeln. Der „Candy Drop" ist der Höhepunkt des Jubiläumsfests „70 Jahre Berliner Luftbrücke" und eine Verneigung vor Oberst Gail Halvorsen - dem Erfinder der Süßigkeiten-Abwürfe und Stargast des Tages.
Am 24. Juni 1948 blockierte die Sowjetunion als Reaktion auf die Einführung der D-Mark in den alliierten Zonen Deutschlands alle Schienen-, Straßen- und Wasserwege nach Westberlin. Damit schnitt sie die Stadt, die mitten in der sowjetischen Besatzungszone lag, und ihre mehr als zwei Millionen Einwohner von jeder Versorgung ab. Das Ziel der Blockade: Die Bevölkerung aushungern und so die Alliierten dazu zwingen, die Stadt aufzugeben.
Um das zu verhindern, beschloss der damalige US-Militärgouverneur Lucius D. Clay die Einrichtung einer Luftbrücke zur Versorgung der Berliner Bevölkerung. Der Flugplatz in Erbenheim war dabei -zusammen mit dem in Frankfurt - der wichtigste Luftbrücken-Stützpunkt der Amerikaner. Die Operation wurde zusammen mit der britischen Luftwaffe umgesetzt und von Wiesbaden aus koordiniert - das Hauptquartier der Luftbrücke lag damals auf der Taunusstraße.
Am 30. September 1949 wurde die Luftbrücke offiziell eingestellt. Um das zu feiern, gab es am Pfingstmontag eine große Jubiläumsfeier auf dem Flugplatz der Clay Kaserne. 40.000 Tickets waren im Vorfeld online verfügbar und spätestens ab etwa 11.30 Uhr war das Flugfeld der Kaserne rappelvoll.
Die Gäste konnten etliche originale Rosinenbomber vom Typ Douglas „C-47 Skytrain" bestaunen und sogar von innen besichtigen. Bei zwei Flug-Shows waren die historischen Flieger sogar beim Formationsflug zu sehen. Außerdem gab es zwei Fallschirmsprung-Vorführungen und als krönenden Abschluss den „Candy Drop" - dabei mit an Bord waren der USAG-Kommandant Colonel Noah C. Cloud und der berühmte Rosinenbomber Gail Halvorsen.
Der inzwischen 98-jährige Halvorsen, auch als „Onkel Wackelflügel" bekannt, kam am Mittag per Rosinenbomber in Wiesbaden an und wurde mit einem traditionellen „Wassersalut" der Feuerwehr der Stadt und der US-Army begrüßt. Danach wurde der mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnete Veteran einem Jeep durch die Menge gefahren und dabei fast wie ein Rockstar gefeiert.
Zum Jubiläum sollte aber nicht nur gefeiert, sondern auch der insgesamt 81 Todesopfer der Berliner Luftbrücke gedacht werden. Mit Glockenschlägen wurde 32 Amerikanern, 13 Deutschen und 36 Briten gedacht, die damals bei Unfällen und Abstürzen ums Leben kamen. Noch heute sind viele Straßen der Clay Kaserne nach gefallenen Luftbrückenpiloten benannt.
Viele befragte Besucher waren insgesamt sehr zufrieden und fanden vor allem die Flugzeuge sehr beeindruckend, darunter auch Aden, Philipp und Noémi, jeweils 9 Jahre alt. Auch Klaus Fischer und Johanna Kaddouri fanden die Flugzeuge sehr eindrucksvoll - vor allem fanden sie es aber wichtig, die Freundschaft und Partnerschaft zwischen Amerikanern und Deutschen, für die die Luftbrücke steht, zu erleben und zu feiern.
Ein wenig Unmut war aber auch dabei. Angelika B. hatte sich von dem Fest etwas mehr Amerika-Feeling versprochen und fand „nur einen Hamburger- und einen Hot-Dog-Stand" etwas ernüchternd. Auch das Getränkeangebot fand sie „etwas teuer bei dieser Hitze". Gosia Klamka hingegen ärgerte sich vor allem über Unklarheiten bei den Tickets: „Wir haben für die ganze Familie Tickets gekauft, am Eingang wurden die aber gar nicht kontrolliert." Außerdem habe die Gruppe vom Parkplatz sehr weit laufen müssen - das habe man aber nicht gewusst. „Ich hätte mir gewünscht, dass das besser kommuniziert worden wäre."
Doch nicht nur vor Ort in Erbenheim konnten die Besucher die historischen Flugzeuge bewundern. Die meisten der etwa 40 Propellormaschinen kamen schon am Sonntagabend in der Rhein-Main-Region an. Von Nierstein über Mainz-Mombach auf der rheinland-pfälzischen Rheinseite aus bis in den Taunus und den Rheingau meldeten Merkurist-Leser, dass sie Flugzeuge sehen konnten. Zum Anfassen gab es sie aber nur auf dem Gelände der Clay-Kaserne.