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Psychotherapie in Österreich: Wer nicht warten kann, muss zahlen

Bis zu seinem dreißigsten Lebensjahr führt Manfred ein unbeschwertes Leben mit Frau, Kind und einem erfolgreichen Unternehmen. Dann verändert sich alles schlagartig: Traumata aus Manfreds Kindheit melden sich zum ersten Mal. Er erlebt grauenvolle Flashbacks und verfällt in schwere Depressionen. Manfred wurde als sechsjähriger Opfer sexualisierter Gewalt und leidet seit 20 Jahren unter einer posttraumatischen Belastungsstörung. Seit seiner Diagnose ist Manfred immer wieder arbeitsunfähig.

"Ich wollte mein Leben zurück, und zwar sofort", sagt der 50-Jährige heute rückblickend auf das Jahr 2001, in dem seine Krankheit ausbrach. Auf der Suche nach Therapie stieß er auf lange Wartezeiten und nahm schließlich Schicksal und Geldbörse selbst in die Hand. Die Krankheit trieb ihn in den finanziellen Ruin: „Ich habe in meinem Leben locker 100.000 Euro in meine Genesung gesteckt, bin von Pontius zu Pilatus gerannt", erzählt Manfred. 2017 kam endlich finanzielle Hilfe. Er bekam einen Kassenplatz. Der lief allerdings im Frühjahr dieses Jahres aus. Seitdem ist Manfred, wie viele, wieder auf der Suche und kämpft sich durch Bürokratie- und Ärztedschungel. Die Flashbacks werden von Tag zu Tag wieder schlimmer.

Regierung und Kassen trödeln beim Ausbau der Kassenplätze

Wer seine psychische Erkrankung in Österreich behandeln will, muss entweder warten oder zahlen, bis der Arzt kommt. 2018 standen noch 70.000 vollfinanzierte Kassentherapieplätze zur Verfügung - für 0,8% der Bevölkerung. Zum Vergleich: In Deutschland, wo die Wartezeiten laut Studie immerhin auch bei durchschnittlich 22 Wochen liegen, werden 2,5% versorgt. Das ist viel besser, aber auch nicht genug: die WHO empfiehlt eine Versorgung von 3-5%. Sie prognostiziert nämlich, dass Depression bis 2030 zur Volkskrankheit Nummer 1 wird.


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