Spengler: Ich und viele unserer Mitglieder hatten so gut wie nie ein Problem damit. Viele unserer Mitglieder haben Dauerkarten und dort weiß man im Fan-Umfeld über deren Sexualität Bescheid. Wir tragen im Stadion regelmäßig unsere Regenbogenadler-T-Shirts und fühlen uns dort oder auf dem Weg zum Stadion ziemlich sicher. Nachts damit über die Zeil zu laufen, bereitet manchmal schon eher Probleme.
Thomas: Als ich noch alleine ins Stadion gegangen bin, habe ich mich zurückgehalten und meine Sexualität geheim gehalten. Es gab und gibt im Fanblock homophobe Sprüche. Nachdem wir uns als Fanclub zusammen gefunden hatten, haben wir gleich große Unterstützung vom Verein und von den Ultras bekommen. Seitdem stehen wir offen zu unseren Gefühlen - und gehen gegen Homophobie vor.
Können Sie ein Beispiel nennen?Thomas: Ich stehe im Q-Block, direkt bei den Ultras. Neulich, beim Spiel gegen Dortmund, hat ein Mann in meiner Nähe "Du schwule Sau" in Richtung Spielfeld gerufen. Da bin ich zu ihm hin und habe ihm gesagt, er solle das gefälligst lassen. Auch wenn "Schwuchtel" oder solche Ausdrücke fallen, lassen wir uns das nicht gefallen. Oft sagen dann auch die Ultras selbst etwas. Mittlerweile fühle ich mich ziemlich wohl im Fanblock.
Spengler: Ich achte sehr auf solche Sprüche. Einzelne Idioten die so etwas brüllen, gibt es natürlich überall, aber ich finde, das hat in den letzten Jahren stark nachgelassen. Für viele sind solche Ausdrücke Teil des normalen Sprachgebrauchs. Leider. Wobei das ja nicht nur ein Problem des Fußballs ist.
Ihre Homosexualität wird auf den Rängen also nicht nur respektiert, sondern auch verteidigt?Thomas: Ja, absolut. Klar, fällt da auch mal der ein oder andere witzige Spruch. Für die Ultras bin ich nicht der Hooligan, sondern der "Schwuligan." Aber sie nehmen mich ernst - als Mitglied bei den Supporters Mainz und in der Initiative "Kein Zwanni für nen Steher." Da soll ich sogar als Sprecher fungieren.
Ist Ihr Fanclub auch Anlaufstelle für Fans, die sich bislang nicht getraut haben, ihre Sexualität öffentlich zu machen?Spengler: Nicht wirklich. Aber eine Anlaufstelle sind wir. Vor etwas mehr als einem Jahr haben wir uns als ein Fanclub von neun Freunden gegründet. Mittlerweile haben wir 50 Mitglieder.
Thomas: Nein, so direkt habe ich das auch noch nicht erlebt, dass jemand auf uns zugekommen wäre und um Hilfe gebeten hätte. Klar gibt es einige, die nicht unbedingt auf Fotos zu sehen sein möchten. Unser Fanclub hat konstant 28 Mitglieder. Davon eine Lesbe, aber die meisten sind hetero. Wir Schwule sind also sogar in der Unterzahl.
Wie kommt's?Thomas: Ich denke, die Heteros möchten einfach ihre Solidarität mit uns zeigen und sich gegen Homophobie engagieren.
Spengler: Bei uns ist die Idee des Fanclubs eine andere. Wir haben uns unter anderem auch deshalb gegründet, um als Eintrachtfans auf das Thema Homosexualität im Profisport und -fußball aufmerksam zu machen.
Anfang des Jahres überraschte der ehemalige Nationalspieler Thomas Hitzlsperger mit seinem Outing. Wie haben Sie das erlebt?Thomas: Ich habe im Radio davon mitbekommen und gleich gedacht: "Wow." Dass jemand mit einem so großen Standing im Fußball und damit in der Gesellschaft diesen öffentlichen Schritt geht, fand ich sehr gut und sehr wichtig. Keine halbe Stunde, nachdem die Nachricht verbreitet wurde, stand mein Telefon für den Rest des Tages nicht mehr still.
Spengler: Bei mir haben auch gleich jede Menge Leute angerufen. Ich habe das Outing als richtig empfunden, ohne dadurch aber das Gefühl zu haben, dass jetzt andere Spieler sich auch outen müssten. Der Medienhype um Hitzlsperger hat gezeigt: Es ist für die Gesellschaft immer noch nicht normal, homosexuell zu sein.
Hat sich seitdem etwas in der Akzeptanz für Homosexuelle verändert?Spengler: Er hat Einblicke in sein Seelenleben gewährt. So konnten die Leute erstmals erfahren, wie sich ein schwuler Fußballer fühlt. Noch hat sich dadurch aber wenig verändert, das passiert stückchenweise. In Vereinen, in denen Ressentiments herrschen, gibt es die noch immer.
Thomas: Hitzlspergers Outing hat die Diskussion wieder aufleben lassen. Aber inzwischen ist die auch wieder abgeflacht. So blieb sein Mut eine ungenutzte Steilvorlage.
Warum?Thomas: Da hätte gleich im Anschluss etwas passieren müssen. Der DFB hat zwar eine Info-Broschüre rausgegeben, mit Informationen wie die Vereine mit Spielern, die sich outen umgehen sollen. Aber das war's auch schon. Ich hätte mir gewünscht, dass der DFB den Leuten, die unsicher sind, den Rücken stärkt. Dass der Verband ein Zeichen setzt, für Toleranz und offenen Umgang mit dem Thema.
Spengler: Auch bei der Berliner Erklärung sind noch nicht alle Vereine dabei. Das Thema Homosexualität müsste den gleichen Stellenwert haben, wie etwa Gewalt oder Rassismus. Diese Themen haben noch einen ganz anderen Ausschlag. Ich habe auch nicht das Gefühl, dass der jetzige DFB-Präsident den gleichen Eifer an den Tag legt, wie Theo Zwanziger zuvor. Und auch da hätte man schon mehr machen können oder müssen.
Denken Sie, es ist durch Hitzlspergers Coming Out möglich geworden, dass sich ein Aktiver outet?Thomas: Ich hoffe, dass das eines Tages passiert. Es wäre der nächste Schritt zu einer offenen Gesellschaft. Gerade, wenn ein Fußballer, der in der öffentlichen Wahrnehmung so eine große Rolle einnimmt, sich zu seiner Homosexualität bekennt. Bis dahin verstecken sich die schwulen Fußballer weiter, beauftragen spezielle Agenturen, die ihnen für öffentliche Auftritte Frauen vermitteln.
Spengler: Es könnte heute passieren oder erst in drei Jahren. Das ist nicht vorhersehbar, kommt immer auf den Einzelnen und sein Umfeld an. Unterstützt ihn der Verein, könnte es möglich sein. Aber nicht für einen Spieler Anfang 20, da muss man schon gestandener Profi sein, denke ich.
Konkret gefragt: Wird sich in absehbarer Zeit Ihrer Meinung nach ein Fußballer outen?Thomas: Nein. Dafür muss in Politik und Sport noch sehr viel passieren.
Im Frauenfußball ist das anders. Dort spielen bekennende Lesben, ohne, dass es für irgendwen etwas Besonderes wäre.Thomas: Ich habe dazu meine eigene Theorie. Für viele Hetero-Männer ist die Vorstellung hocherotisch, dass zwei lesbische Frauen miteinander spielen. Diesen Männern geht es aber vor allem um die eigene Sexualität. Denken sie an Schwule im Fußball, haben sie gleich Bedenken, der Mitspieler könnte sich an sie ranmachen, oder in der Dusche beobachten. So ein Quatsch! Ich frage mich immer: Was machen diese Männer im Schwimmbad oder in der Sauna? Ich möchte den Mann sehen, der da rein geht und erstmal ruft "Wer von euch ist schwul?"