Das beste YouTube-Video der Welt muss sowohl visuell als auch auditiv überzeugen. Deshalb kann es nur einen Gewinner geben: Massimilian Porcellos Freistoßknaller kommentiert von Uwe Morawe.
„Porcello hat einen unglaublich guten Weitschuss", sagt Uwe Morawe und das für Uwe-Morawe-Verhältnisse noch etwas emotionslos aus dem Off. Das Bild zeigt Massimilian Porcello, der sich dazu passend scheinbar ambitionslos den Ball zurechtlegt. „Aber diese 40 Meter sind auch für ihn wohl zu viel", schätzt Fachmann Morawe. Zeitgleich schwätzt Porcello noch ein bisschen mit seinem Mitspieler. „Drei Weitschusstore in der Liga, zwei im Pokal...", prahlt Morawe mit Angeberwissen. Doch Porcello hört da schon gar nicht mehr hin, er macht zehn Schritte rückwärts, bleibt kurz stehen und beginnt zu tippeln.
Das scheint Morawe zu erregen, es ist deutlich in seiner Stimme zu hören als er fragt: „Naa?" Dann beginnt Porcello anzulaufen, was Morawes Erregungszustand noch wenig weiter anheizt. „Will er vielleicht sogar?", fragt der Kommentator, wie aus einem Hape-Kerkeling-Sketch: „Na will er die Sahneschnittchen jetzt oder nicht?" Und Porcello will sie!
„Will er vielleicht sogar?“
In dem Moment, da sein rechter Fuß den Ball berührt, ist Morawe nicht mehr bloß erregt, sondern komplett erotisiert: „Der gibt den Hafer!", schreit er und besagter Hafer fliegt. „UND WIIIIIIIEE! UND WIIIIIIIEE! UND WIE!", schreit Morawe, auf dem Höhepunkt angelangt als der Ball im Knick einschlägt. Ein sackendes „Massimilian Porcello" rundet das Ganze ab. Der Joke, beim nächsten Mal solle es Porcello doch gleich mit dem eigenen Abstoß versuchen - ein Morawe-Klassiker - ist dann nur noch Zugabe.
Hach, herrliche Szene!
Malzbier und Hattrick
Die beschriebene Sequenz stammt aus einem DSF-Mitschnitt vom Montagabendspiel zwischen dem Karlsruher SC und Hansa Rostock am 20. November 2006. 15 Minuten sind gespielt, als Karlsruhes Zehner Porcello sich die Murmel zurechtlegt und den Ball aus 45 Metern ins Tor haut. Zur Freude von Uwe Morawe, Legende des Deutschen Sportfernsehens. Und zur Freude von mir, damals (wie heute) keine Legende in irgendeiner Disziplin, sondern elfjährig vor dem Fernseher sitzend.
Was für ein irres Spiel da stattfand, geht aus dem 120-Sekunder bei YouTube gar nicht hervor. Denn Porcellos Tor, das natürlich an Klasse gewinnt, weil Uwe Morawe es so sensationell kommentiert, sollte am Ende des Abends gar nicht das Highlight bleiben. Stattdessen holte Rostock in den Schlussminuten einen aussichtslosen Rückstand auf, machte aus einem 1:4 beim KSC noch ein 4:4.
Erinnerung an Hattrick und Malzbier
Und dass dieser Clip mein Lieblings-YouTube-Video ist, liegt nicht etwa daran, dass ich in irgendeiner Form mit dem KSC verbunden bin, Hansa Rostock hinterherfiebere, ein Faible für Massimilian Porcello habe oder Gott bewahre für Uwe Morawe (tighter Rhyme, scurrr!).
Ich habe zu keinem der Protagonisten eine tiefere Verbindung, die Kombination hingegen macht etwas mit mir. Sie lässt meine Erinnerungen durch unbeschwerte Tage kreisen. KSC, Hansa, Porcello, Morawe, DSF, Suzuki-Werbung, Daniela Fuß, Jörg Dahlmann, Montagabend, 20:15, schnell vom Abendbrot aus der Küche ins Wohnzimmer sprinten, Malzbier auf, „Hattrick“ an – das sind fantastische ErinneRungen.
Ein wohliges Bimmeln in den Ohren
Und der Videoschnipsel hat einfach alles, was ein guter Videoschnipesel braucht. Über das Tor müssen wir nicht diskutieren, das ist unfassbar gut. Über den Kommentar von Uwe Morawe können wir gerne diskutieren, denn das „Der gibt den Hafer!“ habe ich bis heute nicht vergessen. Ein wohliges Bimmeln in meinen Ohren, definitiv Klingelton-Qualität. Und über mein Gefühl dabei, lässt sich kaum diskutieren. Denn ich bin mir sicher, es wird vielen Fußballromantikern da draußen so gehen.
Vielleicht ist es nicht Massimilian Porcellos Freistoßhammer gegen Rostock, sondern Enrico Kerns Kopfball gegen Offenbach, Fatmir Vatas Abstauber in Mainz oder Roda Antars Fallrückziehertor gegen Wehen Wiesbaden.
Edmund Kapplani und Alexander Klitzpera
Dass Porcellos Tor vor allem stellvertretend für ein Gefühl steht statt für sportliche Brisanz, zeigt die Tatsache, dass ich nachschauen musste, ob das Spiel zwischen dem KSC und Hansa ein bedeutungsloses Mittelfeldgeplänkel oder doch Abstiegskampf war. Letztendlich spielte Erster gegen Zweiter, beide stiegen am Ende der Saison auf und es war mir damals wie heute herzlich egal. No Offense!
Massimilian Porcello war übrigens zuletzt Co-Trainer von Dynamo Dresden. Sein Korrelat Uwe Morawe hatte zwischenzeitlich einen relativ unangenehmen YouTube-Blog, heute moderiert er vor allem die NFL. Gerade habe ich mir noch einmal ein paar Ausschnitte von Morawe angehört. Diese Stimme. Da reicht ein Phonem als Trigger und meine Hirnsynapsen liefern mir Bilder von Edmund Kapplani, Alexander Klitzpera, Filip Trojan und Christian Timm. Das gibt mir heute noch den Hafer!