Stell dir vor, du bis 18 Jahre jung. Während deine Kumpels sich am Samstagnachmittag so langsam verkatert aus dem Bett schälen, gibst du im Old Trafford dein Premier-League-Debüt. Manchester United gegen FC Arsenal. Das Theater der Träume. Und dann kommt Minute 29: Du triffst. Und als wäre das nicht schon genug für einen malerischen Einstand, legst du drei Minuten später zum 2:0 nach. Eine Torvorlage und 60 weitere Minuten folgen, dann verlässt du beim Stand von 3:1 unter Standing Ovations das Feld. Was machst du?
Vermutlich zunächst einmal den Wecker aus, zurück in der Realität die Zähne putzen und dann ab in die Schule. Nicht aber Marcus Rashford. Dem 18-Jährigen Engländer war genau das passiert. Es war kein Traum. Und in die Schule musste er erst am Montag wieder.
Das ist nun vier Jahre her. Rashford ist heute 22, verdient rund zehn Millionen Pfund im Jahr und trägt Uniteds legendäre Nummer 10. So wie vor ihm Wayne Rooney und Ruud van Nistelrooy, davor Roy Keane und David Beckham und ganz früher Sir Bobby Charlton und George Best. Seinen Schulabschluss hat Rashford mittlerweile an der Ashton-On-Mersey-School geschafft, ein Sportcollege, gesponsert von seinem Arbeitgeber United.
Und wenn man Dinge über den Engländer nachschlägt, etwas über seine Persönlichkeit erfahren will, stößt man immer wieder auf ein Wort: normal. Er ist normal geblieben. Das ist es, was die Leute über Marcus Rashford sagen. Er hat diese normale Zeit nicht vergessen, als sein Leben noch gewöhnlich war. Und langsam um ihn herum alles ungewöhnlicher wurde.
Nun, da das Leben in Europa gerade wegen des Coronavirus für jeden unnormaler wird, hat Rashford seine Hilfe angeboten. Wieder einmal.
Da am Freitag in England wegen des sich ausbreitenden Virus alle 32.000 Schulen schlossen, hat Rashford sich etwas einfallen lassen. „Viele Kinder sind auf das kostenlose Essen an ihrer Schule angewiesen", schrieb er auf seinen sozialen Kanälen. Weil das nun wegfällt, hat er sich mit der Organisation FareShare zusammengetan und will hilfsbedürftige Schüler unterstützen.
Die Wohltätigkeitsorganisation verteilt Essen an 11.000 Organisationen in ganz England und erreicht etwa eine Millionen Menschen in einer Woche. Über Twitter, Instagram und Facebook rief Rashford zu Spenden für FareShare auf. Darüber hinaus richtet er sich an die Essensindustrie und bittet sie, Produkte an die Organisation zu spenden.
Gedichtswettbewerb? „I'm in!"Es ist nicht das erste Mal, dass Rashford sich sozial engagiert. Im September letzten Jahres hatte er einem krebskranken United-Fan aus den USA Tickets für ein Spiel organisiert. Im März fragte ihn ein junger Fan per Brief, ob er beim Gedichtswettbewerb seiner Schule als Jurymitglied dabei sein möchte. Weil die Kinder gehörlos sind, sagte Rashford nicht bloß zu, sondern begann obendrein, Gebärdensprache zu lernen.
„Es war absolut normal und diese Normalität half ihm"
Selbstverständlich sind diese Gesten nicht. Denn Rashford schwebt eigentlich in einer Sphäre, in der nichts mehr normal zu sein scheint. Hört man seinem ehemaligen Lehrer Wayne Cahill zu, glaubt man aber zu verstehen, dass Marcus Rashford wirklich bloß ein Junge aus Manchester ist. Und genau das bleiben möchte.
„Bevor der Unterricht begann, hatten wir immer zehn Minuten, in denen wir über das Wochenende sprechen konnten", erzählte Cahill in Manchester Uniteds Vereins-TV. Da saßen die U18-Spieler, erzählten von Spielen auf dem Trainingsgelände von United, ein paar U23-Spieler, die von Amateurspielen sprachen. „Und wir hatten Marcus. Der erzählte von der ersten Mannschaft."
Dabei musste er eigentlich nicht wirklich erzählen. Jeder hatte gesehen, wie er im Etihad-Stadium das Tor zum Derbysieg erzielt hatte. Wie er doppelt im Old Trafford gegen Arsenal getroffen hatte. „Aber es war nie, dass die Jungs sagten ‚Oh mein Gott, was du alles erreicht hast'". Es war bloß ein Gespräch unter Jungs, was sie so am Wochenende gemacht haben.
„Es war absolut normal und diese Normalität half ihm", so Cahill. Nur das Rashford am Wochenende Petr Cech zwei Dinger eingeschenkt hatte.