Max Nölke

Student // Journalist, Hamburg

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Baufirma lässt Teile der Gärten von drei Häusern roden - ohne die Bewohner zu informieren

Der Rasen ist penibel gestutzt, umgeben wird die breite Grünfläche von bunt wucherndem Gestrüpp. Vier Jahre ist es her, da hat Sebastian Meintz zusammen mit seiner Frau Trixi dem Wohnungsanbieter Vivawest ein Haus abgekauft. Als sie damals im Kirchderner Weg einzogen, waren sie noch zu zweit. Mittlerweile wohnt hier auch Felix - ihr gemeinsames Kind.


Ihr Ein-Familienhaus ist geräumig, hell durchleuchtet und hat als Prunkstück eben jenen großen Garten hintenraus. Eigentlich stehen die Pläne für die Zukunft auch schon: „Da denkst du schon gerne drüber nach, hier bald ein bisschen mit dem Kleinen zu kicken", sagt Sebastian Meintz mit einem Lächeln.


Nun hat Vivawest den Großteil des Gartens aber an die Baufirma Beta Eigenheim verkauft, die dort weder Fußballtore noch ein Trampolin aufstellen will. Auch Blumen sollen keinen Platz finden, denn die Firma will hier Häuser aufstellen und hat begonnen, das Grundstück aufzureißen. Ob das alles rechtens ist, wird sich erst zeigen, wenn die Stadt die offizielle Baugenehmigung erteilt. Für die junge Familie ist die Situation verzwickt, weil undurchsichtig, denn es gibt so gut wie keine Informationen zu dem Vorhaben.


Garten war gepachtet aber nicht gekauft


Beim Kauf erhielt Familie Meintz einen Pachtvertrag für einen 400 Quadratmeter großen Teil des Gartens, da dieser nicht im Kaufvertrag inkludiert war. Die beiden Nachbarhäuser ereilt nun das gleiche Schicksal. Auch sie pachteten den unteren Teil ihrer Gärten. Insgesamt geht es dabei um eine Fläche, die 1200 Quadratmeter misst.


Sebastian Meintz ließ sich wie seine Nachbarn ein Vorkaufsrecht eintragen für seinen Grünabschnitt. Vivawest teilte ihm damals mit, nur wenn sich ein Käufer fände, der alle drei Teilgrundstücke kaufen will, werde das Vorkaufsrecht aus dem Grundvertrag gelöscht.


Zu diesem Zeitpunkt bestand für Meintz die Möglichkeit, den Garten komplett zu kaufen, „für viel Geld", wie er erzählt. Auf Anraten des Maklers kaufte er ihn damals nicht. Dieser habe gesagt, in ein paar Jahren würden sie ihm den Garten hinterherschmeißen, weil der Wohnungsanbieter schon seit 30 Jahren versuche, das Grundstück zu verkaufen.


Kopf an Kopf mit fremden Menschen


Im September letzten Jahres bekam Familie Meintz dann ein Schreiben von Vivawest: Die Baufirma Beta Eigenheim habe die drei Grundstücke gekauft; die Gärten sollen künftig mit drei Reihenhäusern sowie einer Doppelhaushälfte bebaut werden. Vivawest erklärte auf Anfrage unserer Redaktion: „Vor dem Verkauf an Beta haben wir den ehemaligen Pächtern die Flächen zum Kauf angeboten. Das Geschäft kam nicht zustande."


Meintz kann dem klar widersprechen: „Vorher hat niemand auch nur einmal mit uns Kontakt aufgenommen." Man wurde dazu gedrängt, das Vorkaufsrecht löschen zu lassen. „Wir wurden überhaupt nicht gefragt, ob wir das Teilstück behalten wollen", zeigt sich Meintz verständnislos. „Wir haben sogar angeboten, alle drei Grundstücke zu kaufen." Aber keine Chance. Die Pläne stehen.


Und die treffen auf absolutes Unverständnis bei den Bewohnern. Vor ein paar Monaten stand plötzlich ohne Ankündigung eine externe Vermessungsfirma im Auftrag von Beta bei den Meintz im Garten. Am Montag folgten die Bagger. Hecken und Büsche sind schon weg, der Rasen ist aufgerissen. Angekündigt hat sich auch hier niemand.


Weil keiner der Verantwortlichen mit ihnen kommunizierte, konnte nur durch einen heimlichen Blick auf den Bauplan der Firma in Erfahrung gebracht werden, was hier genau entstehen soll: Die Terrasse der neu entstehenden Häuser soll in Ost-Richtung ausgerichtet sein, also vor Kopf des Hauses von Familie Meintz. Dazwischen würden dann knapp fünf Meter liegen. „Das kann ja nicht sein." Kopf an Kopf mit fremden Menschen.


Keine Reaktion


Er habe sogar schon gefragt, ob es denn möglich wäre, das Haus zu kaufen, um dort wenigstens bei der Wahl der zukünftigen Nachbarn mitentscheiden zu können. „Vielleicht könnten dann Teile der Familie dort einziehen." Aber auch hierauf reagierte weder Beta noch Vivawest.


Weitere Rätsel warten hinter dem Gartentor des Familienrasens. An dieser Stelle sollen laut Bauplan Stellplätze und Garagen entstehen. Das Problem: Zwischen den zukünftigen Bauten und der Häuserreihe gegenüber in westlicher Ausrichtung liegt ein kleiner Schotterweg, nur gut drei Meter breit. Heißt: Diesen passieren dann um die zehn Autos täglich, um zu ihren Häusern zu gelangen. Abgesehen davon, bedarf auch ein Rettungsweg den Einsatz von Kreativität. „Das Schlimme ist aber, dass wir einfach überhaupt keine Informationen bekommen."


Die einzigen Botschaften, die sie haben, sind rote Markierungen am Grundstück der jungen Familie, die zeigen, wo die Häuser hochgezogen werden sollen. „Hätten wir das alles vorher gewusst, dann hätten wir das Haus wohl nicht gekauft", sagt Meintz fast resignierend.


Dann kamen die Bagger


Am Donnerstagmorgen haben schließlich unangekündigt Bagger begonnen, den Nachbarsgarten zu roden. Seit Montag ist das Grundstück der Familie Meintz dran. Mittlerweile haben Bagger und Walzen Hecken und Zäune niedergerissen, um die drei zuvor separat genutzten Rasenflächen als einen großen Baugrund zu nutzen.


Aus einem Gespräch mit einem anwesenden Architekten habe er erfahren, dass die Stadt nach wie vor keine offizielle Baugenehmigung erteilt habe. Daher kann Familie Meintz momentan bloß tatenlos zuschauen. Jetzt rechtlich gegen die Firma vorzugehen, sei riskant, habe ihr Anwalt gesagt. Die Chancen zu verlieren sind hoch, da kaum Informationen zur ganzen Situation vorliegen.


Eine Resthoffnung bleibt aber, denn der Anwalt der Familie wird bei einer Baugenehmigung der Stadt prüfen, ob diese rechtens ist. Dafür muss sie nun mal erst erteilt werden. Eine Anfrage dieser Redaktion vom vergangenen Dienstag zum Bauprojekt hat die Stadt nicht beantwortet.


Die kleine Holzhütte, die im hinteren Gartenteil stand, hat Sebastian Meintz vor ein paar Wochen vorsichtshalber schon mal nach vorne in den Abschnitt geholt, den ihm keine Abrissbirne mehr einreißen kann. Auch die Blumen mussten umgepflanzt werden. Und wer fragt eigentlich Felix? Wie soll der denn auf einem fünf Meter breiten Rasenstück das Fußballspielen lernen?

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