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Wirtschaftssanktionen sind in der Vergangenheit häufig gescheitert

Von Mathias von Hofen

In den Jahren 2017 und 2019 verhängten die EU und die USA gegen Venezuela Sanktionen wegen der Unterdrückung der Opposition durch Staatschef Nicolás Maduro. So wurde der Export von Erdöl erschwert, das für 95 Prozent der Exporterlöse Venezuelas steht. Der Erfolg ist gleich null: Maduro ist weiter an der Macht - und das, obwohl es eine Wirtschaftskrise und große Armut im Land gibt. Seit Frühjahr 2022 verhandeln die USA sogar wieder mit der Regierung Venezuelas. Die Sanktionen gegen das südamerikanische Land sind gescheitert.

Auch beim Iran haben die sehr umfangreichen Sanktionen keine Verhaltensänderung bewirkt. Unter dem amerikanischen Präsidenten Trump wurden die Sanktionen gegen den Iran 2018 sogar noch verschärft. Doch der Widerstand gegen den Westen wurde dadurch nicht geschwächt. 2021 wurde der antiwestliche Ebrahim Raisi zum Präsidenten gewählt und das Atomprogramm verstärkt fortgeführt.

Gabriel Felbermayr, Direktor des österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung, bezweifelt generell den Nutzen von Sanktionen. „Wirtschaftssanktionen können ein Fehlverhalten nicht beenden. Dazu sind sie nicht gemacht", urteilt er. Auch in Kuba und Nordkorea haben die schon vor Jahrzehnten verhängten Sanktionen nicht zum Sturz der Machthaber geführt.

Letztendlich haben die genannten Länder, die kleiner und wirtschaftlich schwächer sind als Russland, den Sanktionen widerstanden. Vor allem die ärmeren Schichten der Bevölkerung litten unter den Sanktionen, während die politischen Eliten ihre Machtpositionen verteidigen konnten.

Auch die 2014 gegen Russland wegen der Annexion der Krim vom Westen verhängten Sanktionen blieben wirkungslos. Moskau reagierte sogar mit einem Gegenembargo im Lebensmittelsektor, das vor allem europäischen Landwirten erhebliche Umsatzeinbußen bescherte.

Und welche Erfolgsaussichten haben die aktuellen Sanktionen? Die Sanktionen gegen das Vermögen von Putin und seinen Ministern bestrafen zumindest die wirklich Verantwortlichen für den Angriff auf die Ukraine. Das ist sinnvoller, als die gesamte russische Bevölkerung für die fatalen Entscheidungen des Kremls in Geiselhaft zu nehmen.

Teilweise erfolgreich sind die Sanktionen gegen den russischen Finanzsektor: Banken haben sich aus der EU zurückgezogen und ihre westlichen Töchter häufig an europäische Banken verkauft. Zudem sind Reserven der russischen Zentralbank im Wert von über 300 Milliarden Dollar eingefroren worden. Der Ausschluss aus dem Zahlsystem Swift hat russische Banken allerdings nur eingeschränkt getroffen. Denn mit dem chinesischen Zahlungssystem CNAPS steht eine Alternative besonders im Asiengeschäft bereit.

Bei den Sanktionen gegen russische Politiker und bei den Sanktionen im Finanzsektor ist der Schaden für die westlichen Volkswirtschaften begrenzt. Komplett anders ist allerdings das Bild bei den Sanktionen im Öl- und Gassektor. Hier ist der ökonomische Schaden für Deutschland gewaltig.

Gazprom dagegen konnte seine Gewinne im ersten Halbjahr 2022 trotz der Sanktionen deutlich auf 42 Milliarden Euro steigern. Und durch die gestiegenen Ölpreise hat Russland seit Beginn des Krieges mehr als 50 Milliarden Euro von der EU erhalten. Auch der von der EU beschlossene Ölpreisdeckel dürfte seine Wirkung auf Russland verfehlen.

Der Ölpreisdeckel dürfte seine Wirkung auf Russland verfehlen.

So erklärte jüngst ein Mitarbeiter des US-­Finanzministeriums gegenüber Reuters: „Zwischen 80 und 90 Prozent des russischen Öls werde wahrscheinlich fließen, ohne von dem Preisdeckel beeinflusst zu werden." Auch bei der Bank J.P. Morgan ist man skeptisch. Die Auswirkungen seien begrenzt, „weil Russland das ­Verbot fast vollständig umgehen könne".

Welchen Sinn machen Sanktionen, die den Ländern, die die Sanktionen verhängt haben, mindestens genauso schaden wie dem Sanktionierten? Es ist höchste Zeit, dass die Politik ihre Beschlüsse einer kritischen Analyse unterzieht, welche Sanktionen Sinn machen und welche nicht.

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