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Tausende Demonstranten fordern Neuwahlen in Serbien - und legen Belgrad lahm

Teilnehmer der Demonstration versuchten, in das Belgrader Rathaus einzudringen. © Darko Vojinovic/AP/dpa

31.12.2023, 13:05 Uhr


Von: Mathias von Hofen

Erneut kommt es in der serbischen Hauptstadt zu Protesten. Die Opposition zweifelt das offizielle Wahlergebnis an und erhöht den Druck auf Vucic.

Belgrad - Am Abend des 17. Dezember triumphierte der serbische Präsident Aleksandr Vucic. Bei der vorgezogenen Parlamentswahl hatte er laut der offiziellen Hochrechnungen die absolute Mehrheit der Stimmen geholt. Doch schnell wurden Zweifel an der Korrektheit des Ergebnisses laut.

So kritisierten Wahlbeobachter des der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), des EU-Parlaments und des Europarats, dass es bei den Wahlen zu Unregelmäßigkeiten gekommen sei. So seien beispielsweise Urnen mit gefälschten Stimmzetteln gefüllt worden.

Wähler aus Bosnien nach Belgrad gebracht?

Laut der Opposition seien zehntausende Serben aus der bosnisch-serbischen Teilrepublik Srpska in Bussen nach Belgrad geschafft worden. Sie hätten jedoch in Serbien kein Stimmrecht gehabt, da Srpska völkerrechtlich ein Teil Bosniens ist. Unter ihnen genießt aber der populistische Vucic besonders viel Zustimmung. Er unterhält gute Beziehungen zur Führung der bosnischen Serben.

Die Demonstration am Samstag (30. Dezember) war die bislang größte seit der Verkündung des Wahlergebnisses. Der Oppositionspolitiker Radomir Lazovic forderte dabei die Abhaltung von Neuwahlen unter internationaler Aufsicht. Die durch einen Hungerstreik geschwächte Oppositionspolitikerin Marinika Tepic hatte nur einen kurzen Auftritt.

Vucics Stärke auf dem Land

Die Massendemonstrationen zeigen, dass viele Menschen nicht bereit sind, das Ergebnis der Serbien-Wahl anzuerkennen. Vor allem in der Hauptstadt Belgrad regt sich Widerstand. Hier besitzt die Opposition mehr Zuspruch als in kleineren Städten oder auf dem Land. Diese Gebiete sind eher Hochburgen von Vucics „Fortschrittpartei" (SNS). Das hängt auch damit zusammen, dass gerade in kleineren Städten gute Jobs ohne Kontakte zu den regionalen Vertretern der SNS schwer zu bekommen sind. Hier ist auch der Einfluss der staatlichen Medien besonders stark, die Vucic im serbischen Wahlkampf unterstützt haben.

Vucic und die EU

Trotz der Zweifel an der Korrektheit des Wahlergebnisses ist Vucic bisher für die EU ein Garant für Stabilität in seinem Land gewesen. Vucic ist berechenbarer als sein einstiger Mentor Slobodan Milosevic. Angesichts der instabilen Lage in Südosteuropa und dem Krieg in der Ukraine ist die Vorstellung eines instabilen Serbiens für viele Beobachter abschreckend. Wohl auch deshalb hat die EU die Beitrittsgespräche mit Serbien weiter vorangetrieben, obwohl die demokratischen Defizite im Land und die Machtkonzentration in den Händen Vucics bekannt sind.

Dass Vucic der Opposition einfach das Feld überlässt, erscheint unwahrscheinlich, zumal er nicht nur bei vielen Menschen außerhalb Belgrads, sondern offensichtlich auch bei Polizei und Militär weiter Unterstützung genießt. Der Ausweg könnten Neuwahlen im Laufe des kommenden Jahres zu sein, die möglichst flächendeckend durch internationale Beobachter überwacht werden. Vorteilhaft wäre es, wenn dabei sowohl Beobachter aus EU-Staaten als auch aus nicht-westlichen Ländern wie Brasilien, Südafrika oder Indien sowie neutralen Ländern anwesend sind.


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