WIESBADEN - Mit dem attraktiven Lehrer während der Schul-Lesenacht rumknutschen, von feierwütigen Abiturienten angekotzt werden und mit rassistischen Stammtischparolen am Elternsprechtag konfrontiert werden: Das Leben einer Schulsekretärin ist nicht immer ganz einfach. Zumindest bekommt man schnell diesen Eindruck, wenn man sich dem Erstlingswerk des Hamburger Autors Maryanto Fischer widmet.
Recherche bei der eigenen Schulsekretärin
Für sein erstes Buch „Kann ich Pflaster für mein Handy, Frau Steinbeck?" recherchierte der Journalist echte Sekretärinnen-Storys und lässt sie seine fiktive Protagonistin „Desiree Steinbeck" noch einmal durchleben. In Rahmen einer Kooperation von Hugendubel und dieser Zeitung las der gebürtige Hanauer am Samstagabend in der Filiale in der Wiesbadener Kirchgasse.
Auf der Höhe des Hypes rund um die Kino-Komödie „Fack ju Göthe" kam dem Herausgeber von Fischers Buch die Idee, sich des Themas anzunehmen.
In einer Dekade Lokaljournalismus beim Hanauer Anzeiger begleitete der 35-Jährige viele Schulveranstaltungen, Pressetermine und Theateraufführungen. „Die Arbeit als Journalist hat mir bei der Recherche viel geholfen", sagt Fischer. Nach der Anfrage des Verlags setzte er sich direkt mit seiner damaligen Schulsekretärin in Verbindung.
„Im Gegensatz zu Lehrern und Direktoren spiegeln die Sekretärinnen oft die ,gute Seele' der Schule wider", weiß Fischer. Im Rahmen seiner Lesung wurden ebenfalls Schulsekretärinnen aus der näheren Umgebung eingeladen - ungefähr zehn Besucherinnen folgten dem Ruf des Autors. „Kennen Sie eigentlich Lesenächte in der Sporthalle? Gibt es sowas noch bei Ihnen?", fragte Fischer in die Runde. Eifriges Nicken in der dritten Reihe sollte ihm die Antwort geben.
Manche Kapitel haben es nicht ins Buch geschafft
„Wir haben das Buch als ,populäres Sachbuch' herausgegeben", sagte Fischer, „In Schulen passieren leider auch schlimme Dinge, etwa Misshandlungen oder Abschiebungen von Schülern." Da man sich intern auf ein humorvolles, spaßiges Buch geeinigt hatte, schafften es manche Kapitel nicht ins Buch.
Das Kapitel „Braune Scheiße" las er dennoch, nicht zuletzt aufgrund aktueller politischer Diskussionen, von seinem Smartphone ab. „Mein Vater hat gesagt: Die Schwarzen sollen wieder dahin zurückgehen, wo sie hergekommen sind", zitierte Fischer den Schüler Marcel. Auch solche Geschichten gebe es im Schulalltag.
Die Identifikation mit einer weiblichen Protagonistin habe sich nur mit großem Rechercheaufwand meistern lassen: „Frau Steinbeck ist an eine gute Freundin von mir angelehnt, der Lehrer, der ihr den Kopf verdreht, verkörpert ein Stück weit meinen Ex-Freund."
Fischer leitet heute die Online-Redaktion von TV Movie. Der Seitenwechsel vom neutralen Beobachter hin ins Rampenlicht fiel ihm anfangs schwer - mittlerweile genießt er das direkte Feedback vom Publikum. Weniger entspannt seien da so manche Online-Bewertungen, auch die müsse man hinnehmen: „In einer Amazon-Bewertung hat mich einer für meinen kindlichen Sprachstil kritisiert - aber was soll ich machen, so bin ich halt."
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