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Was tun, damit im Betrieb kein Corona ausbricht?

Regelmäßig gibt es große Corona-Ausbrüche am Arbeitsplatz. Das ist nicht nur für die Mitarbeiter gefährlich, sondern legt den Betrieb lahm. So wollen Unternehmen das verhindern.

Betritt man das ältere der beiden Fertig Motors-Werke in Marktheidenfeld, blickt man zuerst einmal sich selbst ins Gesicht. Hüfthoch vor sich zeigt einem ein kleiner Bildschirm, ob man eine Maske trägt und wie hoch die Temperatur des eigenen Körpers ist. Die Technologie ist ähnlich wie bei einer Wärmebildkamera.


Das ist aber bei weitem nicht die einzige Maßnahme gegen Corona, die Dietmar Hamberger zeigen möchte. Seit circa vier Jahren ist er Geschäftsführer des Marktheidenfelder Motoren-Bauers. Vor kurzem feierte das Unternehmen zehnjähriges Bestehen. Eigentlich wollte diese Redaktion nur ein kurzes Statement zu der Frage, wie Fertig Motors versucht, Corona-Infektionen im Betrieb zu verhindern. Hamberger rief gleich zurück: Er zeigt es lieber.

Es ist kurz nach Weihnachten. Die etwas nervenbelastende Computerstimme der Temperatur-Messstation fordert zum fünften Mal zum Nähertreten auf und Hamberger sagt: "Eigentlich lassen wir gar keine externen Gäste mehr hier rein. " Heute sei aber nichts los. 


Wo sich die Leute mit Corona anstecken, ist noch immer erstaunlich unklar. Nur bei einem Viertel aller Fälle kann das Robert-Koch-Institut den Ursprung nachverfolgen, zwischenzeitlich war es sogar nur ein Fünftel. Der bislang letzte epidemiologische Bericht dazu kam im Oktober. Er zeigt statistisch: Die Menschen stecken sich selten in der Arbeit an. Wenn es aber passiert, dann kracht es richtig.

Bei jedem Corona-Ausbruch am Arbeitsplatz infizieren sich im deutschlandweiten Schnitt 14 Personen. Höher sind hier nur die Zahlen in Betreuungseinrichtungen, Alters- und Flüchtlingsheimen. Doch deren Bewohner bleiben oft unter sich. Wer sich auf der Arbeit ansteckt, trägt das Virus jedoch weiter in seine Familie. Hamberger sagt deshalb: "Ich habe gerade nur zwei Prioritäten. Die erste ist die Gesundheit meiner Mitarbeiter."

Die zweite Priorität sei das Aufrechterhalten des Betriebs. 60 Menschen arbeiten normalerweise in der Produktion. Es gibt nur eine Schicht. Wenn nur ein Mitarbeiter darunter infektiös wäre, stünde der Betrieb still. In der ersten Welle stellte Fertig Motors deshalb auf zwei Schichten zu je zwei Gruppen um. Jede Gruppe hat eine eigene Farbe, eigene Pausen- und Sanitärräume. Sie kommen zeitversetzt zur Arbeit und gehen zeitversetzt. 

Anstatt 60 beträfe das Virus so potenziell nur 15 Mitarbeiter. Hat jemand leichte Grippesymptome, soll er daheim bleiben. "Wir hatten teilweise einen Krankenstand von 20 Prozent. Die Produktionsleistung ist eingefallen, die Lieferzeit nach oben geschnellt", sagt Hamberger. Die Kunden waren natürlich nicht erfreut. "Aber was soll ich machen? Es würde mehr kosten, wenn gar nichts mehr ginge."


Wie andere große Main-Spessarter Unternehmen Infektionen verhindern wollen

Nur einige Meter von Fertig Motors entfernt, hat Warema seinen Hauptsitz. Dort ist man bei der Infektions-Bekämpfung ähnlich wie bei Fertig Motors vorgegangen. Früh habe man Desinfektionsmittelspender aufgestellt, Mitarbeiter geschult, Schichten getrennt, heißt es aus der Pressestelle. Seit einigen Wochen gilt die Maskenpflicht auf den Verkehrswegen, für die Sanitäreinrichtungen sei sie im Gespräch. Das Unternehmen hat außerdem eine Corona-Hotline für die Mitarbeiter eingerichtet. 

Bosch Rexroth in Lohr geht bei der Maskenpflicht sogar noch einen Schritt weiter. Aus deren Pressestelle heißt es, dass die Mitarbeiter auf dem Betriebsgelände grundsätzlich einen Mund-Nase-Schutz tragen müssen. "Qualitätsgeprüfte Mund-Nase-Bedeckungen werden firmenseitig zur Verfügung gestellt." Zusätzlich hat Bosch Rexroth mehr Möglichkeiten für mobiles Arbeiten ergriffen. Bei Systec wird an den Standorten Karlstadt und Gössenheim darauf geachtet, dass in den Schichten immer dieselben Arbeitsgruppen tätig sind. Abstand und Maske seien ohnehin obligatorisch, heißt es. Hinzu kommt, dass die Pausenräume gesperrt wurden.


Corona zwingt zur Innovation

Schlendert man durch die Produktionshalle von Fertig Motors sieht man eigentlich all diese Maßnahmen umgesetzt. Es wurde schließlich doch noch ein Rekordjahr. Die Produktionszeiten gingen im Laufe der ersten Welle relativ rasch wieder hoch. Fertig Motors stellte die Leiharbeiter ein, die bei anderen Industriebetrieben gehen mussten. Und für Hamberger war es auch ein Jahr der Innovation, gerade in Sachen Digitalisierung.

Mitarbeiter, die auf den Ablauf der Abschreibungsdauer ihrer Computer warteten, bekamen schnellst möglich neue Laptops. "Die Programme, mit denen wir arbeiten, brauchen leisungsstarke Computer, zwei Bildschirme. Als es anfangs ins Home Office ging, hatten manche Mitarbeiter den ganzen Kofferaum voll mit Geräten", erinnert sich Hamberger und lacht. Inzwischen können 80 Prozent der Mitarbeiter ins Homeoffice. Als im Oktober dann langsam die zweite Welle anrollte, sei es einfach gewesen, wieder zu den erprobten Maßnahmen zurückzukehren. 


Was, wenn Infektionen ausbrechen?

Was Infektionen im Betrieb angeht, habe Fertig Motors Glück gehabt, meint Hamberger. Ein Mitarbeiter habe sich in der ersten Welle beim Skifahren angesteckt. Er kam nicht zur Arbeit. Ein zweiter wurde im Sommer positiv getestet. Urlaube wurden verschoben, Familienfeiern abgesagt. Am Ende hatte sich niemand weiteres angesteckt. "Das war ein guter Testlauf für uns. Wir konnten sehen, ob unsere Maßnahmen greifen und auf was das Gesundheitsamt achtet", sagt Hamberger. Die Essenz daraus: Abstand, Lüftung, Maske und Dauer des Kontakts. "Nach diesen Kriterien haben wir alles noch einmal überprüft."


Ähnliches hört man auch von Warema. Seit März habe es an allen Standorten in Deutschland etwa 30 Fälle gegeben, schreibt die Pressestelle. Oft habe man Glück gehabt, weil Mitarbeiter sich zum Beispiel im Urlaub angesteckt haben oder am Wochenende und es so gar keinen Kontakt zu Kollegen gab. Vor Kurzem gab es auch Kritik aus der Wirtschaft am Main-Spessarter Gesundheitsamt.

Von Warema heißt es jedoch, dieses hätte in den Fällen immer recht schnell gehandelt. Man könne aber verstehen, dass die Situation in den Gesundheitsämter gerade schwierig ist. Ähnliches schreibt auch Bosch Rexroth. "Die Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsamt des Landkreises Main-Spessart klappt aus unserer Sicht gut."


Ob er manchmal Angst habe, was passiere, wenn es zum Worst Case kommen sollte, fragt der Reporter Hamberger am Ende des Rundgangs. Der antwortet: "Vom Unternehmen her sehe ich das gelassen. Die Investitionen in die Hygiene sind wichtig. Das wenigste ist so teuer wie eine Wärme-Mess-Station." Es schlafe sich einfach besser, wenn man ein gutes Konzept habe. 



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