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„Kann Aufwach-Effekt geben": Wie sich das Vorrunden-Aus auf die Wirtschaft auswirkt

Große Turniere lösen große Emotionen aus. Das hat direkte Konsequenzen für die deutsche Wirtschaft. Christoph Schröder, Arbeitsmarkt-Experte des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW), erklärt: „Kurzfristig sind lediglich Fanartikel-Hersteller und natürlich auch der Veranstaltungs- und Gastronomiebereich betroffen."


Stefanie Heckel, Pressesprecherin des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes, sieht das genauso: „Das frühe Ausscheiden der Nationalelf ist für die Gastronomen eine große Enttäuschung in sportlicher - und geschäftlicher Hinsicht", sagt Stefanie Heckel. Vor dem Hintergrund der vergangenen Jahre sei die Erwartung hoch gewesen. Betriebe hätten viel in Leinwände, Fernseher sowie Waren und Personal investiert, so Heckel weiter.


WM-Aus kann mehrere 10.000 Hektoliter Bier pro Spiel weniger bedeuten

Auch die deutschen Brauereien haben sich mehr erhofft. Nach bisher hervorragenden Verkaufszahlen im Mai und Juni - es war sogar von einem Rekord-Jahr die Rede - wäre ein langes Turnier wünschenswert gewesen. Wie die „Welt" berichtet, befürchten Branchen-Insider nach dem WM-Aus nun, mehrere 10.000 Hektoliter pro ausgefallenem Deutschland-Spiel weniger zu verkaufen.


Veltins rechnet mit 40 Millionen Euro Verlust aller Brauereien zusammen

Laut Schätzungen der Privatbrauerei Veltins gehen den deutschen Brauern durch das Ausscheiden 40 Millionen Euro an möglichem Mehrumsatz durch die Lappen. Bei einem Weiterkommen des deutschen Teams hätte es in der zweiten WM-Hälfte erfahrungsgemäß ein zusätzliches Absatzpotenzial von etwa 400 000 Hektolitern für die hiesige Braubranche gegeben, so ein Sprecher der Brauerei zur dpa. Dies könne nun nicht mehr erzielt werden.


Marc-Oliver Hahnholz, Pressesprecher des Deutschen Brauer Bundes, bestätigt, dass sich das frühe Ausscheiden negativ auf die Verkäufe auswirkt. Wie auch die Gastronomen hoffen die Brauer nun auf Sonnenschein, der nicht nur Fußballfans in die Biergärten lockt. „Wenn das Wetter mitspielt, könnte das Ausscheiden nur geringe Folgen für uns haben", hofft Hahnholz.


Adidas-Aktie rauscht ins Minus

Obwohl noch andere von Adidas ausgerüstete Teams in der Weltmeisterschaft vertreten sind - darunter die Deutschland-Gegner Mexiko und Schweden - rauschte die Aktie des Ausrüsters des Deutschen Fußballbunds nach dem Aus der DFB-Elf um zwei Prozent ins Minus.


Auch der Dax notierte am Donnerstag zu Handelsbeginn 50 Punkte im Minus. Jochen Stanzl, Marktanalyst bei CMC-Markets sieht dafür jedoch andere Gründe, etwa die unsichere Lage zwischen den USA und China: „Das Aus war tragisch. Wirtschaftlich relevant ist Fußball jedoch nicht."


„Effekte großer Sportereignisse werden maßlos überschätzt"

Der Aktien-Experte geht davon aus, dass sich die negativen Gefühle nicht so stark auf die Märkte auswirken werden, wie es ein Erfolgserlebnis hätte tun können. „Investieren ist immer eine Vertrauenssache. Wenn eine positive Stimmung herrscht, kann tendenziell auch mehr investiert werden." Der negative Effekt auf die Wirtschaft sei also eher das Ausbleiben von positiven Effekten.


„Das Ausscheiden hat keine nennenswerten volkswirtschaftlichen Auswirkungen - wie es auch das Weiterkommen nicht gehabt hätte", sagt Professor Gert G. Wanger vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). „Die volkswirtschaftlichen Effekte großer Sportereignisse werden maßlos überschätzt." Das zeigten Dutzende wissenschaftliche Studien, so der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler.


IW-Experte sieht zwei langfristige Folgen des WM-Aus

Dem widerspricht Arbeitsmarkt-Experte Christoph Schröder. Zwar gebe es keine messbaren Werte. Jedoch könnte sich die Niederlage gegen Südkorea und die daraus resultierende Stimmung noch Jahrzehnte später auf die Wirtschaft auswirken. „Nach dem Gewinn der WM 1954 ging eine große Aufbruchstimmung durchs Land. Auch die WM 2006 löste ein positives Nationalgefühl aus", sagt Schröder. Jetzt sieht Schröder zwei Wege für die Wirtschaft.

Die fehlende Euphorie könnte Deutschland einerseits auf einen negativen Pfad führen. „Die Menschen könnten resignieren - nicht nur vor der Nationalmannschaft, sondern auch vor Politik und Wirtschaft."


„Kann Aufwach-Effekt geben"

Doch der IW-Experte hat die Hoffnung, dass ein anderer Effekt eintreten wird. Die deutsche Politik könne von der Nationalmannschaft lernen, dass es nicht selbstverständlich sei, immer weiterzukommen. „ Dies kann einen Aufwach-Effekt geben , dass man Besetzung und System auch mal ändern muss, um weiter Fortschritt zu garantieren", erklärt Schröder. Genauso wie die Nationalmannschaft könnte auch die Politik realisieren, dass man bei wichtigen Zukunftsfragen nun die Ärmel hochkrempeln müsse.


Dies könnte beispielsweise dazu führen, dass Deutschland die Chancen der Digitalisierung besser nutzt und sich dem demografischen Wandel mutiger stellt - dass also statt einem „Weiter so" echte Zukunftsvorsorge betrieben werde, so Schröder.

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