Martin Ebner

Freier Autor, Konstanz (Radolfzell)

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Buch

"Panzer haben wir keine gebaut": Die Entnazifizierung von Zeppelin, Maybach, Dornier & Co.

Wie die Friedrichshafener Industriellen nach 1945 “entnazifiziert” wurden – Gewerkschaft: “Die Großen läßt man laufen”


“Es ist ungeschickt, die kleinen Leute zu schikanieren, die Verantwortlichen aber laufen zu lassen”, schimpfte im Oktober 1947 der französische Kreisdelegierte Merglen auf die Entnazifizierung. Nicht nur einfache “Parteigenossen”, auch die “großen Chefs” müßten endlich bestraft werden: “Sie haben ihr technisches Genie in den Dienst des Nazi-Krieges gestelllt. Bei Zeppelin wurden V1-Raketen hergestellt, Maybach war stolz auf seine Panzermotoren, und unter den Ruinen findet sich das letzte Flugzeugmodell, das Dornier vor dem Einmarsch der französischen Truppen noch fertigstellen wollte.”

Zunächst hatten wie 2500 andere Friedrichshafener auch die Leiter der Großbetriebe im Frühjahr 1946 einen Fragebogen zu ihrer NS-Vergangenheit ausfüllen müssen. Während aber “einfache Fälle” bei der “politischen Säuberung” in 3 Minuten abgehandelt wurden, zogen sich die Verfahren der 15 prominentesten Industriellen in die Länge: Verschiedene französische und deutsche Dienststellen konnten sich nicht einigen.

Der örtliche “Kreisuntersuchungsausschuß” (KRUA) stellte zwar fest, daß die Topmanager sich nicht aktiv in NS-Organisationen betätigt hätten und im Krieg nicht für die schlechte Behandlung der Zwangsarbeiter verantwortlich gewesen seien. Andererseits seien sie aber “Wehrwirtschaftsführer” gewesen – “Nutznießer und Kriegsgewinnler”. Man müsse auch diese “Grenzfälle ihrer Gerechtigkeit zuführen”.

Als “andere Volksgenossen Gut und Blut opferten”, hätten sich die Unternehmer “ein Millionenvermögen zusammengetragen”. Allein Claude Dornier, der reichste von ihnen, habe pro Jahr über eine Million Reichsmark verdient. Es sei “nur recht und billig”, wenn sie nun hohe Geldsummen für den Wiederaufbau zahlen müßen. In den Entnazifizierungsgesetzen seien so hohe Strafen zwar nicht vorgesehen, aber das schwer zerstörte Friedrichshafen habe ein Recht auf eine “Sonderstellung”. 

Der Tübinger Säuberungskommissar Otto Künzel (SPD) wollte dem nicht zustimmen. Die Gesetze würden auch in Friedrichshafen gelten. Eine “Nutznießung” könne aber nicht hieb- und stichfest nachgewiesen werden: Die Industriellen hatten zum Teil vor dem Krieg noch mehr verdient und machten Verluste durch das NS-Regime geltend. Künzel plädierte für mildere Maßnahmen.

Nach monatelangem Hin und Her wurde es Gouverneur Widmer zu bunt. Er ordnete kurzerhand an, die Vorschläge des KRUA sollten gelten. Am 17.1.1948 veröffentlichte das “Regierungsblatt” die Sanktionen: Geldbußen von 5.000 Reichsmark (für einen Dornier-Kaufmann) bis zu 300.000 Reichsmark (für Claude Dornier), Untersagung einer leitenden Tätigkeit und Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte für 3 bis 5 Jahre.

Diese Entscheidungen erregten großes Aufsehen. Bei KPD, SPD und den Gewerkschaften fanden sie große Zustimmung. Nun würden die Industriellen bald “ihre Popularität und ihren Einfluss verlieren”, hoffte der Kreisdelegierte Merglen.

Da hatte sich Merglen allerdings zu früh gefreut. ...


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Die Studie zur "Entnazifizierung" in Friedrichshafen ist auch als E-Book erhältlich.