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Tiktok im Unterricht: Lehrerin tauscht mit Influencern

Influencer im Klassenzimmer: Am Goethe-Gymnasium werden Tiktoks zur politischen Bildung produziert. © christoph boeckheler*

Jugendliche sind häufig auf Tiktok - das weiß „Digital School Story" und vermittelt digitale und inhaltliche Kompetenzen. Am Frankfurter Goethe-Gymnasium kommen die Kurzclips an.

Am Wochenende sind es auch mal vier bis sechs Stunden", sagt Adelina. „Unter der Woche aber nur so zwei." Die 18-Jährige Schülerin des Goethe-Gymnasiums spricht über die Zeit, die sie täglich auf Social Media verbringt - auf Instagram und Tiktok. Deshalb steigen Adelina und ihre Mitschüler:innen in dieses Halbjahr mit Tiktok ein. Seit Anfang März produzieren sie im Politik-- und Wirtschaftsunterricht des elften Jahrgangs Kurzclips zum Thema Nachhaltigkeit. Für die passende Unterstützung macht Lehrerin Sonja Boden Platz für einen echten Tiktoker: Alex Freerun.

Ausgedacht hat sich das Videoprojekt Unternehmerin Nina Mülhens. 2020 gründete sie das Start-up Digital School Story (DSS) und geht seitdem damit an deutsche Schulen. „Die Jugend ist passiv auf Social Media," sagt sie. „Überall wird gedacht, nur weil sie ‚Digital Natives' sind, dass sie die Plattformen auch beherrschen. Dabei ist das Gegenteil der Fall." Im vergangenen Jahr haben rund 2900 Schüler:innen an DSS teilgenommen. Jetzt sind auch die Schüler:innen des Goethe-Gymnasiums dabei.

Das Start-up kooperiert mit verschiedenen Content-Creatorn. Der 24-jährige Alex Freerun, der die Gruppe am Goethe-Gymnasium begleitet, produziert seit 2018 Videos für Tiktok, Instagram und Youtube. DSS findet er gut, weil er früher im Unterricht selbst immer mit Videos gearbeitet hat und das gut ankam. „Aber es kostet viel Mut und Überwindung, selbst ein Video zu drehen und sich vor die Kamera zu stellen", sagt er. „Heute haben wir in der Klasse gesehen, dass mit Lego-Figuren und verzerrten Stimmen gearbeitet wurde." Mit Anleitung und Feedback könne die Scheu vor der Kamera überwunden werden.

Die restlichen Gruppen der Klassen haben sich in ihren drei- bis fünfminütigen Clips anderen Fragen gewidmet: Wie betreibt McDonalds Greenwashing, wie böse ist Nestlé und was bringen uns erneuerbare Energien? Lehrerin Sonja Boden führt Digital School Story bereits zum dritten Mal in unterschiedlichen Altersstufen am Goethe-Gymnasium durch. Dabei stellt sie Unterschiede fest. „In der siebten Klasse waren die technischen Schwierigkeiten in der Umsetzung der Videos im Vordergrund", sagt sie. „Die 13. Klasse hingegen kritisierte das inhaltliche Niveau. Es hat sich eine gewisse Formatskepsis gezeigt."

Die Schüler:innen hätten infrage gestellt, ob in kurzen Videos thematisch tief genug für Inhalte der Oberstufe gearbeitet werden könne. Auch die Kompetenzen eines Influencers hätten sie infrage gestellt. „Nach dem Motto, ‚er hat ja gar keine Ausbildung'", sagt die Lehrerin. Das Start-up und der Tiktoker Alex sehen darin die Lernaufgabe im digitalen Bildungsbereich. „Es geht darum, sich sehr gut in einem Thema auszukennen und es dann auf den Punkt zu bringen", sagt der 24-Jährige. „Das fällt auch den Creatorn schwer, wenn viel gefilmt wurde und dann alles zusammengefasst werden muss."

Die Abwechslung im Unterricht kommt bei Adelina gut an. Mit drei weiteren Schülerinnen hat sie ein Video zur Umweltverträglichkeit von E-Zigaretten gemacht. „Das Thema geht gerade durch die Generation Z, und wir haben einen aktuellen Fall dazu gefunden", sagt sie. Im Video bedient sich die Gruppe an Spongebob-Memes, einem fiktiven Hackerangriff und dem Tagesschau-Studiohintergrund. Alex gibt ihnen letzte Hinweise, bevor die Clips über Ostern fertig gestellt werden.

„Ihr müsst euch fragen, was überflüssig ist", sagt er und zeigt, was technisch noch alles möglich ist. „Ich möchte unbedingt den Tipp mit dem Greenscreen umsetzen", sagt Adelina „und mich direkt ins Nachrichtenstudio schneiden." Niemand in ihrer Klasse sei Influencer oder Tiktoker. Die Kompetenzen seien aber für manche Berufe bestimmt von Vorteil, sagt die 18-Jährige.

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