Marcel Richters

Onlineredakteur, Frankfurt am Main

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Randale in Stuttgart: Das kann kaum verwundern

Wenn sich Politiker von der Eskalation überrascht zeigen, zeigt das nur, wie weit sie sich inzwischen von potentiellen Wählerinnen und Wählern entfernt haben. Ein Kommentar.

Die Randale von Stuttgart war überfällig. Sie war nicht notwendig oder ist irgendwie gut zu heißen, aber dass es zu diesem Gewaltausbruch kam, kann kaum verwundern.

Es ist eine explosive Mischung, die derzeit zusammenkommt. Langeweile durch die Corona-Pandemie, dazu drohende Existenzkrisen insbesondere für Menschen in prekärer Beschäftigung. Außerdem warme und lange Nächte, vielleicht noch Drogen und Alkohol. Und das alles in einer Stadt, in der man gerne zeigt, was man hat.


Stuttgart: Polizei für Migranten selten „Freund und Helfer"

Nach ersten Erkenntnissen waren eine Polizeikontrolle und Solidaritätsbekundungen von Umstehenden Auslöser der Krawalle. Das ist ebenso wenig verwunderlich. Besonders unter migrantischen Jugendlichen hat die Polizei nur selten den Ruf eines „Freund und Helfers" - und noch weniger nach den Protesten der vergangenen Wochen.

Wenn sich Politikerinnen wie die SPD-Co-Vorsitzende Saskia Esken von der Eskalation überrascht zeigen, dann weist das nur darauf hin, wie weit sie sich inzwischen von potentiellen Wählerinnen und Wählern entfernt hat. Natürlich gibt es keine Rechtfertigung für die Ausschreitungen. Genauso wenig sind diese zu entschuldigen. Aber zu verstehen, wie es so weit kommen konnte, ist nicht so schwer, wie jetzt vielleicht einige Politikerinnen und Politiker glauben machen wollen.


Randalenacht in Stuttgart: Wurzel des Problems liegt tiefer

Wichtiger, als „harte Strafen" wäre es sich der Frage zu widmen, wie sich derartige Ausschreitungen in Zukunft verhindern lassen könnten. Die Antwort darauf werden vermehrte Streifen in der Stuttgarter Innenstadt sein und womöglich sogar neue Gesetze, welche diese Akte der Gewalt unter schärfere Strafe stellen.

Damit geht es aber nicht an die Wurzel des Problems. Das liegt tief in der Vergangenheit, in einer Zeit, als Menschen als „ Gastarbeiter " in die Bundesrepublik geholt wurden, um bei Mercedes und Porsche die Dienstwagen der Vorstandsetagen zusammenzuschrauben. Schon das Wort „Gastarbeiter" impliziert, dass nie geplant war, dass diese Menschen Teil der deutschen Gesellschaft werden.

Aber jetzt sind sie seit Generationen hier und werden von der Gesellschaft und vor allem der Polizei trotzdem als „fremd" und „unzugehörig" angesehen. Das hat sich in der Nacht zu Sonntag in Stuttgart bemerkbar gemacht.


Marcel Richters

In den USA kommt es seit Wochen zu Auseinandersetzungen und schweren Protesten gegen Polizeigewalt. Auslöser war der Mord an George Floyd, für den Polizisten verantwortlich sind.

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