Marcel Richters

Onlineredakteur, Frankfurt am Main

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Umstrittener Redner tritt an der Goethe-Uni auf

Der Name der Konferenz an der Frankfurter Goethe-Universität klingt harmlos. „Familienkonflikte gewaltfrei austragen“, veranstaltet von der AG Familienkonflikt. Auch ein erster Blick ins Programm macht noch nicht stutzig. Es finden sich Vorträge zu Gewalt in Familie und Partnerschaft. Unter den Referenten sind Professorinnen und Professoren renommierter Hochschulen versammelt. Aber was harmlos scheint, ist es nicht unbedingt. Die Organisatoren der Konferenz stehen in Verbindung mit einem Institut, das für die Forschung zur „Reorientierungstherapie“ bekannt ist. Stört sich die Goethe-Universität nicht an solchen Verbindungen? Merkurist hat nachgefragt.

Umstrittener wissenschaftlicher Leiter

Der wissenschaftliche Leiter der Veranstaltung ist der in Frankfurt geborene Dr. Gerhard Amendt. Amendt kann als Professor und ehemaliger Berater der Weltgesundheitsorganisation (WHO) auf eine beeindruckende Karriere zurückblicken. Neben dem Betrieb des Ikaru-Verlags in Frankfurt-Bockenheim publizierte Amendt auch beim Deutschen Institut für Jugend und Gesellschaft (DIJG). Bekannt ist das Institut für seine Forschung zur „Reorientierungstherapie“, eine fragwürdige „Therapie“ mit dem Ziel, Homosexuelle „umzuorientieren“, also heterosexuell zu machen. In den beim DIJG veröffentlichten Artikeln von Amendt (Link zu Artikel 1, Link zu Artikel 2) wird Homosexualität u.a. in die Nähe von Pädophilie und Perversion gerückt. Zudem solle die homosexuelle Fortpflanzung, etwa wenn schwule und lesbische Paare heiraten und adoptieren können, zum Wohle der Kinder abgelehnt werden.


Beim Adoptionsrecht für homosexuelle Paare fordert Amendt, diese „aggressive Parodie“ zu „bändigen“. Darüber hinaus zählt die Friedrich-Ebert-Stiftung Amendt in ihrer Publikation „Geschlechterkampf von rechts“ von 2010 zu den führenden Köpfen der „antifeministischen Männerrechtsbewegung“. Ebenfalls wurde Amendt von der Männerarbeit in der Evangelischen Kirche Deutschlands in einem offenen Brief kritisiert, nachdem er die Abschaffung der Frauenhäuser gefordert hatte.


Organisator steht mit „Demo für Alle“ in Verbindung

Ebenfalls fragwürdig erscheint der Organisator der Veranstaltung, Tom Todd. Dieser ist zweiter Vorsitzender des AGENS e. V. Der Verein gibt vor, auf die „Gleichberechtigung von Mann und Frau hinzuarbeiten“, kooperiert mit Gruppen wie der „Demo für Alle“, die bereits mehrfach wegen ihres Frauen- und Familienbildes in der Kritik stand. Erst im Januar demonstrierten in Frankfurt 2.500 Menschen gegen eine Konferenz der „Demo für Alle“, Oberbürgermeister Peter Feldmann hatte die Demonstration mit einem Redebeitrag unterstützt. AGENS selbst gibt sich weniger wissenschaftlich als das DIJG. So wird auf der Website des Vereins geschlechtsneutrale Sprache als „Manipulationsversuch“ an der Gesellschaft bezeichnet und es wird vor der Ausbreitung von „Homosexualität als neue Normalsexualität“ gewarnt. Auch vor Verschwörungstheorien schreckt man bei AGENS nicht zurück, wie Artikel auf der Website zeigen. Trotz dieser Hintergründe soll es sich bei der Konferenz in Frankfurt um eine wissenschaftliche Veranstaltung handeln.

Werbung mit nicht vorhandener Akkreditierung

Die Veranstaltung wurde noch bis vor kurzem mit Anerkennung der Landesärztekammer und der Psychotherapeutenkammer als Fortbildungsveranstaltung beworben. Inzwischen ist der Abschnitt umgeschrieben und es wird nur noch eine Beantragung bei der Psychotherapeutenkammer erwähnt. Diese machte auf Anfrage von Merkurist klar, dass der Antrag auf Akkreditierung zwar vorliege, aber „eine Entscheidung darüber, anders als es der Internetauftritt der Tagung suggeriert, noch nicht getroffen wurde“ und dass „aus organisatorischen Gründen eine Anerkennung erst rückwirkend erfolgen könnte“, wenn überhaupt.

Die Landesärztekammer Hessen hatte aufgrund formal korrekter Kriterien „keine Handhabe, die Bepunktung zu verweigern“, wie sie auf Anfrage mitteilt. Allerdings wurde die Anerkennung inzwischen aufgrund eines „nachträglich festgestellten formalen Fehlers“ widerrufen.

Goethe-Universität weist Kritik zurück, Veranstalter bleiben wortkarg

Die Goethe-Universität, die ihre Räume für die Veranstaltung zur Verfügung stellt, verweist auf ihre Tochtergesellschaft CAMPUSERVICE GmbH. Diese sei allein für die Vermietung verantwortlich und habe die Veranstaltung im Vorhinein geprüft, so der Sprecher der Universität Dr. Olaf Kaltenborn. Nur weil man Räume vermiete und bezahlungspflichtigen Service anbiete, heiße das nicht, dass man sich mit den Inhalten einer Veranstaltung identifiziere. Die aktuelle Konferenz sei aufgrund einer eingereichten Veranstaltungsskizze erlaubt worden und habe keinen Grund zur Kritik gegeben, da „der Kongress als Fortbildungsveranstaltung von der Landesärztekammer und der Psychotherapeutenkammer anerkannt wird“. Man wolle den Fall aber zum Anlass nehmen, CAMPUSERVICE zu bitten, ihr Verfahren zu überprüfen und gegebenenfalls nachzujustieren.

Wie reagiert die Universität auf die Vorwürfe?

Birgit Wollenweber von CAMPUSERVICE erläutert, dass die Anfrage für die Veranstaltung durch das „Institut für Geschlechter & Generationenforschung über die Universität Bremen“ erfolgt sei. Amendt habe sich als Vertreter der Uni Bremen „und damit als Wissenschaftler“ in Frankfurt gemeldet und habe seine Anfrage unter Angabe seiner E-Mail-Adresse an der Uni Bremen gestellt. Daher habe CAMPUSERVICE keinen Zweifel gehabt, dass Amendt zur Universität Bremen gehöre.

gesponsert

Eine Anfrage bei der Universität Bremen ergab ein differenzierteres Bild. So bestand das Institut für Geschlechter- und Generationenforschung von 1996 bis 2002 und wurde von Amendt ins Leben gerufen, mit dessen Weggang aus Bremen aber auch wieder geschlossen. Offizielle Ämter an der Universität Bremen hat Amendt laut Pressesprecherin Kristina Logemann nicht mehr inne, auch sonst ist keine aktuelle Verbindung Amendts zur Universität nachzuweisen. Dennoch hatte er sich offenbar gegenüber der Goethe-Universität als Vertreter der Bremer Universität ausgegeben.


Auch über das Thema Anerkennung als Fortbildung war die Universität in Frankfurt offenbar falsch informiert. Von der zurückgenommenen beziehungsweise noch ausstehenden Anerkennung habe man dort nichts gewusst. Davon erfuhr die Goethe-Universität erst durch Recherchen von Merkurist. Trotzdem werden die falsche Werbung und der Rückzug der Landesärztekammer laut Kaltenborn die Entscheidung der Universität, ihre Räumlichkeiten zu vermieten, nicht beeinflussen.


Wie die Veranstalter selbst zur Kritik an ihnen stehen, bleibt unklar. Auf Nachfrage von Merkurist wollten sie keine Stellung beziehen und verwiesen stattdessen auf eine anstehende Pressekonferenz. Auf der Website des DIJG finden sich nur Stellungnahmen bis zum Jahr 2014. In diesen wird die „Konversionstherapie“, die Homosexuelle zu Heterosexuellen machen soll, wortreich verteidigt.


Korrektur: In einer früheren Version des Artikels war von Konversationstherapie anstatt Konversionstherapie die Rede. Wir bitten diesen Fehler zu entschuldigen.

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