Marcel Richters

Onlineredakteur, Frankfurt am Main

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Ein neuer Stadtteil für Frankfurt - Wo entsteht er, was ist geplant?

In Frankfurter Stadtgebiet wurde es in den vergangenen Jahren eng. Die Mieten steigen immer weiter und wenn tatsächlich einige Unternehmen ihre Überlegungen wahr machen und von London nach Frankfurt umziehen, wird sich die Lage womöglich weiter anspannen. Nun hat die Stadt ein schon länger als „Siedlungs- und Wohnbaufläche" ausgewiesenes Gelände als Standort für einen kompletten neuen Stadtteil im Norden Frankfurts zwischen Steinbach, Niederursel und Praunheim bekanntgegeben. Die von der Stadt präsentierten Entwürfe sind umfangreich. Neben Einfamilien- und Reihenhäusern sind 8500 neue Geschosswohnungen sowie eine umfangreiche Infrastruktur geplant.

Platz von 60 Fußballfeldern

Mit 44,25 Hektar, die einer Fläche von rund 60 Fußballfeldern entsprechen, soll auch genug Raum für Grünanlagen und eine aufgelockerte Bebauung bleiben. Angebunden wird das Areal voraussichtlich mit den U-Bahn-Linien 6 sowie vor allem mit Rad- und Fußwegen. Um die Anwohner in bestehenden Vierteln nicht zu belasten, sollen Autos - ersten Planungen der Stadt nach - über eine Umgehungsstraße in den neuen Stadtteil geleitet werden.

Dass neue Wohnungen notwendig sind, zeigen die immer wieder aufflammenden Proteste gegen zu hohe Mieten in der Stadt. Einer Studie der Stadt Frankfurt von 2015 zufolge soll die Grenze von 800.000 Einwohnern in den kommenden zehn Jahren durchbrochen werden. Das wären nochmal rund 70.000 Menschen mehr, als jetzt in der Mainmetropole leben. Entsprechend wird der neue Stadtteil von Beginn an mit zwei Schulen, mehreren Kindergärten und Geschäften ausgestattet. Einerseits, um umliegende Ortschaften und Stadtteile nicht zu belasten, andererseits, um das Viertel möglichst wohnlich zu machen.

Große Meinungsunterschiede bei den Parteien

„Wir wollen keinen neuen sozialen Brennpunkt schaffen, eine soziale Durchmischung und viel Grün sind zentrale Elemente." - Dr. Albrecht Kochsiek (CDU)

Zwar gibt es erste Entwürfe, aber wie genau der neue Stadtteil aussehen wird, darüber herrscht noch keine Klarheit. Das gesamte Konzept befindet sich in einer frühen Planungsphase, wie sowohl Ursula Busch, Vorsitzende der SPD-Fraktion im Römer, als auch CDU-Stadtverordneter Dr. Albrecht Kochsiek im Gespräch mit Merkurist betonen. „Wir wollen keinen neuen sozialen Brennpunkt schaffen, eine soziale Durchmischung und viel Grün sind zentrale Elemente", so Kochsiek.

„Gewachsene Wohnbereiche, nicht nur eine Planung am Zeichenbrett, sind wichtig, damit der Stadtteil von Anfang an attraktiv wird." - Ursula Busch (SPD)

Busch betont, dass sich der neue Stadtteil hervorragend infrastrukturell anbinden ließe und eine Chance für innovative Planung darstellt: „Gewachsene Wohnbereiche, nicht nur eine Planung am Zeichenbrett, sind wichtig, damit der Stadtteil von Anfang an attraktiv wird."

Es soll keine neue Schlafstadt entstehen, sondern ein lebendiges Quartier. Dass Infrastruktur und Durchmischung wichtige Kernelemente der Planung sind, darüber sind sich alle Fraktionen im Römer einig. Sowohl Eyup Yilmaz von der Linken, als auch Elke Tafel-Stein von der FDP sehen darin wichtige Elemente. Wie genau die Durchmischung ausfallen soll, wird aber wohl Gegenstand kontroverser Diskussionen sein. Während die derzeitige Koalition aus SPD, Grünen und CDU bis zu 55 Prozent geförderten Wohnraum anstrebt, sehen die Oppositionsparteien diesen Anteil kritisch. Yilmaz betont, dass schon jetzt fast die Hälfte der Mieter in Frankfurt Anrecht auf eine geförderte Wohnung hätten, entsprechend müsse im neuen Stadtteil Bedarf nachgeholt werden.

Tafel-Stein geht dagegen davon aus, dass mehr als ein Drittel geförderter Wohnungsbau die Gefahr einer Brennpunktbildung verschärfen und die Nachbargemeinden überfordern könnte. Auch die Kritik ihres FDP-Parteikollegen in Steinbach nimmt Tafel-Stein ernst. Der Oberbürgermeister von Steinbach im Nordwesten von Frankfurt, Stefan Naas (FDP), hat bereits Bedenken vor einer faktischen Eingemeindung Steinbachs geäußert und sieht die Eigenständigkeit seiner Stadt bedroht. Außerdem besteht die Sorge, dass sich Steinbachs Schulen und Kindergärten mit Frankfurter Kindern füllen. Busch und Kochsiek zeigen ebenfalls Verständnis und wollen auf jeden Fall die Nachbarn innerhalb und außerhalb Frankfurts in die Planung einbeziehen.

Standort ist nicht unumstritten

Ähnlich sehen es die Grünen. Zwar zeigen sie sich mit dem Standort besonders zufrieden, da wichtige Frischluftschneisen freigehalten werden, aber Vermittlungsarbeit mit den Ortsverbänden ihrer eigenen Partei in Steinbach und den Ortsbeiräten 7 und 8 wird wohl notwendig werden. Dort wird es auch zu Diskussionen mit den Landwirten kommen, deren Felder jetzt für den neuen Stadtteil genutzt werden sollen. Diese haben bereits Widerstand gegen die Pläne der Stadt angekündigt.

Noch befindet sich die Planung in einer sehr frühen Phase und es ist kaum mehr als der Standort des neuen Stadtteiles bekannt. Trotzdem steht fest: Wie auch immer die Entwicklung des Gebiets zwischen Steinbach und den Frankfurter Stadtteilen Niederursel und Praunheim genau verlaufen wird, es wird noch einiges zu diskutieren geben.

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